Ronin:Das meiste stimmt, was da auf Basenotes geschrieben steht. Über den eher reißerischen Stil mag man geteilter Meinung sein.
In "Scent and Chemistry", was ich als glaubwürdige Quelle angeben würde, steht Folgendes:
1973 war ein grauenhafter Weinjahrgang und das einzig Spektakuläre war, dass die Bordeaux-Klassifikation von 1855 erstmals (und seit dem auch nicht wieder) angepasst wurde: seit diesem Jahr ist Château Mouton Rothschild nicht mehr 2ème, sondern 1er Grand Cru.
Bedeutender war 1973 für die Parfumerie: die IFF-Forscher Hall und Sanders synthetisierten
Iso E Super und den Parfumeuren stand ein neuer Rohstoff zur Verfügung:
(sorry für die Formeln und die Größe der Bilder).
Iso E Super war nicht irgendein neues Duftmolekül, was auf den Markt geworfen wurde, sondern es erlaubt ganz andere Art von Parfums zu erschaffen: es wirkt als eine Art Verstärker anderer Duftstoffe (Nasenglutamat): die können in ihrer Konzentration abgesenkt werden bei gleicher Wahrnehmung. Die Popularität erklärt sich allerdings nicht (zumindest nicht nur) darin, dass durch die Absenkung der Duftstoffkonzentration Rohstoffkosten gespart werden können, sondern dass bei gleicher Intensität die Parfums leichter, luftiger, transparenter und manche Note schmaler werden. In der Regel wird
Iso E Super nicht um seines eigenen Geruchs wegen eingesetzt, sondern aufgrund der Wirkung auf andere Noten.
Hier ist eine Analogie zu
Hedion zu sehen, der Substanz, die Frucht- und Blumennoten eine Frische verleiht und genau deswegen eingesetzt wird. Laut Ansicht der meisten Parfumeure hat keine Substanz so die Parfumerie im 20. Jhdt. beeinflusst und verändert wie
Hedion (noch vor
Iso E Super)- obwohl
Hedion für sich alleine eher unspektakulär riecht: für mich seltsam diffusiv blumig in Kombination mit dem Geruch nasser Pappe.
Das ist freilich ganz anders bei
Iso E Super: das hat einen attraktiven Eigengeruch, leicht pfeffrig, holzig, sehr transparent, schwer greifbar und irgendwie auch ... sinnlich.
Zumindest Geza Schön ringt nach Worten für seinen Liblingsduftstoff und landet schließlich bei "geil". Kein Wunder also, dass
Iso E Super daher nicht nur seiner Verstärkungsfunktion wegen eingesetzt wird, sondern auch als eigene Duftnote.
Es dauerte bis zum Jahr 1990, bis eher zufällig entdeckt wurde, dass nicht das eigentliche, oben abgebildete
Iso E Super für den Geruch verantwortlich ist , sondern ein Nebenprodukt mit dem Namen
Arboron:
Die Geruchsschwelle ist um den Faktor 100000 tiefer als
Iso E Super. Was ich freilich nicht weiß, welche der beiden Substanzen die verstärkende Wirkung auf andere Duftstoffe hat.
Arboron entsteht inhärent als Nebenprodukt der
Iso-E-Super-Snthese, eine Abtrennung der einzelnen Qualitäten ist wirtschaftlich nicht sinnvoll. Es gibt Synthesevarianten, mit denen der
Arboron-Anteil um den Faktor 2-3 erhöht werden kann, und es resultiert eine besondere
Iso-E-Super-Qualität, aber von einer Reinsynthese des
Arborons ist man weit entfernt.
Es geht aber auch anders: Der Givaudan-Duftstoffchemiker
Philip Kraft hat
Georgywood entwickelt, ein Molekül, was so riecht wie
Arboron, eine fast genau so tiefe Geruchsschwelle aufweist, aber vergleichsweise einfach synthetisch zugänglich ist:
"Golden Moments", "Higher" und "Be Delicious Men" sind Beispiele für hohe Dosen
Georgywood.
Das Sicherheitsdatenblatt des Standard-IFF
Iso E Super weist als weitere Bestandteile ein Koservierungsmittel (BHT) und folgendes Nebenprodukt auf:
Die Verhältnis der einzelnen Reaktionsprodukte der
Iso-E-Super-Synthese erklärt, warum die Produkte unterschiedlicher Hersteller eben nicht alle gleich riechen.
Das ist einer der erleuchtendsten Sachen, die ich bisher hier auf Parfumo lesen konnte. Mad propz!