12.12.2024 - 21:39 Uhr

Mairuwa
53 Rezensionen

Mairuwa
Top Rezension
9
Gallivants Reisen oder: Von der traurigen Uniformität der Innenstädte in Zeiten der Globalisierung
„Wanderlust-inspired“ nennt Gallivant seine Kreationen. Oder auch „perfumed escapism“. Eine Serie, deren Titel die Namen internationaler Städte bemüht, soll wohl zunächst einmal Kosmopolitanismus vermitteln und folgt darüber hinaus einem Trend von Weltreise-Düften, den Häuser wie Memo oder Une Nuit Nomade seit Jahren erfolgreich verfolgen. Das ist in der Idee auch völlig in Ordnung. Denn ferne Orte haben schon von jeher zum Träumen eingeladen und das Konzept der Duftreise ist so naheliegend wie überzeugend. Nicht zuletzt gelingt so etwas immer wieder, weil bestimmte Düfte und Duftstoffe durchaus geografisch verortbar sind oder mit bestimmten Weltgegenden verbunden sind. Erklärter Anspruch des Duftes ist es, seinen Träger an den jeweiligen fernen Ort zu versetzen, der da evoziert werden soll. Die Parfumeurin Karine Chevalier hat auch schon für Une Nuit Nomade gearbeitet, kennt sich also mit dem Konzept der geruchlichen Umsetzung von Reiseeindrücken aus. All das klingt für mich erst einmal vielversprechend.
Bei Gallivants Reisen steht nun allerdings wie gesagt das Urbane dezidiert im Zentrum. Die Serie ist Städten von Amsterdam bis Abu Dhabi, von Berlin bis Bukhara gewidmet, von Istanbul bis London und von Tel Aviv bis Tokyo. Und nun eben Buenos Aires. Den Charakter einer ganzen Stadt in einem olfaktorischen Bild einzufangen ist allerdings schon schwieriger als beispielsweise den Charakter einer Landschaft - zu laut und zu bunt das Gewirr von Geruchseindrücken in Innenstädten, zu unharmonisch auch. Zu dominant ist heute in nahezu jeder Großstadt der Verkehr mit seinen alle Sinneseindrücke überlagernden Abgasen, zu groß die Versuchung, diese Störgrößen mit Gourmandnoten oder bestenfalls mit den Blütendüften der lokalen Fauna zu kompensieren, die sich noch am ehesten in positiver Weise spezifisch mit bestimmten Städten assoziieren lassen.
Tatsächlich verhält es sich auch bei Gallivants neuem Duft „Buenos Aires“ so: die Komposition setzt, wenig überraschend, auf lokale (oder regionale) Noten aus dem botanischen und kulinarischen Bereich: Dulce de Leche, paraguayisches Petitgrain, die Blüte des Korallenbaumes (Erythrina crista-galli, einer Art Nationalsymbol) und natürlich Yerba Mate. Auch Trauben dürfen hier mitspielen, immerhin gehört Argentinien heute zu den großen Weinanbaunationen, und selbst die alles andere als markante Ledernote wird als „Gaucho-Leder“ angepriesen. Und doch: in der Summe vermittelt dieses olfaktorische Lokalkolorit nur das Gefühl, das alles so oder ähnlich schon zu kennen – und zudem von anderswo.
Dem durchaus sympathisch wirkenden Firmenchef Nick Steward zufolge soll der Duft die Eindrücke wiedergeben die ihm von seinen Argentinienreisen während der 90er Jahre in Erinnerung sind. Nun kenne ich Buenos Aires zugegeben weder in den 90ern noch in der Jetztzeit. Dieser „Buenos Aires“ allerdings riecht sehr vertraut, riecht nach Gegenwart, und man würde ihn jederzeit auf einem der Boulevards dieser Welt erwarten: In Los Angeles oder Amsterdam, Brooklyn oder Danzig. Dieses synthetisch frisch-holzige mit leichter Fruchtigkeit, ganz dezentem Leder und einem gourmandigen Einschlag scheint mir sehr zeit(geist)gemäß und alles andere als ein Retro-Duft. So what?, könnte man fragen: Schließlich soll der Duft ja auch als Parfum funktionieren und nicht nur die Summe der geruchlichen Eindrücke eines Stadtbummels sein. Das Konzept aber entlarvt sich damit letztendlich als reines Marketing.
Es wirkt, als würden sich in unserer globalisierten Welt nicht nur die Innenstädte der großen Metropolen immer mehr angleichen, sondern mit der überall immer ähnlicheren Mischung kosmopolitischer Flaneure auch zugleich die Duftbilder, die diese hinterlassen. Wer sich damit wohl fühlt, für den ist „Buenos Aires“ vermutlich goldrichtig und so wird der Duft sicher seine Liebhaber finden. Wohl zurecht, denn schlecht gemacht ist er sicher nicht.
Für mich wäre er vor diesem Hintergrund allerdings der Ausdruck einer eher ernüchternden Erkenntnis – und ein Argument dafür, die Welt der Düfte lieber für Phantasiereisen in erdachte Welten zu nutzen, statt in ferne, aber dennoch immer wieder vertraute und austauschbare Metropolen.
Interessant wäre es, zum Vergleich einige andere Düfte aus der Serie zu testen und am besten einen, der eine Stadt zum Thema hat, wo es die globalisierten Flaniermeilen tatsächlich noch nicht in der gleichen Weise gibt – Accra vielleicht? Oder Bukhara?
Für die Probe danke ich parfumo.
Bei Gallivants Reisen steht nun allerdings wie gesagt das Urbane dezidiert im Zentrum. Die Serie ist Städten von Amsterdam bis Abu Dhabi, von Berlin bis Bukhara gewidmet, von Istanbul bis London und von Tel Aviv bis Tokyo. Und nun eben Buenos Aires. Den Charakter einer ganzen Stadt in einem olfaktorischen Bild einzufangen ist allerdings schon schwieriger als beispielsweise den Charakter einer Landschaft - zu laut und zu bunt das Gewirr von Geruchseindrücken in Innenstädten, zu unharmonisch auch. Zu dominant ist heute in nahezu jeder Großstadt der Verkehr mit seinen alle Sinneseindrücke überlagernden Abgasen, zu groß die Versuchung, diese Störgrößen mit Gourmandnoten oder bestenfalls mit den Blütendüften der lokalen Fauna zu kompensieren, die sich noch am ehesten in positiver Weise spezifisch mit bestimmten Städten assoziieren lassen.
Tatsächlich verhält es sich auch bei Gallivants neuem Duft „Buenos Aires“ so: die Komposition setzt, wenig überraschend, auf lokale (oder regionale) Noten aus dem botanischen und kulinarischen Bereich: Dulce de Leche, paraguayisches Petitgrain, die Blüte des Korallenbaumes (Erythrina crista-galli, einer Art Nationalsymbol) und natürlich Yerba Mate. Auch Trauben dürfen hier mitspielen, immerhin gehört Argentinien heute zu den großen Weinanbaunationen, und selbst die alles andere als markante Ledernote wird als „Gaucho-Leder“ angepriesen. Und doch: in der Summe vermittelt dieses olfaktorische Lokalkolorit nur das Gefühl, das alles so oder ähnlich schon zu kennen – und zudem von anderswo.
Dem durchaus sympathisch wirkenden Firmenchef Nick Steward zufolge soll der Duft die Eindrücke wiedergeben die ihm von seinen Argentinienreisen während der 90er Jahre in Erinnerung sind. Nun kenne ich Buenos Aires zugegeben weder in den 90ern noch in der Jetztzeit. Dieser „Buenos Aires“ allerdings riecht sehr vertraut, riecht nach Gegenwart, und man würde ihn jederzeit auf einem der Boulevards dieser Welt erwarten: In Los Angeles oder Amsterdam, Brooklyn oder Danzig. Dieses synthetisch frisch-holzige mit leichter Fruchtigkeit, ganz dezentem Leder und einem gourmandigen Einschlag scheint mir sehr zeit(geist)gemäß und alles andere als ein Retro-Duft. So what?, könnte man fragen: Schließlich soll der Duft ja auch als Parfum funktionieren und nicht nur die Summe der geruchlichen Eindrücke eines Stadtbummels sein. Das Konzept aber entlarvt sich damit letztendlich als reines Marketing.
Es wirkt, als würden sich in unserer globalisierten Welt nicht nur die Innenstädte der großen Metropolen immer mehr angleichen, sondern mit der überall immer ähnlicheren Mischung kosmopolitischer Flaneure auch zugleich die Duftbilder, die diese hinterlassen. Wer sich damit wohl fühlt, für den ist „Buenos Aires“ vermutlich goldrichtig und so wird der Duft sicher seine Liebhaber finden. Wohl zurecht, denn schlecht gemacht ist er sicher nicht.
Für mich wäre er vor diesem Hintergrund allerdings der Ausdruck einer eher ernüchternden Erkenntnis – und ein Argument dafür, die Welt der Düfte lieber für Phantasiereisen in erdachte Welten zu nutzen, statt in ferne, aber dennoch immer wieder vertraute und austauschbare Metropolen.
Interessant wäre es, zum Vergleich einige andere Düfte aus der Serie zu testen und am besten einen, der eine Stadt zum Thema hat, wo es die globalisierten Flaniermeilen tatsächlich noch nicht in der gleichen Weise gibt – Accra vielleicht? Oder Bukhara?
Für die Probe danke ich parfumo.
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