02.09.2024 - 07:59 Uhr
SebastianM
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SebastianM
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Ein intimer Duft der Erinnerung
Als Kind hatte ich eine kurze Pferdephase. Eine kanadische Austauschlehrerin war einige Monate lang bei uns zu Gast und nahm mich häufig mit in den örtlichen Reitclub. Epona erinnert mich an diese Zeit. Gleich zu Beginn riecht es wie in der Sattelkammer: nach wachsiger Seife, nach gepflegtem, gebrauchtem Leder, nach Öl. Gleich danach kommt eine Welle von Blumen, hauptsächlich Veilchen und Iris, eine See von Iononen. Die Blumen sind weder süß noch lieblich, sondern eher distanziert, fast stumpf, wie sich das nach meinem Empfinden für dieses Genre von Parfüm (florales Leder) auch gehört.
Dieser Duft bewegt sich in einem Spannungsfeld, das von Hermès' Violette Volynka, Grès' Cabochard, Chanels Cuir de Russie, Balmains Madame Jolie und Knize Ten aufgespannt wird. Er ist elegant, grün und herb-ledrig. Das Leder verleugnet seine Herkunft aus der Gerberei nicht, hat einen gummiartigen oder benzinigen Unterton, und ist hierin Violette Volynka am ähnlichsten, ebenso wie darin, dass die bestimmende Blume eben das Veilchen ist. Das Moosige erinnert mich am ehesten an Jolie Madame. Die Blütenseidigkeit unter weitgehender Vermeidung von Puder an Cabochard. Dies nur zur Einordnung.
Nach dem geschilderten Auftakt geht in Epona dann die Sonne auf. Der Übergang ist wunderbar fließend, nichts ist hier abrupt, und man muss aufpassen, dass man nichts verpasst. Wir befinden uns auf einem Ausritt über die Wiesen, das Wetter ist warm, man riecht honigsüßes Heu. Und etwas unstimmigerweise riecht man auch Narzissen (vom aufgeführten Honig?), und zwar deutlich. (Wir verlegen unseren Ausritt also am besten nach Südwesteuropa, wo es spät blühende wilde Narzissenarten gibt.) In dieser Phase des Verlaufes riecht Epona sogar ein bisschen nach Pferd. Auf so schöne, angenehme Weise - eigentlich ist es nur eine Ahnung von Pferd - dass es mich ganz sehnsüchtig macht. Auf dem Originalkarton wird ein Pferdehautakkord ("horse skin accord") aufgeführt, der aus mir unbekannten Gründen in der Duftnotenliste von Parfumo nicht genannt wird. Dabei gibt es ihn ganz eindeutig, und ich habe noch nie etwas dergleichen in einem Parfüm gerochen. Liz Moores ist eine große Meisterin der animalischen Akkorde! In einem alten Interview auf Kafkaesque schrieb sie einmal "Animalic notes I absolutely adore, and I find them a joy to work with. Castoreum and hyraceum are two of my favourite animal notes, and the effects they can create within a formula can be breathtaking." (*) Genau so ist es hier. Die beiden genannten Noten sind sicherlich enthalten.
Langsam verlassen wir die Idylle, Epona wird süß und mild. Das Heu bekommt eine holzige und tabakartige Qualität (vielleicht vom Vetiver), die balsamischen Noten werden deutlicher, darunter ein Kontrast von grüner Kräutrigkeit. Es ist einfach himmlisch, pure Schönheit. Und es wird sogar noch besser, denn wenig später meine ich, einen Vintage-Caron zu tragen. Der Drydown hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Ernest Daltroffs Mousse de Saxe. Auf Perfume Shrine und Basenotes kann man nachlesen, dass dieser Akkord aus Geranie, Anisaldehyd, Isobutylquinoline (ledrig), Iononen und Vanillin bestünde. Das ist nicht weit weg von Epona in dieser Phase: die Geranie ersetzen wir durch Eichenmoos, Vanillin ist zwar nicht gelistet, aber ich bin bereit zu glauben, dass es enthalten ist.
Epona hat eine dezente Projektion und angenehme Haltbarkeit. (Ca. 7 Stunden bei zwei Sprühern auf meiner Haut.) Es wird nie zu dicht. Es ist über den gesamten Verlauf der Inbegriff von - manchmal ländlicher - Eleganz. Es wirkt, bei aller Körperlichkeit, niemals rustikal. Ganz zum Schluss wird es dann leider doch immer süßer, und diese eindimensionale Honigsüße bleibt vielleicht ein wenig zu lange auf der Haut.
Nachtrag: "Epona" ist der Name einer keltischen Göttin, Schutzpatronin der Pferde und gleichzeitig eine Fruchtbarkeitsgöttin. Liz Moores' Pferd war nach ihr benannt. Und meine Pferdephase ging leider vorbei, als ich eine Allergie gegen Pferdehaar entwickelte.
(*) Zu Deutsch: "Ich liebe animalische Noten und es macht mir Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Castoreum und Hyraceum sind meine beiden liebsten animalischen Noten und die Wirkungen, die sie in einer Formel erzeugen können, können atemberaubend sein."
Dieser Duft bewegt sich in einem Spannungsfeld, das von Hermès' Violette Volynka, Grès' Cabochard, Chanels Cuir de Russie, Balmains Madame Jolie und Knize Ten aufgespannt wird. Er ist elegant, grün und herb-ledrig. Das Leder verleugnet seine Herkunft aus der Gerberei nicht, hat einen gummiartigen oder benzinigen Unterton, und ist hierin Violette Volynka am ähnlichsten, ebenso wie darin, dass die bestimmende Blume eben das Veilchen ist. Das Moosige erinnert mich am ehesten an Jolie Madame. Die Blütenseidigkeit unter weitgehender Vermeidung von Puder an Cabochard. Dies nur zur Einordnung.
Nach dem geschilderten Auftakt geht in Epona dann die Sonne auf. Der Übergang ist wunderbar fließend, nichts ist hier abrupt, und man muss aufpassen, dass man nichts verpasst. Wir befinden uns auf einem Ausritt über die Wiesen, das Wetter ist warm, man riecht honigsüßes Heu. Und etwas unstimmigerweise riecht man auch Narzissen (vom aufgeführten Honig?), und zwar deutlich. (Wir verlegen unseren Ausritt also am besten nach Südwesteuropa, wo es spät blühende wilde Narzissenarten gibt.) In dieser Phase des Verlaufes riecht Epona sogar ein bisschen nach Pferd. Auf so schöne, angenehme Weise - eigentlich ist es nur eine Ahnung von Pferd - dass es mich ganz sehnsüchtig macht. Auf dem Originalkarton wird ein Pferdehautakkord ("horse skin accord") aufgeführt, der aus mir unbekannten Gründen in der Duftnotenliste von Parfumo nicht genannt wird. Dabei gibt es ihn ganz eindeutig, und ich habe noch nie etwas dergleichen in einem Parfüm gerochen. Liz Moores ist eine große Meisterin der animalischen Akkorde! In einem alten Interview auf Kafkaesque schrieb sie einmal "Animalic notes I absolutely adore, and I find them a joy to work with. Castoreum and hyraceum are two of my favourite animal notes, and the effects they can create within a formula can be breathtaking." (*) Genau so ist es hier. Die beiden genannten Noten sind sicherlich enthalten.
Langsam verlassen wir die Idylle, Epona wird süß und mild. Das Heu bekommt eine holzige und tabakartige Qualität (vielleicht vom Vetiver), die balsamischen Noten werden deutlicher, darunter ein Kontrast von grüner Kräutrigkeit. Es ist einfach himmlisch, pure Schönheit. Und es wird sogar noch besser, denn wenig später meine ich, einen Vintage-Caron zu tragen. Der Drydown hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Ernest Daltroffs Mousse de Saxe. Auf Perfume Shrine und Basenotes kann man nachlesen, dass dieser Akkord aus Geranie, Anisaldehyd, Isobutylquinoline (ledrig), Iononen und Vanillin bestünde. Das ist nicht weit weg von Epona in dieser Phase: die Geranie ersetzen wir durch Eichenmoos, Vanillin ist zwar nicht gelistet, aber ich bin bereit zu glauben, dass es enthalten ist.
Epona hat eine dezente Projektion und angenehme Haltbarkeit. (Ca. 7 Stunden bei zwei Sprühern auf meiner Haut.) Es wird nie zu dicht. Es ist über den gesamten Verlauf der Inbegriff von - manchmal ländlicher - Eleganz. Es wirkt, bei aller Körperlichkeit, niemals rustikal. Ganz zum Schluss wird es dann leider doch immer süßer, und diese eindimensionale Honigsüße bleibt vielleicht ein wenig zu lange auf der Haut.
Nachtrag: "Epona" ist der Name einer keltischen Göttin, Schutzpatronin der Pferde und gleichzeitig eine Fruchtbarkeitsgöttin. Liz Moores' Pferd war nach ihr benannt. Und meine Pferdephase ging leider vorbei, als ich eine Allergie gegen Pferdehaar entwickelte.
(*) Zu Deutsch: "Ich liebe animalische Noten und es macht mir Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Castoreum und Hyraceum sind meine beiden liebsten animalischen Noten und die Wirkungen, die sie in einer Formel erzeugen können, können atemberaubend sein."
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