Les Quatre Saisons - L'Hiver von Guerlain

Les Quatre Saisons - L'Hiver 2016

loewenherz
19.03.2017 - 05:19 Uhr
24
Top Rezension
9Duft 7Haltbarkeit 6Sillage 9Flakon

Reluctance

auf deutsch etwa: 'Widerwillen', so heißt ein wunderbares Gedicht des Amerikaners Robert Frost. Er beschreibt darin die völlige Stille und - physische wie seelische - Leere des Mittwinters und verwendet diese gleichermaßen als eine Metapher für Abschied und Ende bzw. eben den Widerwillen dagegen, das Ende von etwas Geliebtem zu akzeptieren: '...out over the crusted snow - when others are sleeping.' Kälte. Melancholie. Einsamkeit.

Thierry Wasser arrangiert den Winterduft in Guerlains höchstexklusivierter Jahreszeitenserie entlang des Wesens von Frosts emblematischem Poem (auch wenn er wohl einen russischen Winter im Kopf hatte und keinen amerikanischen): still und klar, würdevoll und ebenso traurig wie doch durchdrungen von der noch fernen Ahnung eines Neuanfangs. L'Hiver fußt auf einem mineralischen, beinahe metallisch anmutenden Grundakkord - wie das Geräusch der Schritte, die im verharschten Schnee einsinken. Das initiale Nadelholz verfliegt rasch jenseits der Kopfnote und gibt Raum für eine lichtweiße Kühle aus einer verblüffend unpudrigen Iris und einem Weihrauch so fremd und körperlos wie der triebhafte Schrei einer unsichtbaren Krähe. Es ist Bewegung in diesem Duft - so wie das Echo des Krähenschreies sich zwischen den schwarzen Stämmen eines Winterwaldes verfängt - hinzu treten die kühle Bitterkeit der Engelwurz und ein ferner Anklang von Moschus so wie der Atem der Eisbärin tief unter dem Schnee, die ihre Jungen vor der Kälte zu beschützen sucht. Und etwas Wacholder scheint dabei - ganz ohne den alkoholischen Ginakkord, dem viele andere Wacholderdüfte nicht widerstehen können. Bitter. Und klar.

Einundzwanzig Exemplare gibt es von Les Quatre Saisons - L'Hiver, in handgemachten Baccarat-Flakons, besetzt mit weißen Schwanendaunen und Schneeeulenfedern, erhältlich zum Preis von 16.000 Euro ausschließlich in Paris. Kaufen wird bzw. kann entsprechend nur kaum jemand diesen wunderbaren Duft, mit dem Herr Wasser den finalen Beweis antritt, dass er auch jenseits von 'süß' ganz Wunderbares zu erschaffen in der Lage ist. Ein Kunstwerk. Von innen und von außen.

Fazit, in Robert Frosts finaler Strophe:
'Ah, when to the heart of man
was it ever less than a treason?
To go with the drift of things,
to yield with a grace to reason,
and bow and accept the end -
of a love or a season?'
8 Antworten
Sweetsmell75Sweetsmell75 vor 9 Jahren
hihi ... Salander ... oder wir planen einen Bankraub ;) ... wundervoll dein Kommentar der soooo neugierig macht auf den Duft und den wunderschönen Flakon ... ich beneide dich das du sie alle schnuppern konntest.
ZoraZora vor 9 Jahren
Ein wundervoller Kommentar. Man bekommt zumindest eine kleine Ahnung dessen was man nie zu riechen bekommen wird.
JumiJumi vor 9 Jahren
Wunderschöne Hommage an den Duft und den Winter...
SalanderSalander vor 9 Jahren
Deine Beschreibung klingt wundervoll. Jetzt muss ich nur noch ein bisschen sparen. : )
BrautkleidBrautkleid vor 9 Jahren
Ich finde, es gehört durchaus auch Mut dazu, so einen derartig seltenen Duft zu beschreiben, daher einen Pokal von mir! @Sferics: Schau mal in den Blog von Loewenherz, da schreibt er ganz ausführlich darüber.
CallasCallas vor 9 Jahren
Ich war durch Deine Zeilen gerade mal ganz woanders....
TurandotTurandot vor 9 Jahren
Kiefer und Angelika in der Kopfnote, da bekomme ich feuchte Hände. Schade, dass uns Normalsterblichen Guerlain solche Kunstwerke vorenthält. Aber danke, dass Du mir die Hoffnung lässt, dass T.W. auch für mich nochmal was entwirft, das ich nicht "nur süss" empfinde. Er kanns ja wohl doch.
FranciskaFranciska vor 9 Jahren
Hach ja, das ist wieder einer dieser Kommentare: super ge- bzw. beschrieben, aber trotzdem glaube ich, dass er ganz anders riecht, als ich ihn mir jetzt vorstelle. Aber so ist das nunmal bei diesen komplexeren Düften. Pokal für dich!