Private Blend

Rose Prick 2020 Eau de Parfum

FungShangLou
30.01.2020 - 14:48 Uhr
43
Top Rezension
5
Flakon
4
Sillage
4
Haltbarkeit
6
Duft

Tom Ford’s: [hier einen weiteren, unpassenden, schmutzig-doppeldeutigen Namen einfügen]

Rose Prick ist ein repräsentatives Exempel meiner aktuellen Beziehung mit Tom Ford. So muss sich wohl das Klischeebild des verflixten 7. Jahres anfühlen. Einst die große Liebe auf den ersten Blick, plötzlich hat man sich voneinander entfernt und fragt sich, wo der Geliebte hin entschwunden ist. Ich wache morgens auf und sehne mich nach dem Glanz der frühen Stunden. Wie ein Erinnerungsfoto halte ich Tuscan Leather in meinen Händen und rieche daran, um mir vor Augen zu führen, dass die Liebe noch da ist. Aber selbst das gelingt mir nur schwer, bist du doch gegenwärtig nur noch ein seichtes Wässerchen.
Oh Tom, wir müssen reden...

Für alle, die diesen Kommentar nur nach einer prägnanten Beschreibung dieses Dufts durchforsten, ich mache es euch einfach und antizipiere das Resümee:
Bildschönes Opening von fruchtig saftiger Rose, kippt zeitig, danach dermaßen 08/15-süßer-Patchouli-Damenduft aus einer x-beliebigen Drogerie, wie ich es von Tom Ford noch nie erlebt habe.

Fangen wir aber ganz von vorne an.
Nach Tom Fords konsequenter Epidemie von Lavendel Düften erscheint nun der dritte Duft mit auffallend provokativem Titel, die klar aus der üblichen Namensgebung entfallen. Wer weiß, vielleicht eine Trilogie, die hoffentlich hier ein Ende findet. Schauen wir doch mal zurück:

2017 veröffentlicht Ford seinen *räusper* streng limitierten Duft Fucking Fabulous.
Wenn Ford eines kann, dann Marketing. Mit einem plakativen, provokanten Titel wie diesen, der sich durch Namen, Flakon-Design und vor allem Preis, gänzlich abhebt vom Rest der Private Blends, wird FF zum Hit ... für Toms Geldbeutel.

Einmal Blut geleckt wird es weiterhin blutig-rot, ein Jahr später erscheint Lost Cherry. Hat man sich beim Vorgänger bereits darüber gestritten, ob der Titel wirklich passend ist, so setzt Lost Cherry noch einen oben drauf. Umgangssprachliches, zweideutiges Englisch: Lost Cherry - die Unschuld verlieren. Da bekommt blutig-rot doch eine ganz neue Bedeutung. Puh, schnell weiter zum nächsten:

Und der neuste, auch noch vulgäre, Geniestreich aus dem Hause Ford: Rose Prick, der Stecher, der ... der Rosenpimmel?! Oh Maria hilf, was hat man sich denn hierbei gedacht?

Dem einen oder anderen aufmerksamen Leser mag aufgefallen sein, dass ich den Flakon relativ schlecht bewertet habe. Zum Vergleich: Der Großteil der Private Blends erhält von mir 8/10 Punkten. Das ist meiner Meinung nach großzügig, da andere Hersteller qualitativ einfach besser sind. Fords Zerstäuber sind ok, die Cap hält nach kurzer Zeit nicht mehr so gut, die Verpackung ist auch nur Pappe und noch nie saß ein Aufkleber mittig oder gerade. Rose Prick reiht sich nahtlos in das neue Design der Private Blends ein. Ursprünglich war jeder Flakon im gleichen Look: Braunes Apothekerglas mit goldenem Aufkleber. Und führt man sich vor Augen, dass Tom Ford selbst die Intention hatte, die erste große Luxusmarke für Parfums zu etablieren, dann halte ich das ursprüngliche Design für absolut perfekt. Wenn ich also als Privatperson in meine Vitrine schaue und diese edle Optik von Braun und Gold erhasche, dann fühle ich mich darin bestätigt, etwas wahrhaftig kostbares zu besitzen. Aber das ist seit der Oud- und Portofino-Collection ja schon passé. Wer weiß, vielleicht gefallen ja nur mir die bunten Flakons nicht. Die nachlassende Qualität untermalt das Problem; mir kann keiner erzählen, dass Noir de Noir oder Tuscan Leather noch derselbe potente Stoff ist, das es zum Release mal war. Back zu the topic: Rose Prick schießt den Vogel endgültig ab. Mattes Altrosa - wirklich? Zusammen mit dem schmierigen Rot von Lost Cherry, welches für mich nach wie vor aussieht wie eine Flasche Nagellack, habe ich den Eindruck, günstige Drogeriedüfte erworben zu haben (hypothetisch, habe ja nur eine Abfüllung). Die Freude daran, im eigenem Heim die Private Blends als Sammlung zu besitzen, verblasst einfach. Unterstützt wird dies, wie zuvor bereits angeschnitten, auch von der Namensgebung. Doppeldeutige und anstößige Namen entsprechen einer jugendlichen Zielgruppe und nicht jenen, die den Anspruch und das Kleingeld haben, eine solche Sammlung zu erwerben. Hihi... Prick. Aber dass Ford junge Kunden werben möchte sieht man ja bereits an dem Ausbau der überall erhältlichen Aqua-Serie. Ich fühle mich darin bekräftigt, dass Tom Ford nicht mehr die high-Standard Marke ist, die ich lieben gelernt habe. Schade drum.

Und nun zum Duft selbst, der ein Ebenbild dieser Odyssee der Enttäuschung ist:

Das Opening ist makellos. Fast hätte ich denken können, Ford hätte zumindest vom Duft her die Kurve bekommen. Saftig, blumig, vollmundig, wie Ford selbst es beschreibt, hätte nicht besser passen können. Das Bouquet an Rosen ist derart saftig und spritzig, dass ich schon Anklänge von Früchten vermute. Daher fühlte ich mich auch unmittelbar an Portrait of a Lady erinnert mit seinen saftigen Beeren. Ein Direktvergleich beider Düfte bestätigte meinen Eindruck. Womöglich ist es der Pfeffer oder die türkische Rose, mit ihrer würzigen Art, das ein Bild von Safran erzeugt und eine gewisse Ledrigkeit birgt. Spannend!

Leider aber zerfällt die bezaubernde Illusion binnen Minuten. Auf der Haut fast unmittelbar, der Teststreifen ist eine gute halbe Stunde geduldiger.
Alsbald verschwinden die Rosen so schnell wie sie gekommen sind und mich trifft eine gewaltige Dosis von schwerem, grün-erdigem Patchouli. Die Begründung, dass ein Rosengarten schließlich auch auf Erde wächst, mag richtig sein, dennoch kommen keine realistischen Impressionen von Sommerwiese auf. Nein, es ist einfach nur Patchouli. Mehr nicht, keine komplexe Komposition. Auf dem Teststreifen rieche ich minimal orientalische Anklänge, vielleicht Kurkuma, jedoch kein bisschen auf der Haut.

Der Dry-Down (Haut) hält sich linear bis zum Ende. Der Patchouli beruhigt sich und Tom Fords Lieblings Basisnote der letzten Jahre knallt erneut volle Kanne rein: Tonka. Der Duft ist fortan einfach nur schwer und süß. Dabei erinnert er mich an unzählige Damendüfte, die ich schon so oft in Drogerien und Parfümerien gerochen habe, wie auch an unzählige fremde Frauen, an denen ich zufällig irgendwann mal vorbei gelaufen bin. Dabei könnte ich jene Düfte noch nicht einmal beim Namen nennen, derart beliebig riecht Rose Prick. Süße Cremigkeit auf Cumarin Basis ohne auch nur irgendeinen Anklag von etwas anderem zu haben; Absolut nichts, das dem Einheitsbrei Spannung verleihen würde. Einfach nur süßer Patchouli.

Die allgemeine Haltbarkeit dieses Duftes ist gleichsam bescheiden. Auf dem Teststreifen ist er gute 5-6 Stunden zu riechen, auf der Haut verblasst das Erlebnis binnen einer Stunde, in diesem Fall wohl nicht weiter schlimm. Von Projektion kann hier jedenfalls nicht die Rede sein.

Was ist mein Fazit? Ich liebe dieses Opening, wirklich. Es ist wie eine Version von Portrait of a Lady, ohne den kratzigen Rauch. So saftig, sommerlich und edel. Leider sehr leise und zaghaft. Der Rest, und auf meiner Haut heißt das, ab spätestens zehn Minuten, ist es eine absolute Enttäuschung. Minimal pudrig, dadurch subtil seifig, sonst cremiger, pappsüßer Patch.

Mit diesem neusten Dufterlebnis und dem erläuterten Dilemma mit dem Flakondesign, der Namensgebung, des Preisanstiegs und der nachlassenden Qualität neuer Releases und Intensität alter Düfte, komme ich zu meinem Eingangs erwähnten Standpunkt:

Oh Tom, wir müssen reden...
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