Fluida

Heute bin ich in der Migros etwas durch die Kosmetikabteilung gestreift und auf die Parfums gestossen. Dort fand ich viel Günstiges, das auch so roch, doch ein Duft stach eindeutig heraus: Femme de Varens - Sensuelle. Er startet sehr sympathisch nach Süssem, lecker-anziehend und spontan fein. Neu entdecke ich die Richtung der süssen Duftnoten und bin völlig erstaunt über mich selbst, dass mich solches in den Bann zu ziehen vermag. Noch vor einem Jahr hätte ich mich nasenrümpfend abgewandt. So verwandeln sich die Vorlieben…
Ich werde also über Stunden begleitet von dieser lakritzartigen Süsse, die weich untermauert ist mit soften Blütendüften. Ganz leicht pudrig im Herz, wird er abgestützt durch das herbe Patchouli. Nach rund 4 Stunden kommt der Moschus zum Vorschein. Der Dufteindruck wird fluffig und klingt weich gebettet aus. Für diese Preisklasse eine tolle Leistung in Haftung und Strahlkraft.
Wäre da nicht dieser Missklang, der etwas leicht Billiges verströmt… ich kann ihn nicht genauer definieren, vielleicht zollt hier doch der günstige Preis seinen Tribut. Jedenfalls darf er deswegen nicht einziehen. Fazit: Viel süsser Duft, der hochwertiger wirkt als was er kostet, bei einem finanziellen Engpass und akuter Parfumlust durchaus eine Überlegung wert.

Schmiegsam umhüllst du mein Handgelenk, legst dich wie Samt und Seide auf meine Haut und entlässt mich in einer zauberhaften Aura. Ich bin dir verfallen, vom ersten Augenblick an, du lockst verhalten, tanzest und bewegst dich als leiser Hauch um meinen Körper. Ich nehme die Einladung zum Zwiegespräch an und fühle mich verstanden. Du verstehst es, mir zu geben, was ich schon lange will und suche: Unsüsse Weiblichkeit, warmes Holz, edle Zurückhaltung, verhaltener Zauber, tiefes Scheinen. Zusammen sind wir ganz, ein äusseres Sichtbarmachen meines Seelenklangs, so tritt nach aussen, was ich sonst nicht zeigen kann. Du und ich sind eine Gespann, das Neues möglich macht und du ist mein Begleiter für die ersten Schritten in diese neue Welt. Dich will ich bei mir haben, du bist das Fluidum meines neuen Ich’s, mit dir ist möglich, was vorher nicht ging. Will ich es wagen, dich an meine Hand zu nehmen und voran zu schreiten in die offene Zukunft?

Nachdem ich mich vor einigen Tagen mit der Armani Privé Reihe etwas bekannt machen durfte, gab mir die Verkäuferin auch eine Probe dieses Duftes mit. Auf der Suche nach einem dunklen, tiefen und samtigen Parfum – ganz neue Ausrichtung! - gefiel er mir im Geschäft spontan. Nun ist etwas Zeit verstrichen, und ich teste ihn zur Belohnung an diesem Sonntag noch mal. Verwöhnprogramm für die Sinne!

Die Eröffnung beginnt mit zuckriger Süsse, lecker, zum aufessen anziehend. Safran? Ich weiss nicht recht… doch, auch der ist süsslich, wenn ich mich an die gestrige Safransauce zum Abendessen erinnere. Allerdings nehme ich das Gewürz Safran nicht so zuckersüss wahr, es hat eher eine dezente Süsse. Pfeffer erahne ich weil ich es weiss. Für mich ist der Eindruck warm und süss, anschmiegsam und zutiefst betörend und verführerisch. Dieser Duft verführt mich! Er lockt in sinnlicher Weiblichkeit, erlesener Dunkelheit und zieht mich erstaunlich stark in seinen Bann.

Und ich meinte, ich habe meinen als nächstes zu erwerbenden Favoriten gefunden? Das muss ich noch mal prüfen…

Die Süsse zieht sich langsam und stetig zurück, und es zeigt sich mehr und mehr die Myrrhe. Eine kleine Prise Insektenschutzmittel wie auch schon gehabt nehme ich wahr. Das Ganze ist ein warmer Cocktail aus Holz, Samt, Eleganz, Dunkelheit, Sinnlichkeit und Verlockung.
So ein schöner, weiblicher, erwachsener Duft! So überaus hinreissend, von einnehmender Präsenz, diese Sexyness fordert mich heraus, lockt und zaubert, schmiegt und scheint, glüht und pocht.

Und doch… ist das etwas für mich? Ich fühle mich angesprochen, gehe in Resonanz, ganz ähnlich wie beim ach so bezaubernden Cruda von Morph, doch ist das „mich“? Ist das meine Ausstrahlung? Oder lehne ich mir da etwas aus, das eigentlich gar nicht zu mir gehört? Oder darf ich mir dieses Neue, Fremde aneignen und in diese Rolle schlüpfen, ganz nach Lust und Laune und damit eine neue Ausstrahlung kreieren? Parfums sollen meiner Meinung nach etwas Spielerisches haben, nach Gefühl, Laune und Lust ausgewählt werden und Freude bereiten.
Ich werde mich an diesem Duft erfreuen, mit ihm spielen, und ihn vielleicht auch eines Tages kaufen. Bis dahin träume ich von aparter Sinnlichkeit, edler Weiblichkeit und charismatischem Flair.

Im Zusammenhang meiner Tom-Ford-kennen-lern-Aktion erhielt ich auf meinen Wunsch hin auch eine Probe von Azure Lime. Im Geschäft gefiel mir die spritzige Kopfnote so gut, und obwohl ich zurzeit auf der Suche nach einem dunklen Duft bin, dachte ich mir, er könnte vielleicht etwas sein für die aktuelle Jahreszeit. Ich testete ihn zwei Mal auf Papier und bildete mir schon ein Urteil, wollte ihm aber heute noch eine Chance auf der Haut geben. Nach dem Douchen und dem Eincremen mit Citrus Body-Lotion fühlte ich mich für den Test bereit und sprühte ihn auf.

Also, dann ein Auftakt ganz nach meinem (früheren) Beuteschema: Frisch, zitrisch, spitz-spritzig und doch gehaltvoll und nicht verwässert, wie das ja oft bei den leichten Zitrusdüften der Fall ist. Allerdings ahne ich zu dem Zeitpunkt bereits nasenrümpfend, was folgen wird; die herbe Männlichkeit macht sich bemerkbar.
Nach rund einer halben Stunde ist sie da, die Vermutung wird zur Wirklichkeit, ich sehe mich mir Douchgelfrische konfrontiert. Damit kann man mich nie, nie glücklich machen. Nun eindeutig männlich – an einer Frau würde ich das never riechen wollen! – nehme ich leicht salzige Noten und einen Hauch von Gurke war. Mein Kopfkino zeigt Bilder von spritzender Gischt, Zitronenzesten, perlenden Wassertropfen, sportlichem Männerkörper und Sonne und Sand.

Wer einen sportlichen, frischen Duft sucht, der etwas länger hält (5+) und ein Mann ist, hat Freude an diesem Tom Ford. Für mich ist das gar nichts, zumal er noch in einer Moschusnote endet. Diese Kombi – erst Zitrus, dann etwas Blüten und zu guter Letzt noch Moschus ist mir so verleidet. Zum guten Glück habe ich auch noch eine erfreuliche, himmlische, betörende Ausbeute gemacht bei Tom Ford, dazu ein anderes Mal mehr.

Vor rund einer Woche eilte ich voller Vorfreude in meine Parfumerie, um die Tom Fords kennen zu lernen. Ich wurde zuvorkommend beraten, durfte fast alle testen – soweit meine Nase eben mitmachte – und erhielt noch drei Proben nach meinem Wunsch (Oud Wood, Noir de Noir, Azure Lime), um die Düfte auf der Haut zu erfahren.

Oud Wood war nach der Beschreibung mein Favorit, und im Geschäft gefiel er mir so gut, dass ich gerne eine kleine Probeabfüllung davon mit nach Hause nehmen wollte. Jetzt teste ich den Duft zum dritten Mal, und wieder habe ich andere Eindrücke.

Beim zweiten Testen erschrak ich; was, und das hat mir je gefallen? Ich war richtig schockiert über all die abgelebte Süsse, schwülstig und stickig, schmierig und – billig(!). Kardamom in seiner ganzen Pracht drohte mich zu ersticken. Beim dritten Testen bin ich schon etwas gefasster auf diese olfaktorische Bombe und kann nach kurzer Zeit zum Glück noch anderes riechen.

So sehr ich dieses Gewürz im Tee mag, hier treibt es mich in die Flucht und Ferne, ich kann’s fast nicht durchstehen um dann endlich, endlich zu den warmholzigen Eindrücken zu gelangen.

Aber Moment, so durch und durch warm ist er nicht wirklich… es hat was von harzigem, knorrigem Holz, das dem Dufteindruck eine unerwartete und erstaunliche Frische gibt. Terpentinartig, ein durchdringendes Gerüchlein, aber nicht vordergründig und daher gut integriert ins Ganze. Es erinnert mich an Balsamterpentinöl, das Original zum Malen in Öl. Als Malerin ist mir der Duft vertraut und sympathisch.

Während rund zwei Stunden dann der Rückzug der süssen (bald) und harzigen (mittelfristig) Anteilen, es eröffnet sich das doppelte Holz, welches der Grund für mein Interesse war. Jetzt ist das Grundrauschen endlich so warm und holzig, wie ich mir das vorstelle und wünsche. Hier finde ich auch einen Zugang zum Oud, das mich oft in seiner medizinischen Art abschreckt und mich auf Distanz gehen lässt. Abgesehen von dem supersüssen Auftakt ist der Duft für mich echt unisex, ich kann ihn mir an Männern wie Frauen gleichermassen vorstellen.

Nach fünf Stunden klingt er sanft aus, er ist nur noch hautnah und mit viel Aufmerksamkeit zu vernehmen. Nun ja, langatmig würde ich das nicht nennen, ich suche einen Duft mit längerer Haltbarkeit. Zudem graust es mich vor der Kopfnote, auch wenn er sich danach sehr schön, ansprechend und schmiegsam entwickelt, kommt er als Kaufkandidat deswegen nicht in Frage. Etwas enttäuscht, aber um eine Erfahrung reicher freue ich mich über diese verschiedenen sinnlichen Eindrücke.

Der Flakon ist wie alle Tom Fords apothekermässig, mir gefällt das gar nicht schlecht.