Room 64 RAAW Alchemy 2021 Eau de Parfum
17
Top Rezension
Tavor ohne Lorazepam. Gepflegter Aschenbecher und Geborgenheit.
Es war wieder einer dieser Tage. Sie kannte es schon. Der Frühling blinkte ihr von allen Seiten und Leuchtreklamen in 2, 3 und 4D entgegen. Währenddessen hielt Jasmin vergilbte Fotografien in der Hand. Fotografien, die die Vergangenheit konserviert hielten. Auch nach zig Jahren musste man sich die Finger waschen, nachdem man die Fotos aus der Box gekramt hatte, denn man konnte ihnen nicht nur ansehen(!), woher sie stammten.
Jasmin erinnerte sich an diesen Tag, wie sie mit 17 Jahren, Freiheit in der Luft, ein bisschen Angst in und ihren Koffer mit allen Habseligkeiten, die ihr blieben, mit sich tragend, vor den großen Türen von Nummer 64 stand und ‚sie‘ das letzte Mal in ihrem Zuhause besuchen sollte und diese Fotos mitnahm. Nur geliehen, um sie zu digitalisieren und sie dann zurückzubringen. Es waren nicht viele, doch für beide bedeuteten sie eine halbe Welt. ‚Sie‘ kramte damals diesen dunkelroten samtenen Umschlag aus einer Schublade. ‚Sie’ war zwar verrückt, aber irgendwo, tief im Inneren, vielleicht immer noch sie selbst, wer auch immer ‚sie‘ gewesen war. Bekannte beschrieben sie als angsteinflößend. Temperamentvoll, schön, die Schönste in ihrem Dorf soll sie gewesen sein. Ihre Schwester erzählte, sie war schon als Jugendliche garstig gewesen und hatte Depressionen, seit sie denken konnte. Jasmin runzelte die Stirn. Wer weiß, wieviele Frauen es in diesem Dorf irgendwo im Nirgendwo der Weiten der Berge gegeben hatte. Jasmin konnte kaum atmen, so sehr stank es in dieser Wohnung. Auf 30 Quadratmetern Fläche wurde geraucht und selten gelüftet. Die Wände waren schon auf den ersten Blick bräunlich-gelb, noch gelber, wenn man die Fotos anhob und sich des Kontrasts bewusst wurde. ‚Sie’ saß mit leicht zittrigen Händen da und zog an der Zigarette, nicht einmal richtig, es sah seltsam aus. ‚Sie’ paffte quasi eine ganze selbstgestopfte Kippe weg, etwa fünf Zigaretten lang. Diese 250er Packung Hülsen reichte ihr nicht ganz eine Woche. Jasmin fand es bewundernswert, schlief ‚sie’ doch von 20 - 12 Uhr. Bewundernswert und abstoßend. ‚Sie‘ blickte auf. In diesem Moment wurde ihr Jasmins Anwesenheit wohl wieder bewusst. „Hast du mein Tavor gesehen?“ Jasmin schüttelte den Kopf. Kam dafür nicht der Medikamentendienst? „Ich brauche es unbedingt! Kannst du bitte gehen und welches holen? Ich halte es nicht aus.“ Jasmin nickte, froh, diesem Käfig für ein paar Minuten zu entkommen. Die nächste Apotheke gegoogelt machte sich Jasmin auf den Weg.
Tavor… „Entschuldigen Sie, kann ich Ihren Ausweis und die Verschreibung sehen?“ Jasmin hatte keinen und kramte nach einem Dokument, das ihr Alter bestätigte. „Nein, das kann ich Ihnen nicht geben. Wofür brauchen Sie es?“ „Für meine Mutter. Sie ist zuhause und es geht ihr nicht gut, sie bekommt es immer, hier.“ Jasmin kramte eine leere Schachtel heraus, vergilbt. Nach einer kurzen Diskussion gab Jasmin klein bei. „Xanax, irgendetwas? Was soll ich tun?“ „Rufen Sie in der Klinik an. Vielleicht sollte man sie besser einweisen, hier haben Sie eine Notfallnummer.“ Das wäre ihr Ende, ‚sie’ würde sie hassen. Nein. Jasmin verließ die Apotheke, ihr Optimismus auf einen angenehmen Tag bei ‚ihr‘ sie ebenso. Zurück bei ‚ihr‘ blieb Jasmin erst einmal wieder die Luft weg. „Hast du es?“ Jasmin nickte und hoffte, es wäre ihr nicht anzusehen, dass sie log. „Ich bringe dir ein Glas Wasser dazu.“ - „Bitte zwei Stück!“ Sie ging in die Küche und drückte die Tabletten aus dem Blister. „Warum dauert das so lange?“ „Moment!“ Als Jasmin mit dem Glas Wasser und einem geschnittenen Apfel zurückkam, lag ‚sie‘ auf dem Sofa. Sie war kreidebleich, bestimmt weil sie nie lüftete oder weil sie sich an einer Zigarette verschluckt hatte. Der Aschenbecher quoll über. „Hier - und iss etwas dazu. Die Dame in der Apotheke meinte, dir könnte übel davon werden, wenn du es auf leeren Magen einnimmst.“ „Warum ist es weiß? Das ist kein Tavor! Willst du mich vergiften?! Ich habe es schon immer gewusst, seit dem Tag, an dem du geboren bist, du bist mein Ende.“ „Das ist nicht Tavor, aber es ist Lorazepam. Der Wirkstoff von Tavor, in exakt der gleichen Dosierung. Das Original konnte ich mir nicht leisten.“ Hoffentlich glaubte ‚sie’ es. Anscheinend schon. „Du bist ein gutes Kind. Und jetzt lass Mama sich ein bisschen ausruhen.“
Das tat Jasmin zu gerne. Während ‚sie‘ schlief, packte sie die restlichen Zinktabletten in die Dose mit der Aufschrift „Tavor. Lorazepam“. Hier würde sie nicht bleiben, höchstens bis morgen. Draußen begann es zu regnen. Jasmin öffnete alle Fenster und setzte sich flach durch den Mund atmend in die Ecke, das Handy in der einen, den Zettel mit allen Telefonnummern für den Notfall in der anderen Hand. Die Augen auf ‚sie‘ gerichtet begann Jasmin, die Nummern einzuspeichern und nach einer anderen Bleibe zu suchen.
Wem das zu „meta“ war:
Tabak, authentischer, extrem starker, weniger saftiger, sondern angetrockneter Tabak, macht den Auftakt und ist bis zur Basis, die auch am nächsten NACHMITTag noch zu erahnen ist (nach dem Duschen, wohlgemerkt), zu riechen.
Der Raum ist ein Aschenbecher, allerdings einer ohne die allermeisten der Stoffe, die den ekligen Geruch eines Raucherzimmers respektive Aschenbecher ausmachen. Vergleichbar nicht mit dem jemandem, der aus einer Raucherkneipe kommt und dann duschen geht, sondern schätzungsweise eher mit jemandem, der nicht raucht, aber in einer Zigarettenfabrik arbeitet.
Der Raum suggeriert aus der Distanz Geborgenheit, man vernimmt deutlich die durch Vanille gesüßte Jasmin, bei näherem Hinsehen gruselt es einen doch etwas. Patchouli tut wohl sein Übriges. Hin und wieder riecht es auch wirklich nach Zigarettenrauch.
Seltsamerweise wurde er beim ersten Ausführen nach draußen als „lecker“ wahrgenommen (Zitat: „Woooaaah, Tshajbu, du riechst immer so lecker!“), allerdings hatte Tshajbukoshka an dem Tag nach dem Auftragen Pfannkuchen gebraten, vielleicht hat man die auch noch etwas in den Haaren gerochen. Vielleicht kam für die beiden Proband*innen, die, wie man erwähnen sollte, beide Raucher*innen sind, die Vanille am deutlichsten durch, für Tshajbukoshka als rauchfreie Person ist das ein sehr potenter, leicht gesüßter Aschenbecher, der nicht dem persönlichen Gusto entspricht.
Man hält ihn aus, wenn man muss, aber mehr als ein Mal muss es dann auch nicht sein.
Jasmin erinnerte sich an diesen Tag, wie sie mit 17 Jahren, Freiheit in der Luft, ein bisschen Angst in und ihren Koffer mit allen Habseligkeiten, die ihr blieben, mit sich tragend, vor den großen Türen von Nummer 64 stand und ‚sie‘ das letzte Mal in ihrem Zuhause besuchen sollte und diese Fotos mitnahm. Nur geliehen, um sie zu digitalisieren und sie dann zurückzubringen. Es waren nicht viele, doch für beide bedeuteten sie eine halbe Welt. ‚Sie‘ kramte damals diesen dunkelroten samtenen Umschlag aus einer Schublade. ‚Sie’ war zwar verrückt, aber irgendwo, tief im Inneren, vielleicht immer noch sie selbst, wer auch immer ‚sie‘ gewesen war. Bekannte beschrieben sie als angsteinflößend. Temperamentvoll, schön, die Schönste in ihrem Dorf soll sie gewesen sein. Ihre Schwester erzählte, sie war schon als Jugendliche garstig gewesen und hatte Depressionen, seit sie denken konnte. Jasmin runzelte die Stirn. Wer weiß, wieviele Frauen es in diesem Dorf irgendwo im Nirgendwo der Weiten der Berge gegeben hatte. Jasmin konnte kaum atmen, so sehr stank es in dieser Wohnung. Auf 30 Quadratmetern Fläche wurde geraucht und selten gelüftet. Die Wände waren schon auf den ersten Blick bräunlich-gelb, noch gelber, wenn man die Fotos anhob und sich des Kontrasts bewusst wurde. ‚Sie’ saß mit leicht zittrigen Händen da und zog an der Zigarette, nicht einmal richtig, es sah seltsam aus. ‚Sie’ paffte quasi eine ganze selbstgestopfte Kippe weg, etwa fünf Zigaretten lang. Diese 250er Packung Hülsen reichte ihr nicht ganz eine Woche. Jasmin fand es bewundernswert, schlief ‚sie’ doch von 20 - 12 Uhr. Bewundernswert und abstoßend. ‚Sie‘ blickte auf. In diesem Moment wurde ihr Jasmins Anwesenheit wohl wieder bewusst. „Hast du mein Tavor gesehen?“ Jasmin schüttelte den Kopf. Kam dafür nicht der Medikamentendienst? „Ich brauche es unbedingt! Kannst du bitte gehen und welches holen? Ich halte es nicht aus.“ Jasmin nickte, froh, diesem Käfig für ein paar Minuten zu entkommen. Die nächste Apotheke gegoogelt machte sich Jasmin auf den Weg.
Tavor… „Entschuldigen Sie, kann ich Ihren Ausweis und die Verschreibung sehen?“ Jasmin hatte keinen und kramte nach einem Dokument, das ihr Alter bestätigte. „Nein, das kann ich Ihnen nicht geben. Wofür brauchen Sie es?“ „Für meine Mutter. Sie ist zuhause und es geht ihr nicht gut, sie bekommt es immer, hier.“ Jasmin kramte eine leere Schachtel heraus, vergilbt. Nach einer kurzen Diskussion gab Jasmin klein bei. „Xanax, irgendetwas? Was soll ich tun?“ „Rufen Sie in der Klinik an. Vielleicht sollte man sie besser einweisen, hier haben Sie eine Notfallnummer.“ Das wäre ihr Ende, ‚sie’ würde sie hassen. Nein. Jasmin verließ die Apotheke, ihr Optimismus auf einen angenehmen Tag bei ‚ihr‘ sie ebenso. Zurück bei ‚ihr‘ blieb Jasmin erst einmal wieder die Luft weg. „Hast du es?“ Jasmin nickte und hoffte, es wäre ihr nicht anzusehen, dass sie log. „Ich bringe dir ein Glas Wasser dazu.“ - „Bitte zwei Stück!“ Sie ging in die Küche und drückte die Tabletten aus dem Blister. „Warum dauert das so lange?“ „Moment!“ Als Jasmin mit dem Glas Wasser und einem geschnittenen Apfel zurückkam, lag ‚sie‘ auf dem Sofa. Sie war kreidebleich, bestimmt weil sie nie lüftete oder weil sie sich an einer Zigarette verschluckt hatte. Der Aschenbecher quoll über. „Hier - und iss etwas dazu. Die Dame in der Apotheke meinte, dir könnte übel davon werden, wenn du es auf leeren Magen einnimmst.“ „Warum ist es weiß? Das ist kein Tavor! Willst du mich vergiften?! Ich habe es schon immer gewusst, seit dem Tag, an dem du geboren bist, du bist mein Ende.“ „Das ist nicht Tavor, aber es ist Lorazepam. Der Wirkstoff von Tavor, in exakt der gleichen Dosierung. Das Original konnte ich mir nicht leisten.“ Hoffentlich glaubte ‚sie’ es. Anscheinend schon. „Du bist ein gutes Kind. Und jetzt lass Mama sich ein bisschen ausruhen.“
Das tat Jasmin zu gerne. Während ‚sie‘ schlief, packte sie die restlichen Zinktabletten in die Dose mit der Aufschrift „Tavor. Lorazepam“. Hier würde sie nicht bleiben, höchstens bis morgen. Draußen begann es zu regnen. Jasmin öffnete alle Fenster und setzte sich flach durch den Mund atmend in die Ecke, das Handy in der einen, den Zettel mit allen Telefonnummern für den Notfall in der anderen Hand. Die Augen auf ‚sie‘ gerichtet begann Jasmin, die Nummern einzuspeichern und nach einer anderen Bleibe zu suchen.
Wem das zu „meta“ war:
Tabak, authentischer, extrem starker, weniger saftiger, sondern angetrockneter Tabak, macht den Auftakt und ist bis zur Basis, die auch am nächsten NACHMITTag noch zu erahnen ist (nach dem Duschen, wohlgemerkt), zu riechen.
Der Raum ist ein Aschenbecher, allerdings einer ohne die allermeisten der Stoffe, die den ekligen Geruch eines Raucherzimmers respektive Aschenbecher ausmachen. Vergleichbar nicht mit dem jemandem, der aus einer Raucherkneipe kommt und dann duschen geht, sondern schätzungsweise eher mit jemandem, der nicht raucht, aber in einer Zigarettenfabrik arbeitet.
Der Raum suggeriert aus der Distanz Geborgenheit, man vernimmt deutlich die durch Vanille gesüßte Jasmin, bei näherem Hinsehen gruselt es einen doch etwas. Patchouli tut wohl sein Übriges. Hin und wieder riecht es auch wirklich nach Zigarettenrauch.
Seltsamerweise wurde er beim ersten Ausführen nach draußen als „lecker“ wahrgenommen (Zitat: „Woooaaah, Tshajbu, du riechst immer so lecker!“), allerdings hatte Tshajbukoshka an dem Tag nach dem Auftragen Pfannkuchen gebraten, vielleicht hat man die auch noch etwas in den Haaren gerochen. Vielleicht kam für die beiden Proband*innen, die, wie man erwähnen sollte, beide Raucher*innen sind, die Vanille am deutlichsten durch, für Tshajbukoshka als rauchfreie Person ist das ein sehr potenter, leicht gesüßter Aschenbecher, der nicht dem persönlichen Gusto entspricht.
Man hält ihn aus, wenn man muss, aber mehr als ein Mal muss es dann auch nicht sein.
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Pokal von mir.
Weder der Duft, noch das Leben, wie es seine Geschichten stetig fortschreibt.
Interessante Rezension mit Feingefühl.