31.12.2020 - 06:44 Uhr

FioreMarina
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FioreMarina
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Pricesse Tam Tam
Also – dass ich das noch erleben darf, hätte ich nicht geglaubt. Ich bin tatsächlich überwältigt.
Aber ich muss ausholen, damit ihr versteht, warum.
Es ist nämlich so: Früher – also ganz früher, meine ich – hatte ich ein klares Berufsziel. Ich würde Prinzessin werden. Die Stellenbeschreibung (märchenhaft schön sein / sich von missgünstigen Anverwandten mit dem Tode bedrohen lassen / mit goldenen Bällen spielen / auf Rosen (und keinesfalls auf Erbsen!) gebettet werden) war mir in den Grundzügen vertraut und der Weg dahin vollkommen klar: einen Prinzen heiraten. Was denn sonst?
Es war also soweit alles klar und gewissermaßen schon fast in trockenen pinkfarbenen Flauschtüchern (mit Glitzerborte), nur habe ich nicht mit meiner Mutter gerechnet, dieser feministischen Spaßbremse mit ihrer barbarischen 68er Ideologie.
Die hielt mir nämlich, nach infrage kommenden Prinzen um Rat gebeten, das Konterfei des damals noch gerade so jugendlichen Prince Charles unter die Nase. Tenor der Erziehungsmaßnahme: „Von so einem willst du dich wachküssen lassen? Ernsthaft, Mädchen – steh lieber selber auf.“
Was soll ich Euch sagen? Das war natürlich unerhört grausam, aber es hat seinen Zweck erfüllt. Die Prinzenoption war jedenfalls bis auf weiteres vom Tisch.
Nicht so das Berufsziel. Es musste, es musste einfach noch einen anderen Weg geben, irgendeinen. Ich fand keinen und wurde was anderes, weil man ja nicht ewig auf die Erfüllung seiner Mädchenträume warten kann, und die Jahre gingen ins Land und ich bin so einiges geworden, nur keine Prinzessin.
Und jetzt, nachdem ich die Hoffnung schon fast aufgegeben habe, weiß ich plötzlich, wie es geht. Daher meine Überwältigung.
Wie man das macht, eine Prinzessin werden?
Man muss einen Sprühkopf drücken.
Und im selben Augenblick findet man sich in einem Märchen wieder, in einer rauschenden Ballnacht. Eröffnet wird sie von einer herben, unreifen, fast bitteren Orangennote und ich schwöre, Thierry Wasser hat die harten, aromatischen Blätter der Orange gleich mit verarbeitet: ein dunkles, samtiges Grün, Sekunden bevor Bergamotte wie der Geist von oder, ach was, warum nicht, die Fee Shalimar durch den Raum schwebt und ein wenig Tausendundeine Nacht aus dem Duft herausfunkeln lässt. Eine Viertelstunde später haben wir allen Grund, die Fanfaren ertönen, die Chöre singen und ein Feuerwerk zünden zu lassen, denn der Vorhang geht auf und es erscheint eine märchenhaft schöne, ganz und gar vollkommene Iris. Nichts an ihr ist kühl, nichts ist synthetisch. Sie erfüllt den Raum mit ihrem Glanz, neigt das gekrönte Köpfchen und läßt unter gesengten Lidern ein Lächeln des Mutwillens funkeln. Sie trägt einen hauchzarten Schleier aus Patchouli und weiche Rosen blühen auf ihren Wangen, alles nur eine Andeutung, sie sind nur da, um ihre Schönheit zu unterstreichen. Diese Iris ist die Königin der Ballnacht vom ersten Augenblick ihres Erscheinens und sie bleibt es bis zum Morgenrot, wird nicht blasser, nur weicher, und süßer, wenn nach einigen Stunden nach und nach sich köstliches Karamell aus dem Duft entwickelt, eine watteweiche dezent wahrnehmbare Moschusnote und, wieder, die Fee Shalimar, diesmal in ihrer ganz und gar einzigartigen, unverkennbaren Vanillenote.
Was kann ich sagen? Dieser Duft ist so glanzvoll, so wunderschön und vollkommen, dass seine Trägerin nicht anders kann, als von innen heraus zu strahlen. Er braucht einen Anlass. Nicht unbedingt eine Ballnacht, aber einen Tag, dem man ein Glanzlicht aufsetzen will. Ich trage ihn manchmal auch, wenn ich einfach nur mit den Hunden durch den Wald spazieren gehe. Dann stapfe ich nicht – ich schreite durch den Schnee. Neige liebreich das Haupt nach meinen ungezogenen Kötern, bin für einen Augenblick über den Lärm der Welt erhaben. Und danke meiner Mutter, der alten feministischen Spaßbremse, dass sie mir die Prinzen damals aus dem Kopf geschlagen hat. Prinzessin sein geht auch ohne ganz gut.
In diesem Sinne wünsche ich Euch heute einen glanzvollen Jahresausklang. Ein glückliches und gesundes neues Jahr mit so viel Märchen wie reinpasst.
Und danke fürs Lesen.
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