Angels' Share 2020

Pollita
22.10.2021 - 03:44 Uhr
108
Top Rezension
10
Flakon
10
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Zu viel des Guten. Oder wenn Schnapshersteller Parfum machen

Mit den Düften von Kilian werde ich einfach nicht warm. So viele habe ich schon probiert und will dennoch nicht aufgeben. Denn die Duftnoten, die Flakons und die Präsentation sprechen mich immer wieder an. Dass beim Inhalt der Funke tatsächlich auch mal überspringt, hat leider noch nicht geklappt. Da die Tage langsam kürzer und die Temperaturen kühler werden, hielt ich es für einen guten Zeitpunkt, mal den Angels Share zu testen, den ich kürzlich in einer Pröbchen-Tauschliste einer lieben Parfuma entdeckt habe.

Gesagt, getan. Heute wollte ich mir dieses edle Tröpfchen zu Gemüte führen. Und ganz ehrlich. Der erste Eindruck war toll! Was für eine Kopfnote. Es muss wohl der Edelbrand sein, der mir hier ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Diese alkoholische Note wirkt auf mich grün-süßlich, sogar etwas frisch. Ich bilde mir ein, Ähnlichkeiten zu Saint Julep von Imaginary Authors wahrzunehmen, der ja ebenfalls eine Spirituosen-Note hat. Hatte sogar ganz kurz, vielleicht so 20 Minuten lang, mit dem Gedanken gespielt, mir diesen Duft eventuell zuzulegen. Ja, ich fürchte, ich bin eine Schnapsdrossel.

Wie immer sprühe ich nicht nur eine kleine Menge auf meine Hand, sondern bedufte parallel auch ein Kosmetiktüchlein und platziere es in einem Raum. Und was mir da entgegenballert, als ich diesen Raum wieder betrete, gefällt mir im Gegensatz zu der verzückenden, fast grünen Schnaps-Kopfnote auf meinem Handrücken leider überhaupt nicht. Das sind tonkasüße Schwaden gespickt mit massenhaft Glühweingewürz und Weihnachtsplätzchen zum Schneiden. So dicht, dass ich fast den Eingang in den Raum nicht mehr finde. Wankend entdecke ich das Tüchlein und auch hier duftets wieder so schön, halte ich meinen Schnabel direkt dran. Aber in der Projektion – fürchterlich! Zu süß, zu dick, zu heftig.

Das passiert also, wenn Schnapshersteller Parfum machen. Sie wollen uns alle hopplahopp zu Alkoholikern machen. Anders kann ich mir dieses Ergebnis hier nicht erklären. Nein, man soll nicht ein Gläschen oder präziser Schwenkerchen davon genießen, lächeln und glücklich sein. Nein. Es muss gleich die ganze Flasche sein. Kopfweh durch Zucker und Fuselalkohole garantiert. Plattmachen will einen dieser Kilian Hennessy! Böse, böse!

Mir ist das leider zu viel des Guten. Bei solchen Sillagen bin ich raus. Und je weiter der Duft sich entwickelt, desto mehr macht sich diese göttliche Schnapskopfnote aus dem Staub und es bleibt dieser süße Brei, den ich auch in der Projektion wahrnehme.

Wer allerdings Monstersillagen mit Katergarantie braucht und insbesondere stark gezuckerten Alkoholika gegenüber nicht abgeneigt ist, für den ist dieser Angels Share richtig. Den Flakon finde ich ja wunderschön und zumindest auf den Fotos wirkt er sehr wertig. Wie ein guter Cognac eben. Aber wir bleiben besser brav bei einem Gläschen. Ein schönes Wochenende und Prost!

Ganz lieben Dank an FrauKirsche für die Testmöglichkeit.
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