Forum durchsuchen

Aquatische Noten - wie entstehen sie?

Aquatische Noten - wie entstehen sie? vor 12 Jahren
Da der Sommer quasi vor der Tür steht, frage ich mich, wie aquatische Noten in Düften zustande kommen. Ich hab mal gehört Melone, Gurke, Wassergewächse... aber ob das stimmt?

Oder ist alles synthetisch?
vor 12 Jahren
Yep... synthetisch.
Der Stoff heißt Calone und wird erst seit den 80ern in Parfum benutzt.
vor 12 Jahren
vor 12 Jahren
"Aquatisch" ist in 99% der Fälle gleich Calone.

Das Meeres-, Ozon-, Wasser-Gefühl ist fast immer zurück zu führen auf diesen Bestandteil. Einige Parfumerurinnen/Parfumeure versuchen, speziell Salzwasser, Algen oder Gischt auch mit anderen Duftnoten hinzukriegen.

Liste von typischen Calone-Düften:

Damen:
Davidoff Cool Water Woman, Christian Dior Dune, Issey Miyake L'eau d'Issey, L'Eau Par Kenzo for Womene, Giorgio Beverly Hills Ocean Dream for Women, Ralph Lauren Polo Sport Woman, Rochas Aquawoman, Aramis New West For Her.

Herren:
Davidoff Cool Water Cologne for Men, Kenzo Homme, Kenzo Homme Fresh, Calvin Klein Escape, Issey Miyake L'eau d'Issey Pour Homme, Jil Sander Sun Men, Hugo Boss Hugo Element, Donna Karan DKNY Men.


(Quelle: aboutbeauty.com)
vor 12 Jahren
Vielen Dank für den Link!

Ein Schelm, wer dabei böses denkt: "... wie ein Tranquilizer...".

"Nachthimmelschule", sehr interessant. "In der Ästhetik gebe es, wie im Ingenieurwesen, für Probleme manchmal nur eine Lösung: Sie seien beide unabhängig voneinander darauf gestossen." Auch sehr interessant.
vor 12 Jahren
Dannyboy:
"In der Ästhetik gebe es, wie im Ingenieurwesen, für Probleme manchmal nur eine Lösung: Sie seien beide unabhängig voneinander darauf gestossen." Auch sehr interessant.

YEP, das fand ich auch eine spannende Aussage (Thanx übrigens AmberWood für den Link!)!

Parallel sinnige Anekdote: Nachdem die Camera Obscura und silbernitriertes Papier etwa 500 Jahre lang unbedarft und friedlich nebeneinander existierten, kamen 1826 mindestens 3 (!) Erfinder gleichzeitig, aber völlig unabhängig auf die Idee, die beiden Sachen zu kombinieren und erfanden jeweils die Fotogafie (Daguerre machte dann PR- und patentmäßig das Rennen.).
Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es für bestimmte Fragen eine Lösung, bzw. eine einzige Lösungsidee gibt und dass wenn die Zeit reif ist, der Mensch einfach drauf kommt.
vor 12 Jahren
Wie sieht es denn mit "Sel Marin" von Heeley aus, ist da Calone auch enthalten? Weiss das jemand?
vor 12 Jahren
Arioch:
Wie sieht es denn mit "Sel Marin" von Heeley aus, ist da Calone auch enthalten? Weiss das jemand?

Yep.
Ich habe jetzt keine Heeley-Quelle, aber meine Erinnerung ans Riechen. War eindeutig calonig.
Wenn in der Pyramide ein Akkord "Meerwasser" genannt wird, kannst Du ohnehin davon ausgehen. *g*
vor 12 Jahren
Louce:
"Aquatisch" ist in 99% der Fälle gleich Calone.

Sorry, Louce, so verkürzt ist die Aussage nicht richtig: Calone hat den Trend der maritimen Düfte möglich gemacht, es wurde aber immer von anderen Komponenten begleitet, um einen leidlich natürlich nach Meeresbrise riechenden Akkord zu erschaffen. Über die Jahre wurde auch die Calone-Konzentration heruntergedimmt.
Calone für sich weist schon die charakteristische Note einer Meeresbrise mit blumigen Nuancen auf. Ein sehr frischer Duft, der auch ganz leicht fruchtig nach (Honig-)Melone riecht. So gut wie immer wird Calone ergänzt durch Helional (=Tropional). Für sich riecht letzteres eher nach Heu, leicht süßlich. In Kombination mit Calone allerdings wird der Heugeruch verschoben in Richtung frisch gemähten Grases. Helional steuert eine deutliche Ozonnote dem maritimen Akkord hinzu, erst mit diesem Ozon wird der Akkord leidlich komplett.
In Aramis "New West for Her" (1990) wurden 1,2 % Calone mit 7,5 % Helional kombiniert. In "Escape for her" (1991) sind 0,8 % % Calone und 3,7 % Helional.
Spannender wurde der maritime Akkord durch Zusatz von Melonal, was dem Grundakkord um eine Wassermelonennote ergänzt. Beispiele: "L’Eau d’Issey" in der Damenversion von 1993 (0,6 % Calone, 2 % Helional, 0,02 % Melonal) und der Herrenversion von 1994 (0,4 % Calone, 13 % Helional, 0,4 % Melonal). "L'Eau d'Issey pour Homme" enthält also ungewöhnlich wenig Calone im Verhältnis zu Helional (1:32 im Vergleich zu "New West for Her" mit ca. 1:6) und tatsächlich: Ich zumindest empfinde den Duft als nicht so aufdringlich wie so manch anderes maritmes Gebräu.
Genauere Angaben zur Zusammensetzung des calonepenetranten "Cool Water" (1988) habe ich leider nicht. Die Damenversion "Cool Water Woman" (1996) enthält 0,4 % Calone, 4,3 % Helional, 0,02 % Melonal und 0,07 % Floralozon, was die ozonartigen Aspekte betont. Gerne genommen zur Ergänzung maritimer Akkorde wird noch Florhydral (frisch, marin, ozonartig) und Lilial (frisch, leicht grün, Seerose).
Im Jahre 2005 lancierte Givaudan den Akkord Ultrazur, eine „einzigartige Basisnote mit kräftigem, marinem, Melonen- und Gurkenduft“. In der Marketingabteilung scheint folgender Text entstanden zu sein. „Ultrazur is inspired by a visit to the islands of the Indian Ocean. Reminiscent of walking on the beach, this high impact and substantive Speciality base features an accord of clean ozonic air fused with sun dried tropical woods enhanced by a Givaudan captive.” Möglicherweise hat für "He Wood Ocean Wet Wood" diese Basismischung Verwendung gefunden.
(Quellen:
P. Kraft, J. A. Bajgrowicz, C. Denis. G. Fráter, Angew. Chem. 2000, 112, 3106-3138.
www.perfumersapprentice.com
givaudan.com/)
vor 12 Jahren
Lieber Ronin, können wir das noch mal als Blogtext bekommen, damit es nicht in den Tiefen des Forums verloren geht?
vor 12 Jahren
Klar, Baux. Kommt auf meine Liste der "Dinge, die ich auf Parfumo veröffentlichen werde, wenn ich Zeit habe.". Aber nicht ganz nach oben, sonst gibt es Ärger mit anderen Mods.
vor 12 Jahren
Bitte verzeiht meinen privaten Ausruf:
Hach! Ich liebe ihn! ExclamationVery Happy
vor 12 Jahren
DrPablo - übernehmen Sie! Gibt es neuere Moleküle, die in der Betrachtung noch fehlen?
vor 12 Jahren
Vielen Dank für eure professionellen Antworten! Sehr hilfreich! Very Happy
vor 12 Jahren
Baux:
Lieber Ronin, können wir das noch mal als Blogtext bekommen, damit es nicht in den Tiefen des Forums verloren geht?

Mission accomplished. Ähm. Blöde Formulierung. Jedenfalls habe ich den Beitrag im Blog veröffentlicht und mit chemischen Formeln aufgepimpt.
vor 12 Jahren
Ronin:
DrPablo - übernehmen Sie! Gibt es neuere Moleküle, die in der Betrachtung noch fehlen?

Es ist eigentlich alles gesagt. Das Calone ist so intensiev im Geruch das die reine Substanz eher schwach heliotropartig riecht. Die Wässrigkeit kommt erst in Verdünnung zur Geltung.

Die Schlüsselverbindung im Ultrazur ist aufgebaut wie das Calonemolekül, aber an Stelle der p-Methylgruppe haben wir eine Isoamylgruppe. (Eine Kollegin meinte dazu mal: uha, das riecht ja wie alte Makrele)
Und noch: Calone=synthetisch, Melonal=naturidentisch. Aber künstlich ist nicht gleich billig oder schlecht!!!!!!!!!!!!!!!!

Ausserdem gibt es noch einige ergänzende Riechstoffe, die in noch kleineren Mengen genutzt werden, wie z. Bsp. Methoxymelonal (das ist riecht wesentlich milder als Melonal).

Wenn ich anmerken darf: Du hast Dich beim L'Eau d'Issey beim Helional wahrscheinlich in der Kommastelle vertan. Es enthält höchstens 2% davon.
vor 12 Jahren
Danke, DrPablo. Ich habe noch mal in der Originalliteratur nachgeschaut (P. Kraft, J. A. Bajgrowicz, C. Denis. G. Fráter, Angew. Chem.2000, 112, 3106-3138.): Die Givdaudan-Chemiker behaupten dort wirklich, dass "L'Eau d'Issey pour Homme" 13 % Tropional (= Helional) enthält. Kam mir auch extrem vor, passt doch allerdings durchaus zum Charakter des Duftes, oder, dass verhältnismäßig sehr wenig Calone eingesetzt wird?
Bei Antworten benachrichtigen
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:
Übersicht Parfum allgemein Aquatische Noten - wie entstehen sie?
Gehe zu