06.01.2019 - 11:22 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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26
Die Kunst des stillosen Bereicherns
The Scent of a Gentleman ist mir unsympathisch, und deshalb bin ich möglicherweise etwas streng mit ihm.
Im Auftakt nehme ich eine mäßig zitrische Frische wahr (der hier gelegentlich empfundene Neroli-Hammer hat mich nicht getroffen), der mit einer krautigen Strenge im Widerstreit liegt, die gelegentlich die Grenze des Unangenehmen streift. Das ist an sich tatsächlich die Habit-Rouge-Ouvertüre, allerdings hat der gleichsam hässliche Gegenpol hier nicht wie bei Guerlain den Hauch des dunkel-bedrohlichen, kraftvollen bis fast gewaltsamen, der in Habit Rouge so reizvoll ist, er kommt hier eher etwas bösartig-verschlagen angecremt. Wenn man das Ende kennt, kann man bereits hier eine gewisse charakteristische Seifigkeit wahrnehmen, die am Ende Raum gewinnt.
Die Mittelphase halte ich einerseits für sehr originell, die mir persönlich recht angenehme Korianderstinkigkeit verbindet sich hier auf sehr eigentümliche Weise mit Eukalyptus und Blümeleien; das habe ich so noch nie gerochen. Ob originell hier aber auch gelungen ist, weiß ich nicht, es wirkt hier gelegentlich etwas verrutscht, unrund, Skizze geblieben, und schon bevor ich über den Parfümeur recherchierte, nahm ich hier eine synthetische Waschmittelnote von einiger Penetranz wahr, in den die ganze Chose eingebettet ist. Als pfeffrig empfinde ich sie durchaus nicht.
Die Schlussphase weckt wie die Eröffnung wieder Reminiszenzen an geliebte Klassiker, nämlich an die Tonkaseligkeit von Tabac Original ("echten" Tabak vermag ich nicht zu erkennen) und die schöne, lange, kontinental-männliche Basis von Bel-Ami. Auch an manches Chypre kann man hier denken. Aber es sind nur Reminiszenzen, erneut wirkt die Sache nicht rund und vor allem nicht lebendig. Bei aller enormen, fast schon mörderisch betonierten Haltbarkeit ist hier ein schreiender Mangel an Zauber, Entwicklung und Wärme zu konstatieren. Auf mich wirkt der "von" in seiner linearen süß-würzigen Seifigkeit hier unerbittlich glatt, synthetisch und tot.
Alexander von Schönburg hat ein Buch mit dem Titel "die Kunst des stilvollen Verarmens" geschrieben, in dem - neben anderem - Beispiele dafür gegeben werden, wie der Adel zwar seit Jahrhunderten verarmt, weil man mit Landgütern kein Vermögen mehr machen kann, aber dennoch mit Hilfe der Tradition, des über Generationen erlernten Stils, irgendwie erhobenen Hauptes und gut gelaunt durchs Leben kommt. Wenn ich mir die Internetseite des Hauses von Sierstorpff ansehe (ist hier bei Parfumo verlinkt), dann habe ich den Eindruck, dass - wie schon zu Zeiten der Raubritter, nur mit anderen Mitteln - der entgegengesetzte Weg gegangen wurde: Reichtumserhalt um jeden Preis, wir machen Kohle und lassen uns noch von den schlitzohrigsten kleinbürgerlichen Geschäftemachern nicht die Butter von Brot nehmen. Da wird von der gräflichen Unternehmung so gut wie alles angeboten und teils marktschreierisch (unter ständigem Betonen des Adligen, das dem ganzen den besonderen kommerziellen Reiz gibt), angepriesen, womit man Kohle machen kann, Wellness, Essen, Klamotten und eben auch Düfte. Fehlt nur Bungee-Jumping mit einer Adelskrone auf dem Kopf.
Gut, ich erwarte nicht, dass man, nur weil man ein "von" ist, besonders stilvoll ist, vielleicht muss man heute mit den Wölfen heulen. Aber muss man für seine Düfte wirklich mit dem schmerzerregend peinlichen, die deutsche Sprache multipel verhunzenden Spruch "Dyfte für wahrliche Herrschaften" Reklame machen? "Wahrliche"??? "Wahrlich" ist ein Adverb und nur ein Adverb, "wahrliche Herrschaften" sind genauso krank wie "vielleichte Ereignisse" oder "möglicherweise Nachfolger". Und überhaupt, "Herrschaften"! Bei diesem Wort denkt man an Dienstboten, die von "ihren Herrschaften" sprechen, an "Herrschaftszeiten!" und "Herrschaft nochmal!", aber doch nicht an "Herren", die hier wohl gemeint sein sollen. Und muss man die (für mich evidente) Fake-News verbreiten, hier sei ein uraltes "Familienrezept" ausgegraben worden (vermutlich mit rotem Siegellack verkleckert auf Pergament im Dachboden des alten Schlosses), wenn als Parfumeur Frank Rittler firmiert, der auf seiner (wenig bescheiden so genannten) privaten Homepage "thenose.de" sich wie folgt präsentiert: "Frank Rittler arbeitet als einer von sieben Parfumeuren im Henkel Fragrance Center in Krefeld und kreiert Düfte für Henkel-Produkte im Bereich Kosmetik/Körperpflege sowie Wasch- und Reinigungsmittel." Muss das sein?
Es muss nicht. Für mich ist dieser Torpff ein Talmi-Duft für Pseudoadelige mit Siegelring aus Plastik.
Im Auftakt nehme ich eine mäßig zitrische Frische wahr (der hier gelegentlich empfundene Neroli-Hammer hat mich nicht getroffen), der mit einer krautigen Strenge im Widerstreit liegt, die gelegentlich die Grenze des Unangenehmen streift. Das ist an sich tatsächlich die Habit-Rouge-Ouvertüre, allerdings hat der gleichsam hässliche Gegenpol hier nicht wie bei Guerlain den Hauch des dunkel-bedrohlichen, kraftvollen bis fast gewaltsamen, der in Habit Rouge so reizvoll ist, er kommt hier eher etwas bösartig-verschlagen angecremt. Wenn man das Ende kennt, kann man bereits hier eine gewisse charakteristische Seifigkeit wahrnehmen, die am Ende Raum gewinnt.
Die Mittelphase halte ich einerseits für sehr originell, die mir persönlich recht angenehme Korianderstinkigkeit verbindet sich hier auf sehr eigentümliche Weise mit Eukalyptus und Blümeleien; das habe ich so noch nie gerochen. Ob originell hier aber auch gelungen ist, weiß ich nicht, es wirkt hier gelegentlich etwas verrutscht, unrund, Skizze geblieben, und schon bevor ich über den Parfümeur recherchierte, nahm ich hier eine synthetische Waschmittelnote von einiger Penetranz wahr, in den die ganze Chose eingebettet ist. Als pfeffrig empfinde ich sie durchaus nicht.
Die Schlussphase weckt wie die Eröffnung wieder Reminiszenzen an geliebte Klassiker, nämlich an die Tonkaseligkeit von Tabac Original ("echten" Tabak vermag ich nicht zu erkennen) und die schöne, lange, kontinental-männliche Basis von Bel-Ami. Auch an manches Chypre kann man hier denken. Aber es sind nur Reminiszenzen, erneut wirkt die Sache nicht rund und vor allem nicht lebendig. Bei aller enormen, fast schon mörderisch betonierten Haltbarkeit ist hier ein schreiender Mangel an Zauber, Entwicklung und Wärme zu konstatieren. Auf mich wirkt der "von" in seiner linearen süß-würzigen Seifigkeit hier unerbittlich glatt, synthetisch und tot.
Alexander von Schönburg hat ein Buch mit dem Titel "die Kunst des stilvollen Verarmens" geschrieben, in dem - neben anderem - Beispiele dafür gegeben werden, wie der Adel zwar seit Jahrhunderten verarmt, weil man mit Landgütern kein Vermögen mehr machen kann, aber dennoch mit Hilfe der Tradition, des über Generationen erlernten Stils, irgendwie erhobenen Hauptes und gut gelaunt durchs Leben kommt. Wenn ich mir die Internetseite des Hauses von Sierstorpff ansehe (ist hier bei Parfumo verlinkt), dann habe ich den Eindruck, dass - wie schon zu Zeiten der Raubritter, nur mit anderen Mitteln - der entgegengesetzte Weg gegangen wurde: Reichtumserhalt um jeden Preis, wir machen Kohle und lassen uns noch von den schlitzohrigsten kleinbürgerlichen Geschäftemachern nicht die Butter von Brot nehmen. Da wird von der gräflichen Unternehmung so gut wie alles angeboten und teils marktschreierisch (unter ständigem Betonen des Adligen, das dem ganzen den besonderen kommerziellen Reiz gibt), angepriesen, womit man Kohle machen kann, Wellness, Essen, Klamotten und eben auch Düfte. Fehlt nur Bungee-Jumping mit einer Adelskrone auf dem Kopf.
Gut, ich erwarte nicht, dass man, nur weil man ein "von" ist, besonders stilvoll ist, vielleicht muss man heute mit den Wölfen heulen. Aber muss man für seine Düfte wirklich mit dem schmerzerregend peinlichen, die deutsche Sprache multipel verhunzenden Spruch "Dyfte für wahrliche Herrschaften" Reklame machen? "Wahrliche"??? "Wahrlich" ist ein Adverb und nur ein Adverb, "wahrliche Herrschaften" sind genauso krank wie "vielleichte Ereignisse" oder "möglicherweise Nachfolger". Und überhaupt, "Herrschaften"! Bei diesem Wort denkt man an Dienstboten, die von "ihren Herrschaften" sprechen, an "Herrschaftszeiten!" und "Herrschaft nochmal!", aber doch nicht an "Herren", die hier wohl gemeint sein sollen. Und muss man die (für mich evidente) Fake-News verbreiten, hier sei ein uraltes "Familienrezept" ausgegraben worden (vermutlich mit rotem Siegellack verkleckert auf Pergament im Dachboden des alten Schlosses), wenn als Parfumeur Frank Rittler firmiert, der auf seiner (wenig bescheiden so genannten) privaten Homepage "thenose.de" sich wie folgt präsentiert: "Frank Rittler arbeitet als einer von sieben Parfumeuren im Henkel Fragrance Center in Krefeld und kreiert Düfte für Henkel-Produkte im Bereich Kosmetik/Körperpflege sowie Wasch- und Reinigungsmittel." Muss das sein?
Es muss nicht. Für mich ist dieser Torpff ein Talmi-Duft für Pseudoadelige mit Siegelring aus Plastik.
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