Musk 1995 Eau de Toilette

Pollita
26.10.2021 - 03:28 Uhr
51
Top Rezension
8
Flakon
6
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft

Die zwei Gesichter des Herrn Villoresi

Lorenzo Villoresi gehört zu den Parfumeuren, die mich immer wieder überraschen. Sind doch bei vielen modernen Mainstreamdüften sowie größtenteils auch im Nischenbereich – Independent-Labels und Naturdüfte mal ausgenommen – oft keine großartigen Duftverläufe mehr auszumachen, so begegnen sie einem bei diesem italienischen Duftmeister noch in einer Art und Weise, wie ich sie von echten Klassikern gewohnt bin. So manche seiner Düfte haben sage und schreibe zwei Gesichter. Unter anderem Yerbamate, der als krautig-knarziger Grünling beginnt und in einen weichen, warmen Puderfluff mündet. Ähnlich macht das Villoresi auch hier bei Musk. Auch hier gibt es zwei sehr unterschiedliche Phasen, die diesen Duft ausmachen.

Musk beginnt wie schon Yerbamate etwas kernig, allerdings kernig nach meinem Geschmack. Da ist eine wunderbar herbgrüne Kardamomnote begleitet von den leicht bitteren Tönen des Galbanums. Dazu kommen sanfte Anklänge von Rose und Rosengeranie. Wüsste ich es nicht besser, was ich hier teste, hätte ich in dieser Phase außerdem eine helle Weihrauchnote vermutet. In der Kopfnote und auch teilweise noch im Herzen erinnert mich dieses Parfum an so manche Werke von Olivia Giacobetti. Kühl, weiß, etwas floral. Passage d’Enfer lässt grüßen. Genau in dieser Machart geht auch Musk an den Start. Von Moschus bisher keine Spur. Der Duft wirkt geerdet, seriös und beherrscht.

Im Gegensatz zum Yerbamate, der mich erst im Fond mit seinen weichen Pudertönen zu begeistern weiß, ist es bei Musk diese erste halbe Stunde bis Stunde, in der er mich voll in den Fängen hat. Bliebe er so, dürfte er auch bei mir bleiben und meine Sammlung bereichern. Doch auch dieser Duft hat zwei Gesichter und wandelt sich für meine Nase vollständig. Zur Basis hin gibt er sich auch als warmer Moschusduft zu erkennen und lässt Raum für eine helle Bernsteinnote. Doch da ist noch mehr. Auf einmal habe ich das Gefühl, wächserne Aldehyde wahrzunehmen. Ich bin hier bei einem Sauberduft, der in Richtung seifig-sauber geht. Die Sandelholznote im Hintergrund ist gar hinreißend, aber das reicht mir dann alles in allem leider nicht. Dieses Seifenschaumbad, das bleibt, ist nicht mehr ganz meine Welt. Zu französisch, klassisch chic. Wo ist meine helle, weiße Kardamomrauchigkeit geblieben? Leider ist sie schon längst weitergezogen und hat sich still und leise von mir verabschiedet.

Doch egal, ob man jetzt mehr auf den knarzigen Start oder den seifigen Schlussakt steht. Das ist ein Duft, den es gilt, zu entdecken. Selten habe ich so deutliche und unerwartete Verläufe in Düften erlebt, wie bei Lorenzo Villoresi. Unbedingt testen!

Herzlichen Dank an Violett für die Probe.
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