Harielle

Neulich sind wir uns wieder mal auf einer Party begegnet. Du warst unbestreitbar die aufsehenerregendste Frau im Raum. Deine strahlenden Augen mit den üppigen (falschen) Wimpern, die lasziv-keck jeden, der Dir gegenübertritt mustern. Dein Schmollmund – wie schaffst Du es nur, dass er sooo glossig-glänzend, samtig und feucht stets zum Küssen einlädt? Deine Zähne - ich hatte es vergessen, Du hast Dir wirklich von diesen ungarischen Zahnärzten das hollywoodeske „bright, white smile“ verpassen lassen. Über Deinem strahlenden reinen Teint und das perfekt gewellte glänzende Haar, muss ich wohl nicht viel sagen oder schreiben. Dein violettes Kleid betont Deine Figur optimal und zaubert ein Dekolleté, das mehr zeigt als verdeckt.

Deine Erscheinung ist atemberaubend, dieses glucksend-fröhliche Lachen zieht alle in Deinen Bann.

Für meinen Geschmack ist Dein „Auftritt“ jedoch zu ostentativ und zu laut. Der Sambac Jasmin im Auftakt wäre, ein paar Nuancen leiser und weniger photogeshoppt, so wunderschön für meine Nase. Wie die Farbe Deines Kleides und Deine Haarpracht, finde ich ihn bewundernswert. Doch, ja, Dein Ausschnitt ist zu tief und diese üppigen Wellen sitzen zu perfekt, als dass noch Raum für Phantasie wäre.

Die eigentümlich spannende Trockenheit Deiner würzig – holzigen Herznoten(Cashmeran) sind ungemein toll gemacht, einfach perfekt getuned. Die Verbindung mit dem Amber/Amra in der Basis verschafft Dir eine aggressive Intensität, die Dich für lange Zeit unvergesslich macht. Wie Deinem schillernden Lachen, das im ganzen Raum trotz vieler Gäste und Musik zu hören ist, kann man sich dem kaum entziehen. Wer Dich einlädt weiß, bist Du einmal da, bleibst Du lange, denn halbe Sachen sind Deine Sache nicht.

Ich bin nicht stutenbissig, dafür bin ich zu alt und Du zu synthetisch-selbstbewusst. Doch ich kann es nunmal nicht ändern, schon nach kurzer Zeit mit Dir habe ich genug und bekomme Kopfschmerzen. Ach, könntest Du doch mal leisere Töne anschlagen und nicht immer dem Drang, Dich jedem gleich lautstark zu offenbaren nachgeben.....

Weißt Du, ich habe Dich einmal an einem Morgen „danach“ auf der Straße gesehen. Dein Make-Up war verwischt und kein ewiges Hollywoodstrahlen auf Deinem Gesicht. Du hattest einen breiten Schal um die Schultern gelegt, kein ups, haha Busenblitzer, kein Duckface….und ich war erstaunt, dass Du unter Deiner lauten Fassade wirklich etwas hast, das eines näheren Blickes würdig ist.

Wie ich anderer virtueller Stelle schon schrieb: Gucci Rush ist "Faster, Pussycat! Kill! Kill!" in einem Flakon! Der Name ist Programm, das Zeug hat echt Speed!

Der kirschrote Flakon aus Kunststoff, der Legosteinen meines Söhchens gleicht, bereitet auf diesen ungewöhnlichen Duft vor, der nicht auf Kopf-, Herz und Basis-Note basiert.

Rushs Duftkomponenten, darunter Magnolie, Freesie, Patchouli, Rose und hmmmmm, Vanille, reichen sich die Hand, um einander hinterlistig und gut gelaunt aus dem Rennen zu schlagen. Holt der im verlieren begriffene Akkord die vorigen ein, tut er dies nicht etwa, um mit den anderen zu einer Einheit zu verschmelzen und sich auf die Haut der Trägerin entspannt zu betten, nein! Gleich einer Spirale übertrumpft er die anderen, die zurück fallen und leicht ins Taumeln geraten, um kurz darauf wieder loszustürmen.

Ungestüm, aber in perfekter Balance tanzt dieser blumig-milchig-fruchtig-vanillige Wirbel auf der Haut. Mal duftet er vorrangig blumig mit einem fruchtigen Akzent, der mich irgendwie an Äpfel erinnert. Kaum bin ich zu diesem Schluss gekommen und inhaliere noch eine Prise Rush, erschnuppere ich Patchouly, leicht würzige Komponenten und Vanille, die schmeichelnd und unwiderstehlich in den Vordergrund getreten sind und mir Sirenen gleich versprechen, das nächste Abenteuer kommt bestimmt. Und so viel ist klar, kein Abenteuer, kein "Faster Pussycat!" ohne Rush, diesen irren, irrational-unvergesslichen (neo-)Chypre

Schon der Gedanke, dass dieser "Stoff" diskontinuiert wird löst akute Entzugserscheinungen bei mir aus...

Shalimar Parfum Initial startet lebhaft, schwungvoll und balsamisch mit einem zitrischen (Bergamotte?) Auftakt, der mich in den ersten Minuten kurz an das klassische Shalimar erinnert-. Und das hier ist auch großes Kino, Drama, Baby, Drama! Vielleicht ist es nicht gerade Rita Hayworth, die sich als „Gilda“ ihre Samthandschuhe verführerisch abstreift (das wäre für mich doch eher das Ur-Shalimar). Aber Shalimar Parfum Initial hat auch eine Geschichte zu erzählen und dieser während seines Duftverlauf zu lauschen, lohnt sich!

Nach rund zehn Minuten wird die Kopfnote Shalimar Parfum Initials sanfter, die anfängliche Frische und Schärfe nimmt ab, Tonkabohne und würzig-krautige Noten (Iriswurzel?) sowie Patchouli schimmern pudrig durch eher softe, zarte blumige Nuancen. Ich kann Rose und Jasmin erahnen. Doch das hier ist ein echter Orientale,kein Blumenbouquet, daran ist nicht zu rütteln. Der balsamische Charakter bleibt während der ganzen Zeit erhalten...hm, herrlich. Rauchige Nuancen, die mich am originalen Shalimar so faszinieren - und es leider zu einem veritablen Stinker auf meiner Haut werden lassen, kann ich bei Parfum Initial nicht erschnuppern.

Ich vermute, dass der im Guerlain-Portfolio angegebene Vetiver auch seinen Teil dazu beiträgt, dass Shalimar Parfum Initial nicht süß oder gar lieblich wird. So kommt auf meiner Haut auch die Karamellnote pudrig, aber eher unsüß heraus. Für meine Nase ist Shalimar Parfum Initial kein Gourmandduft. Aber bei Gelegenheit werde ich dazu noch mal eine andere Meinung einholen- vielleicht empfindet man(n) mich mit Shalimar Parfum Initial doch zum anbeissen?

Vanille, Tonka und Amber beginnen sich nach einer halben Stunde langsam rund und voll zu entfalten. Der balsamische Charakter bleibt leider nach drei Stunden Tragezeit ziemlich auf der Strecke, schade. Nach vier Stunden erschnuppere ich aber noch immer Amber, Vanille und einen Hauch Patchouli pudrig, sexy, weich.

Shalimar Parfum Initial ist in meinen Augen, äh, meiner Nase, kein 08/15 Teenie- oder Sommerdüftchen, kein leichter, gefälliger Hauch - obwohl er eine eindeutig jüngere Zielgruppe zwischen 20 und 30 anpeilt, empfinde ich ihn charaktervoll und „erwachsen“.


Nochwas: Der Flakon gefällt mir sehr - für den dürfen wir uns übrigens bei Jade Jagger bedanken. Frau Jagger hat auch Shalimar endlich wieder hübsch verpackt, nachdem der Flakon zwischenzeitlich ja nur zum Gruseln hässlich war. Eigentlich bin ich kein großer Fan der Farbe Rosa, doch ab und an ein Blick durch die rosa Brille- wer mag das nicht? Shalimar Parfum Initials Farbe ist elegant, ästhetisch, très chic und sehr, sehr Guerlain!