03.06.2024 - 15:39 Uhr

ElAttarine
83 Rezensionen

ElAttarine
Top Rezension
29
Vollkommene Hingabe..., Kunst, Schönheit
„Ich will also bleiben […]. Wo wäre es besser?“
Am Kanal und in der Lagune riecht es überall nach Wasser, mal salziger, mal sumpfiger, am Lido duftet es nach Meer, mal windig-spritzig, mal eher neblig-düster. Aber immer ist das Wasser präsent. In meinem Venedig-Blog hatte ich es schon beschrieben: Am ganz frühen Morgen fahre ich mit dem Vaporetto auf dem Canale Grande zum Lido, und fast niemand außer mir ist auf dem Schiff… ganz wunderbare Morgenstimmung… auf dem Lido verströmen große Hecken aus blühendem Geißblatt, Efeu und blühendem Jasmin ihren Duft in den Morgen. An anderen Tagen nehme ich nah bei meiner Wohnung die Gondelfähre über den Canale, um direkt auf der anderen Seite Gemüse und Obst einzukaufen: saftige Gurken, ganz kleine Artischocken, bitteraromatische Orangen, Radicchio, Kräuter… Vor kurzem bin ich zum ersten Mal in Venedig gewesen und von dieser Stadt dermaßen berührt und begeistert, wie ich es nie erwartet hätte. Ich bin viel gereist, aber noch nie habe ich so schnell an einem Ort mein Herz verloren!
„Die Atmosphäre der Stadt, diesen leis fauligen Geruch von Meer und Sumpf […] - er atmete ihn jetzt in tiefen, zärtlich schmerzlichen Zügen. War es möglich, daß er nicht gewußt, nicht bedacht hatte, wie sehr sein Herz an dem allen hing? […] köstlich war auch der Abend, wenn die Pflanzen des Parks balsamisch dufteten, die Gestirne droben ihren Reigen schritten und das Murmeln des umnachteten Meeres, leise heraufdringend, die Seele besprach.“
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So bespricht auch dieser Duft meine Seele und ist für mich ein Anker der Erinnerung an diese Stadt, die ich erst jetzt und so tief lieben gelernt habe. Der Auftakt bringt für mich sofort die maritimen Noten, aber überhaupt nicht klassisch-„aquatisch“, sondern wie salziges Meerwasser und brackiges Kanalwasser gleichzeitig. Und ich habe einen ganz deutlichen Eindruck von grüner Feige, obwohl die hier nicht gelistet ist – aber zum Glück weder fruchtig noch cremig, sondern eine Mischung aus feucht, grün, frisch und schwül zugleich. Zu Orangenblüte und Efeu – genau wie am Lido! – kommt nach und nach die Immortelle hinzu. Wie ich diesen Duft liebe, so wehmütig! Er transportiert für mich so intensiv die Erinnerung an vergangenes Schönes, so dass ich weinen möchte. Diese Phase hält bei mir lange an, bevor eine weiche Moschusbasis hinzutritt. Opoponax ist hier nicht süß, sondern sehr zart animalisch-holzig. Patchouli nehme ich hier kaum wahr, gibt nur etwas Tiefe. Ganz wunderbar komponiert von Michele Marin (der zum Beispiel auch für die schönen Düfte Cacao Ritual und Animal Café von Extra Virgo zeichnet).
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In Thomas Manns Erzählung „Der Tod in Venedig“ reist der alternde Schriftsteller Gustav von Aschenbach nach Venedig, saugt dort die morbide Aura der Stadt in sich auf und verliebt sich schwärmerisch in den Anblick des 14-jährigen blonden Tadzio. Tadzio steht hier für die Jugend und für alles, was sich der extrem pflichtbewusste und kontrollierte Aschenbach sein Leben lang versagt hatte: Begehren, Spiel, Erregung, Schwingungen, Spannung, Hingabe… „zu sehen, wie die lebendige Gestalt, vormännlich hold und herb, mit triefenden Locken und schön wie ein Gott, herkommend aus den Tiefen von Himmel und Meer, dem Elemente entstieg und entrann: dieser Anblick gab mythische Vorstellungen ein, er war wie Dichterkunde von anfänglichen Zeiten, vom Ursprung der Form und von der Geburt der Götter.“ Zum ersten Mal in seinem Leben sind Aschenbachs Kunst, die Schriftstellerei, und die Liebe miteinander verbunden, als er Tadzio beschreiben will – aber diese süße Verbindung wird zur Bedingung seines Untergangs. Aschenbach überlebt nicht, am Ende stirbt er an der Cholera, während er im Gefühlsrausch am Strand liegt und Tadzio zuschaut, der ihm von weitem zuzuwinken scheint und hinausdeutet ins „Verheißungsvoll-Ungeheure. Und wie so oft, machte er sich auf, ihm zu folgen.“
Dieser Duft heißt ja aber zum Glück nicht Gustav, sondern Tadzio. Und er wird mich immer an Venedig erinnern… Frei übersetzt von der Gini-Homepage: Die totale Hingabe ist das Ziel. In der Sonne spiegelnde Fußabdrücke sind die einzige Erinnerung.
Mit großem Dank an Can777 für die Abfüllung und die Venedig-Erinnerung!
(Alle Zitate aus Thomas Mann: Der Tod in Venedig.)
Am Kanal und in der Lagune riecht es überall nach Wasser, mal salziger, mal sumpfiger, am Lido duftet es nach Meer, mal windig-spritzig, mal eher neblig-düster. Aber immer ist das Wasser präsent. In meinem Venedig-Blog hatte ich es schon beschrieben: Am ganz frühen Morgen fahre ich mit dem Vaporetto auf dem Canale Grande zum Lido, und fast niemand außer mir ist auf dem Schiff… ganz wunderbare Morgenstimmung… auf dem Lido verströmen große Hecken aus blühendem Geißblatt, Efeu und blühendem Jasmin ihren Duft in den Morgen. An anderen Tagen nehme ich nah bei meiner Wohnung die Gondelfähre über den Canale, um direkt auf der anderen Seite Gemüse und Obst einzukaufen: saftige Gurken, ganz kleine Artischocken, bitteraromatische Orangen, Radicchio, Kräuter… Vor kurzem bin ich zum ersten Mal in Venedig gewesen und von dieser Stadt dermaßen berührt und begeistert, wie ich es nie erwartet hätte. Ich bin viel gereist, aber noch nie habe ich so schnell an einem Ort mein Herz verloren!
„Die Atmosphäre der Stadt, diesen leis fauligen Geruch von Meer und Sumpf […] - er atmete ihn jetzt in tiefen, zärtlich schmerzlichen Zügen. War es möglich, daß er nicht gewußt, nicht bedacht hatte, wie sehr sein Herz an dem allen hing? […] köstlich war auch der Abend, wenn die Pflanzen des Parks balsamisch dufteten, die Gestirne droben ihren Reigen schritten und das Murmeln des umnachteten Meeres, leise heraufdringend, die Seele besprach.“
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So bespricht auch dieser Duft meine Seele und ist für mich ein Anker der Erinnerung an diese Stadt, die ich erst jetzt und so tief lieben gelernt habe. Der Auftakt bringt für mich sofort die maritimen Noten, aber überhaupt nicht klassisch-„aquatisch“, sondern wie salziges Meerwasser und brackiges Kanalwasser gleichzeitig. Und ich habe einen ganz deutlichen Eindruck von grüner Feige, obwohl die hier nicht gelistet ist – aber zum Glück weder fruchtig noch cremig, sondern eine Mischung aus feucht, grün, frisch und schwül zugleich. Zu Orangenblüte und Efeu – genau wie am Lido! – kommt nach und nach die Immortelle hinzu. Wie ich diesen Duft liebe, so wehmütig! Er transportiert für mich so intensiv die Erinnerung an vergangenes Schönes, so dass ich weinen möchte. Diese Phase hält bei mir lange an, bevor eine weiche Moschusbasis hinzutritt. Opoponax ist hier nicht süß, sondern sehr zart animalisch-holzig. Patchouli nehme ich hier kaum wahr, gibt nur etwas Tiefe. Ganz wunderbar komponiert von Michele Marin (der zum Beispiel auch für die schönen Düfte Cacao Ritual und Animal Café von Extra Virgo zeichnet).
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In Thomas Manns Erzählung „Der Tod in Venedig“ reist der alternde Schriftsteller Gustav von Aschenbach nach Venedig, saugt dort die morbide Aura der Stadt in sich auf und verliebt sich schwärmerisch in den Anblick des 14-jährigen blonden Tadzio. Tadzio steht hier für die Jugend und für alles, was sich der extrem pflichtbewusste und kontrollierte Aschenbach sein Leben lang versagt hatte: Begehren, Spiel, Erregung, Schwingungen, Spannung, Hingabe… „zu sehen, wie die lebendige Gestalt, vormännlich hold und herb, mit triefenden Locken und schön wie ein Gott, herkommend aus den Tiefen von Himmel und Meer, dem Elemente entstieg und entrann: dieser Anblick gab mythische Vorstellungen ein, er war wie Dichterkunde von anfänglichen Zeiten, vom Ursprung der Form und von der Geburt der Götter.“ Zum ersten Mal in seinem Leben sind Aschenbachs Kunst, die Schriftstellerei, und die Liebe miteinander verbunden, als er Tadzio beschreiben will – aber diese süße Verbindung wird zur Bedingung seines Untergangs. Aschenbach überlebt nicht, am Ende stirbt er an der Cholera, während er im Gefühlsrausch am Strand liegt und Tadzio zuschaut, der ihm von weitem zuzuwinken scheint und hinausdeutet ins „Verheißungsvoll-Ungeheure. Und wie so oft, machte er sich auf, ihm zu folgen.“
Dieser Duft heißt ja aber zum Glück nicht Gustav, sondern Tadzio. Und er wird mich immer an Venedig erinnern… Frei übersetzt von der Gini-Homepage: Die totale Hingabe ist das Ziel. In der Sonne spiegelnde Fußabdrücke sind die einzige Erinnerung.
Mit großem Dank an Can777 für die Abfüllung und die Venedig-Erinnerung!
(Alle Zitate aus Thomas Mann: Der Tod in Venedig.)
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