Sel de Vétiver 2006

Redna
21.10.2016 - 14:47 Uhr
12
Top Rezension

Die Ruhe nach dem Sturm

Da Creed Original Vetiver einer der ersten Nischendüfte war, der mich sofort beim ersten Öffnen der Probe begeistert hat, war es für mich naheliegend, zunächst mal zahlreiche weitere Vetiver-Düfte zu testen - auch, wenn der oben genannte eigentlich gar nicht typisch für diese Richtung ist. So ist - Terras Empfehlung sei Dank - auch Sel de Vetiver auf meiner Liste gelandet. Da ich kurz vorher auch Heeleys Sel Marin gestestet hatte, den ich auch nicht schlecht fand, war die Verbindung aus Vetiver und Meer doppelt reizvoll.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Schon nach dem ersten Aufsprühen war mir klar, dass ich diesen Duft haben will. Ich habe ihn von Anfang an als für mich selbstverständlich empfunden. Warum das so ist, fällt mir gar nicht leicht, zu beschreiben.

Sel de Vetiver beginnt sehr frisch, die deutliche Grapefruit-Note lässt ihn die ersten Minuten spritzig und säuerlich erscheinen. Man merkt dabei aber bereits, dass es so nicht bleiben wird und der Duft wandelt sich schnell: Es folgt sehr deutlich wahrnehmbares Salz, das eine rauhe Textur verleiht. Es ergibt sich bei mir im Kopf das Bild von Meer, das sich direkt nach einem Sturm gerade wieder beruhigt hat. Ich fühle mich quasi auf einen ins Meer ragenden Holzsteg versetzt, auf dem man die ersten warmen Sonnenstrahlen nach einem Sturm genießt. Die Umgebung ist noch nass, von Salzwasser getränkt. Die Kombination mit dem Vetiver sorgt für das alte Holz oder dunkle nasse Holzplanken eines alten Schiffes oder eines Steges in diesem Bild. Gleichzeitig strahlt der Duft eine gewisse Wärme aus, als käme gerade die Sonne wieder hervor, die für eine Intensivierung der Duftwahrnehmung in der durch die Verdunstung noch kalten Luft sorgt.
Dort angekommen, ist die Veränderung nur noch marginal, was mich aber nicht im geringsten stört. Die Grapefruit-/Zitrusnoten verschwinden nach einiger Zeit komplett, was den Duft noch etwas wärmer werden lässt.
Vielleicht ist es gerade diese Kombination, die ich so toll finde: Einerseits repräsentiert der Duft rauhes, frisches Meer, andererseits wirkt er kein bisschen ungemütlich. Einerseits ist er ganz sicher kein runder, weicher, gefälliger Wohlfühl-Kuschelduft, andererseits ist er kein bisschen aggressiv oder unangenehm, in seiner Rauheit doch sehr stimmig und rund.

Sel Marin und Sel de Vetiver sind übrigens, trotz Überschneidungen in Duftnoten und Thema, zwei gänzlich unterschiedliche Düfte: Sel Marin ist im klassischen Sinne aquatisch, sehr kühl, es dominieren Algen und er enthält meerestypische Duftnoten, die vielleicht nicht jeder als angenehm empfinden wird. Ich empfinde sie als passend und den Duft durchaus auch als spannend, sehe ihn in erster Linie im Sommer. Das Salz spielt in Sel de Vetiver eine größere Rolle, der auf mich durch den Vetiver "dunkler" und etwas voller, schwerer wirkt...eher etwas für Herbst und vielleicht Frühling.

Die ersten Stunden ist die Silage von Sel de Vetiver in meinen Augen genau richtig: Deutlich wahrnehmbar, nicht aufdringlich. Von der Haltbarkeit der Projektion her würde ich mir ein wenig mehr Ausdauer wünschen. Nach 5-6 Stunden nehme ich ihn hautnah noch sehr deutlich wahr, die Projektion hat dann aber schon spürbar gelitten.
Derzeit habe ich noch eine Abfüllung. Neigt sich diese zur Neige, wird definitiv ein Flakon folgen. Sel de Vetiver ist einer meiner beiden Standarddüfte für diesen Herbst geworden.
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