06.09.2023 - 14:51 Uhr
Marieposa
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Marieposa
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32
Die Auserwählte
Sie salbten dich, als sich der Mond hinter dichten Wolken verbarg, mit einem Balsam aus bitteren Kräutern, versüßt mit einem Tropfen nur von Lindenhonig. Als helle Weihrauchfäden wie aus weiter Ferne die Nacht durchbrachen, schmolz die Paste unter dem aufgeregten Schlagen deines Pulses. Ein Hauch von Kokosöl glänzte auf deinen schlanken Gliedern, als sich die Mondsichel durch die Finsternis kämpfte. Ihr silbriger Hauch ließ das Grün deiner Kleider nicht erahnen, die Farbe der rauchigen Gräser der Steppe, die du durchqueren wirst, denn du bist die Auserwählte. Die Jägerin.
Andachtsvoll nimmst du die hölzerne Schale aus der Hand der Priesterin entgegen, reibst hellen Lehm auf deine Arme. Der Aufbruch naht. Der Boden ist noch feucht und federt sanft unter der Berührung deiner zierlichen Füße, wenn die ersten schimmernden Lichter des Tages den Glanz des Mondes verschwimmen lassen. Du beschleunigst deine Schritte, verfällst in ein leichtes Laufen. Der Dämmerung entgegen. Der Köcher mit den Palo Santopfeilen schwingt mit auf deinem Rücken. Sie haben ihn mit Champakablüten geschmückt, wie es der Brauch verlangt. Denn du bist die Auserwählte. Die Jägerin.
Deine Bewegungen wärmen die Haut im kühlen Morgentau, erwecken den Duft des Balsams. Wie eine Erinnerung berührt der Honig deine Lippen, wispert sanft vom Heu auf deinem Lager und dem süßen Schlaf der Nacht, die kommen mag. Doch nun wogen die Gräser taufeucht glitzernd um deine Knöchel. Du folgst dem Weg, den dein Instinkt dir weist. Hast du Erfolg, wirst am Palisanderaltar du niederknien, gekrönt mit einem Kranz aus Muskatellerblüten. Denn du bist die Auserwählte. Die Jägerin.
**
Die US-amerikanische Indie-Parfumeurin Abby Hinsman aus Vermont hängte eine Karriere im Bereich der Film- und Medienwissenschaften an den Nagel, um sich ganz ihrer Passion zu widmen: Sie stellt pflanzliche Düfte her, deren Ingredienzien sie in ihrem Garten zieht oder im eigenen Waldstück sammelt. Dabei verfolgt sie einen ganzheitlichen künstlerischen Ansatz, widmet sich in ihren kleinen olfaktorischen Geschichten häufig Märchenmotiven oder mythologischen Figuren, wenn sie nicht gerade Momentaufnahmen von besonderen Orten einfängt. Grundsätzlich wittere ich hinter ihrem Konzept einen unaufdringlichen feministischen Ansatz, den ich extrem sympathisch finde.
Huntress ist Artemis gewidmet, der griechischen Göttin der Jagd, die sich als ausgleichende Kraft durch mondbeschienene Wälder bewegt. Und tatsächlich gelingt es dem Duft mit kühlen Noten von Vetiver, zitrischem Weihrauch und etwas Saftig-Blättergrünem ganz hervorragend, diesen Nacht-und-Mondschein-Eindruckt zu erwecken, wobei ich persönlich die Waldidee nicht ganz nachvollziehen kann und mich eher in eine taufeuchte Graslandschaft mit weichen Böden versetzt fühle. Von Anfang an schwingt eine hintergründige Kokosnote mit, die bei mir zwischenzeitlich den Verdacht aufkeimen ließ, das Trägeröl zu riechen. Nach einigen Tests bin ich mir jedoch ziemlich sicher, dass es sich hier einfach um eine Facette von Palo Santo handelt, zumal die Kokosnote besonders bei wärmerem Wetter recht zügig ins Holzige übergeht. Ausbalanciert wird diese rauchig-grüne, eher bittere und erdig-kühle Kopfnote durch einen leisen Anklang von honigsüßen Lindenblüten, zu dem sich im Verlauf ganz zart eine weitere blumige Note gesellt, für die ich die Pyramide und einiges an Fantasie gebraucht habe, um sie als Champaka zu identifizieren. Dies gilt insbesondere, weil zu diesem Zeitpunkt nicht die Blumen, sondern leicht menschelnder Muskatellersalbei und erdige Noten, die mich an hellen Lehm erinnern, den Ton im Duft angeben, um in eine Basis aus warmem Rosenholz zu münden.
Huntress ist durchgehen hell und leicht, hat einen geschmeidigen Duftverlauf, in dem alle Komponenten zielstrebig an ihrem zugedachten Platz landen, ist harmonisch und ausgewogen. Für mich ist es wegen der anfänglichen Kokosnote und dem prominenten Muskatellersalbei, der ebenfalls nicht zu meinen Lieblingsnoten gehört, allerdings ein durchaus fordernder Duft, der sich mir erst nach mehreren Anläufen und bei höheren Temperaturen erschlossen hat. Eine Kaufkandidatin ist Abby Hinsman Artemis für mich deshalb nicht, aber ich hätte die Begegnung mit dieser feingliedrigen Kostbarkeit in hellen Grüntönen nicht missen wollen.
Vielen Dank für die Testmöglichkeit, lieber Floyd.
Andachtsvoll nimmst du die hölzerne Schale aus der Hand der Priesterin entgegen, reibst hellen Lehm auf deine Arme. Der Aufbruch naht. Der Boden ist noch feucht und federt sanft unter der Berührung deiner zierlichen Füße, wenn die ersten schimmernden Lichter des Tages den Glanz des Mondes verschwimmen lassen. Du beschleunigst deine Schritte, verfällst in ein leichtes Laufen. Der Dämmerung entgegen. Der Köcher mit den Palo Santopfeilen schwingt mit auf deinem Rücken. Sie haben ihn mit Champakablüten geschmückt, wie es der Brauch verlangt. Denn du bist die Auserwählte. Die Jägerin.
Deine Bewegungen wärmen die Haut im kühlen Morgentau, erwecken den Duft des Balsams. Wie eine Erinnerung berührt der Honig deine Lippen, wispert sanft vom Heu auf deinem Lager und dem süßen Schlaf der Nacht, die kommen mag. Doch nun wogen die Gräser taufeucht glitzernd um deine Knöchel. Du folgst dem Weg, den dein Instinkt dir weist. Hast du Erfolg, wirst am Palisanderaltar du niederknien, gekrönt mit einem Kranz aus Muskatellerblüten. Denn du bist die Auserwählte. Die Jägerin.
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Die US-amerikanische Indie-Parfumeurin Abby Hinsman aus Vermont hängte eine Karriere im Bereich der Film- und Medienwissenschaften an den Nagel, um sich ganz ihrer Passion zu widmen: Sie stellt pflanzliche Düfte her, deren Ingredienzien sie in ihrem Garten zieht oder im eigenen Waldstück sammelt. Dabei verfolgt sie einen ganzheitlichen künstlerischen Ansatz, widmet sich in ihren kleinen olfaktorischen Geschichten häufig Märchenmotiven oder mythologischen Figuren, wenn sie nicht gerade Momentaufnahmen von besonderen Orten einfängt. Grundsätzlich wittere ich hinter ihrem Konzept einen unaufdringlichen feministischen Ansatz, den ich extrem sympathisch finde.
Huntress ist Artemis gewidmet, der griechischen Göttin der Jagd, die sich als ausgleichende Kraft durch mondbeschienene Wälder bewegt. Und tatsächlich gelingt es dem Duft mit kühlen Noten von Vetiver, zitrischem Weihrauch und etwas Saftig-Blättergrünem ganz hervorragend, diesen Nacht-und-Mondschein-Eindruckt zu erwecken, wobei ich persönlich die Waldidee nicht ganz nachvollziehen kann und mich eher in eine taufeuchte Graslandschaft mit weichen Böden versetzt fühle. Von Anfang an schwingt eine hintergründige Kokosnote mit, die bei mir zwischenzeitlich den Verdacht aufkeimen ließ, das Trägeröl zu riechen. Nach einigen Tests bin ich mir jedoch ziemlich sicher, dass es sich hier einfach um eine Facette von Palo Santo handelt, zumal die Kokosnote besonders bei wärmerem Wetter recht zügig ins Holzige übergeht. Ausbalanciert wird diese rauchig-grüne, eher bittere und erdig-kühle Kopfnote durch einen leisen Anklang von honigsüßen Lindenblüten, zu dem sich im Verlauf ganz zart eine weitere blumige Note gesellt, für die ich die Pyramide und einiges an Fantasie gebraucht habe, um sie als Champaka zu identifizieren. Dies gilt insbesondere, weil zu diesem Zeitpunkt nicht die Blumen, sondern leicht menschelnder Muskatellersalbei und erdige Noten, die mich an hellen Lehm erinnern, den Ton im Duft angeben, um in eine Basis aus warmem Rosenholz zu münden.
Huntress ist durchgehen hell und leicht, hat einen geschmeidigen Duftverlauf, in dem alle Komponenten zielstrebig an ihrem zugedachten Platz landen, ist harmonisch und ausgewogen. Für mich ist es wegen der anfänglichen Kokosnote und dem prominenten Muskatellersalbei, der ebenfalls nicht zu meinen Lieblingsnoten gehört, allerdings ein durchaus fordernder Duft, der sich mir erst nach mehreren Anläufen und bei höheren Temperaturen erschlossen hat. Eine Kaufkandidatin ist Abby Hinsman Artemis für mich deshalb nicht, aber ich hätte die Begegnung mit dieser feingliedrigen Kostbarkeit in hellen Grüntönen nicht missen wollen.
Vielen Dank für die Testmöglichkeit, lieber Floyd.
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