Kovex

Kovex

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6 - 10 von 29
Kovex vor 1 Jahr 17 18
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Duft
Eher Oase als Wüste
Karim Abu El-Ez war ein glücklicher junger Mann. In seinem Kulturkreis war es üblich, dass die Eltern über die Wahl des künftigen Ehepartners mit den Brauteltern verhandelten. Während viele seiner Freunde mit ihrem fremdbestimmten Schicksal haderten, war er in der glücklichen Situation, dass die Wahl der Eltern auf seine Jugendliebe fiel.

Shayenne wuchs in seiner Nachbarschaft auf und schon als Kinder malten sie ihre Zukunft mit Stöcken in den trockenen Sandboden. Als sie mit ihren Eltern vor ein paar Jahren in eine entferne Oase umzogen da ihre Mutter die karge Einöde des Wüstendorfes nicht mehr ertrug, verloren sie sich aus den Augen. Vergessen konnte er sie jedoch nie.

Die Hochzeit sollte in der Oase ihrer neuen Heimat stattfinden. Ein mehrtägiger beschwerlicher Ritt durch die Wüste ging dem voraus. Um nicht im ständigen Dunstkreis der Kamele zu sein, setzte er sich an die Spitze der Karawane, auch um ungestört seinen vorfreudigen Gedanken nachzuhängen. Drei Tage schon waren sie unterwegs. Nichts als trockener Sand, blauer Himmel und eine sengende Hitze schärften seine Sinne, denn es gab weder optische, geruchliche oder akustische Reize, die ihn von seinen Gedanken hätten ablenken können.

Die olfaktorische Reise von Desert Nights to Remember beginnt erst mit Erreichen der Oase, denn der Duft ist anders als der Name vermuten lässt, nicht wirklich ein Wüstenduft wie Andy Tauer das beispielsweise recht authentisch umgesetzt hat.

Die Parfümeurin Sylvie Jourdet hat mit Dear Diary eine Marke erschaffen, die nahezu unbekannt ist. Eine eigene Web-Seite gibt es nicht. Die Bezugsquellen eher schwierig zu finden. Überhaupt scheint die Dame nicht all zu viel Wert auf eine Online-Präsenz zu legen. Auch auf der Web-Seite von Histoires de Parfums, für die sie einige Düfte kreiert hat, gibt es keinen Verweis auf Ihre Person. Wie so oft war es eine Zufallsbekanntschaft, diesen Duft kennen zu lernen. Danke Verbena!

Als Karim mit seiner Karawane die Oase erreichte, war es, als betrat er eine andere Welt. Das Klima wechselte schlagartig von trocken zu feucht. Die Farbenpracht des Dorfes und die üppige Vegetation fluteten seine Sinne. Typisch orientalische Gewürze des nahegelegenen Marktes wie Safran und süßlicher Zimt in Verbindung mit frischen Thymian ergänzten den Geruch von Jasmin und den prallen Rosenbüschen, die an den Mauern empor kletterten auf wundersam harmonische Weise. Es war als wollte sich das Holz der Marktstände durch Ausdünsten von Harzen gegen die Mittagshitze wehren und legte sich wie ein Schleier auf all die anderen Gerüche.

Als er Shayenne nach all den Jahren der bloßen Erinnerung endlich in seine Arme schloss, atmete er den lasziven Geruch Ihres Körpers ein. Es schien als hätten sich all die Gerüche der Umgebung auf ihrer von Schweiß benetzten Haut niedergelassen um eine Symbiose einzugehen, die eine frivol-erotische Stimmung in ihm erzeugte. Ihre leuchtend grünen Augen unter dem schwarzen Haar spiegelten all die Sehnsüchte wider, denen er auf seiner Reise durch die Wüste entgegenfieberte. Ja, Karim war ein glücklicher Mann.

Desert Nights to Remember ist ein aus meiner Sicht hocherotischer Duft, der von beiden Geschlechtern gleichermaßen getragen werden kann. Rose und Jasmin sind so innig ineinander verwoben ohne das eine der beiden dominant wird, dass ein völlig neues Duftbild entsteht. Ja, der Duft ist süßlich, ist aber weit entfernt von der synthetischen Tonka-Süße der aktuellen Duftmode. Die Gewürze und harzigen Eindrücke sind so herrlich harmonisch in den Blumenreigen eingebunden, dass sie sich gegenseitig im Zaum halten. Über allem liegt von Beginn an eine laszive Animalik, die niemals schmuddelig oder gar dreckig wirkt. Auch wenn Bibergeil als Duftnote angegeben ist, führe ich diese Animalik eher auf das angesüßte schwül-blütenschweißige Gesamtbild des Duftes zurück. Ein Duft zum Wohlfühlen, der seine Stärken in den kühleren Jahreszeiten voll zur Geltung bringt. Auch wenn ich blumige und süße Düfte lieber an Anderen rieche, hier mache ich eine Ausnahme.
18 Antworten
Kovex vor 2 Jahren 31 47
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Duft
Dein Vater
Dein Vater hat viele der Klischees, die einem Schifffahrtskapitän anhängen gänzlich erfüllt. Als du mich vor über 20 Jahren deinen Eltern vorstelltest, saßen wir im Garten, am Rande des Reetdach-gedeckten Hauses, eingerahmt von uralten Buchen und Eichen. Er war wortkarg, der Blick eher grimmig als zugewandt, mehr stiller Beobachter als extrovertierter Unterhalter. Autorität strahlte er aus, seine Weltgewandtheit und Menschenkenntnis wusste er zu verbergen.

Sehen konnte er mich kaum noch. Eine Augenkrankheit die sukzessive zur vollständigen Erblindung führte, hatte ihn kurz zuvor dazu veranlasst, seinen Kapitänsberuf aufzugeben, bevor ein Arzt es per Attest tun würde. Verantwortung war etwas, dass er als jemand der zigtausende Bruttoregistertonnen Waren durch alle Weltmeere lotste, mehr als zu tragen verstand. Aber es war nicht seine Art mit alten Seemannsgeschichten zu prahlen, ebensowenig wie über sein Schicksal zu jammern. Ein aufrechter, ein stiller und ehrenhafter Mann, Dein Vater.

L'Odorat - Étude 1.5 erinnert mich an ihn. Die Möbel seines alten Kapitänszimmers standen im Keller, das Gästezimmer. Schwere Tropenholzmöbel, allerlei holzgeschnitzte Kunstwerke aus aller Herren Länder, Schifffahrtsutensilien, Schlangenhäute und riesige Schildkrötenpanzer. Mitbringsel vergangener Zeiten, als der Zoll so etwas noch durchgehen ließ, als Einfuhrbestimmungen noch auf einen Bierdeckel passten. Im Regal seine alten, ledergebundenen Tagebücher, vom Wetter gegerbt, von unzähligen Einträgen mit Leben gefüllt, von Deines Vaters Leben.

Wann immer ein Duft es mir schwermacht seine Duftnoten zu erkennen oder zu isolieren, weiß ich, dass ich ein Meisterwerk vor mir habe. Gerne vergleiche ich das mit einem klassischen Orchester, wenn vor dem Konzert die Instrumente gestimmt werden. Man nimmt die einzelnen Instrumente wahr, aber ein Hörgenuss ist es sicherlich nicht. Erst wenn die Instrumente vom Dirigenten durch die Komposition geführt werden, wird eine Sinfonie daraus. Erst das Zusammenspiel ergibt die Harmonie und die Instrumente verschmelzen miteinander. Kaum möglich eine Violine von einer Bratsche zu unterscheiden. Es entsteht ein Gesamtkunstwerk, dessen einzelne Protagonisten unabdingbar für das große Ganze sind.

L'Odorat - Étude 1.5 eröffnet mit einem zart ledrigen und leicht harzigen Dufteindruck. Schon zu Beginn will die Duftpyramide mich in die Irre führen, mir einen Verlauf vorgaukeln, der so bzw. nicht in dieser Reihenfolge existiert. Der ledrige Eindruck ist sehr subtil und keineswegs so plakativ wie Tom Fords das in seinem berühmten Lederduft zelebriert. Eher das Aroma einer alten Brieftasche, die zwar noch ledrige Nuancen enthält, aber doch angereicht wurde durch das pralle Leben Ihres Trägers, so wie die alten Tagebücher deines Vaters. Hatte er Alpenveilchen zwischen die Seiten des Buches gelegt? Kräuter zum Trocknen darin für die Ewigkeit aufbewahrt? Das Leder ist aromatisiert aber nur einen Hauch, eine Ahnung von dem was die Natur und die Vergangenheit zu bieten hat.

Keiner würde behaupten, hey tolles Parfüm, was Du trägst, es riecht nach Tinte. Aber doch meint man den handgeschriebenen Tagebüchern Deines Vaters diesen urvertrauten Geruch von Tinte zu entnehmen. L'Odorat - Étude 1.5 rüttelt an den Gitterstäben zu den Toren der verborgenen Kindheitserinnerungen. Ein vertrauter, ein anheimelnder Geruch, der meine Schulzeiterinnerungen mit Deinem Vater in Verbindung treten lässt. Geborgenheit, Sicherheit.

Die Seiten der Tagebücher duften nach Papyrus, sind getrocknet durch die salzige Luft der Meere, angereichert durch die holzigen Noten der schweren Hölzer der Möbel des Kapitänszimmers aus deren Poren die Harze in einem stetigen Strom der Erinnerungen ausdünsten.

L'Odorat - Étude 1.5 ist ein mystischer Duft, subtil in der Ausstrahlung, eigenständig und doch so vertraut. Wärme ausstrahlend, wie die Augen deines Vaters, denen das Licht genommen wurde, die einem aber immer noch das Gefühl geben können, zu Hause zu sein, dazu zu gehören und in sein Herz geschlossen worden zu sein.
47 Antworten
Kovex vor 2 Jahren 40 23
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Duft
Die sanften Riesen
Die Skiurlaube meiner Kindheit verbrachten wir regelmäßig im Umland des österreichischen Maria Alm. Eine sehr familiäre und äußerst urige Pension auf einem Berg gegenüber des Aberg, zu erreichen über eine unbefestigte Serpentinenstraße, die das Erklimmen nur mit dem Aufziehen von Schneeketten möglich machte.

Der besondere Reiz dieser Pension mit ca. 10 Zimmern lag für mich als Kind nicht nur darin, dass jeder jeden kannte und die verschneiten Winterabende in der überschaubar kleinen Gaststube mit bollernden Kachelofen gemeinsam verbracht wurden, sondern auch darin, dass an das Gasthaus ein Kuhstall mit ca. 40 Kühen angeschlossen war, in dem ich täglich nach meinen Skikursen meine Zeit verbrachte. Das mir nicht unangenehme Aroma des Stalls aus frischem Heu und Kuhdung hat sich auf Ewigkeit in meinem Gehirn festgebrannt.

Dieser Geruch hat jedoch absolut gar nichts mit Zoologist´s neuester Kreation Cow zu tun. Wäre Oud eingesetzt worden, dass je nach Herkunft und Ausprägung durchaus diesem Aroma nahekommen kann, wäre das plausibel gewesen. Cow geht jedoch eine ganz andere Richtung und wie so oft schafft es Zoologist bei mir eine Assoziation zu dem Tiernamen her zu stellen. Aber möglicherweise bin ich auch nur das Opfer einer ausgeklügelten Marketing-Strategie. Nichtsdestotrotz kann ich den Duft mit meinen Erinnerungen in Einklang bringen, doch dazu weiter unten mehr.

Cow startet zu Beginn sehr frisch mit einer hellen leichten Blumigkeit. Der Apfel, den ich in Düften meist gar nicht mag, hat nur ein kurzes aber natürliches Gastspiel und macht Platz für ein zartes Zusammenspiel aus Maiglöckchen und Veilchen, so sanft und rein, dass mir sofort ganz milde ums Herz wird. Schon bald gesellt sich ein nur ganz leichtes süßliches Milcharoma hinzu, das den Duft in seiner Sanftmütigkeit noch weiter unterstreicht. Das Ganze ist dabei so wunderbar frisch und sauber, das der Duft für die wärmeren Jahreszeiten wie geschaffen ist. Fluffiger frische-Wäsche-Moschus in Verbindung mit Heliotrop tut sein Übriges um diesen Gesamteindruck aus cleaner, wohliger Frische mit einer hauchzarten vanilligen Süße noch zu verstärken.

Cow ist ein leiser Duft mit einer für mich überschaubaren Haltbarkeit von 5 - 6 Stunden, wie geschaffen für kühle Frühlingsmomente bis hin zu den wärmeren Sommermonaten.

Es ist ja nicht so, dass Zoologist mit seinen Düften immer den unmittelbaren Geruch eines Tieres abbilden will. Oftmals ist es auch der olfaktorische Eindruck des Lebensraumes, der Nahrung und manchmal auch eine Entsprechung des Wesens der jeweiligen Spezies. Und hier schließt sich für mich der Kreis.

Den Kühen, die ich nach meinen Skitouren im Stall besuchte, kraulte ich stundenlang das lockige Haar zwischen den Hörnern in der festen Überzeugung, dass sie es genauso genossen wie ich. Was sich eingeprägt hat, waren ihre großen sanften Augen unter den dicht bewimperten Lidern. Wer wird da nicht weich? Und genau da ist meine Verbindung, die ich vom Namen des Duftes zu seinem Geruch herstelle. Obwohl ich blumigen Düften eher selten zugeneigt bin, ist es dieser Eindruck von frischer frühlingshafter Blumenwiese sowie der zart-liebliche und weiche Grundtenor des Duftes, der sich in den Augen dieser sanften Riesen widerspiegelt.
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Kovex vor 3 Jahren 47 24
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Haltbarkeit
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Duft
Patchouli mal anders
Patchouli Intense ist für mich ein Ausnahmeduft unter den Patchouli-Düften. Denn während die meisten Patchouli-Düfte eine erdige und oftmals auch süßliche Übereinstimmung zeigen, die mitunter etwas schmuddelig wirken und oftmals Assoziationen zu Räucherstäbchen-geschwängerten Hippieläden-Aromen erzeugen, ist der von Patricia Nicolai kreierte Patchouli-Duft von einer erlesenen Eleganz geprägt, die ich bisher so noch nicht kennen gelernt habe.

Bisher kenne ich ca. ein Dutzend ihrer Düfte und wenn ich eine Gemeinsamkeit immer wieder entdecke, ist es genau diese edle und feinsinnige Eleganz die sich in all ihren Düften wieder findet. Dies mag insofern nicht verwundern, da sie als Nichte des legendären Jean-Paul Guerlain in einer Parfüm-Dynastie aufwuchs, die zu Recht auch heute noch zu den etabliertesten Dufthäusern zählt.

Nach ihrer Ausbildung zur Parfumeurin sammelte sie zunächst praktische Erfahrung durch die Zusammenarbeit mit internationalen Parfumeuren im Auftrag namhafter Dufthäuser. 1989 schließlich gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann ihr eigenes Label und gleich eine der ersten Kreationen aus ihrer Hand, New York, wird von dem renommierten Biophysiker und Parfümkenner Luca Turin als einer der größten Düfte der Parfümgeschichte angesehen.

Ich meine, Patchouli Intense steht New York in nichts nach. Heute als Unisex-Duft deklariert sehe ich vor meinem geistigen Auge eine Trägerin im Abendkleid und Stilettos oder ein Träger im feinen maßgeschneiderten Anzug und rahmengenähten Lederschuhen vor mir. Der Duft passt so wenig zu Turnschuhen und Hoodie wie Kaviar zu Tomatenketchup.

Patchouli Intense eröffnet mit einer Kombination aus Lavendel und einem dickflüssigem Orangenkonzentrat, die dazu führt, dass dem Lavendel die typisch krautig-grüne Note entzogen wird und der Orange, die fruchtig-spritzige Zitruslastigkeit genommen wird. Soll heißen, das weder der Lavendel noch die Orange sich leicht zu erkennen geben, sondern im gemeinsamen Zusammenspiel eine Eigenständigkeit erzeugen, die ich in dieser Form noch nicht gerochen habe. Wann immer es mir schwerfällt einzelne Duftnoten auszumachen und zu sezieren, weiß ich, dass hier hohes Verständnis für die Inhaltsstoffe und künstlerisches Meisterhandwerk zusammenfinden, die einen Profi gleichermaßen begeistern wie einen Laien wie mich.

Ich bin ganz ehrlich, hätte ich einzelne Duftnoten in einem Blindtest ausmachen müssen, hätte ich allenfalls noch die Rosengeranie erkannt. Für mich die männlichste aller Blüten, da sie vielmehr aromatisch-würzig in Erscheinung tritt, als blumig zu sein. Eine vermutete Ähnlichkeit zu Rosendüften weist sie ebenfalls nicht auf, wenngleich auch die Rose hier mit verarbeitet wurde, ohne sich offensiv erkennen zu geben. Und das namensgebende Patchouli? Wie eingangs schon erwähnt, keine Erdigkeit für mich, nichts animalisch-verruchtes und vermutlich mehr Fixateur als eine eigenständige dominante Duftnote zu sein.

Die Zusatzbezeichnung „Intense“ scheint mir gerechtfertigt. Patchouli Intense ist ein kräftiger und ausdauernder Duft, den ich eher auf der maskulinen Seite sehe. Dies verwundert insofern nicht, da der Duft bevor er zur EdP Variante verändert wurde, ursprünglich als Eau de Toilette unter dem Namen „Patchouli Homme“ erschien. Dennoch bin ich mir sicher, dass auch sehr viele Damen an dem Duft Gefallen finden könnten.

Für mich ist der Duft ein Meisterwerk, geschaffen für die großen Momente des Lebens, was mich aber nicht davon abhält, ihn immer wieder auch alleine für mich zu genießen.


24 Antworten
Kovex vor 3 Jahren 33 24
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Haltbarkeit
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Duft
Mitten ins Herz
Manchmal drängt sich einem das Gefühl auf, bestimmte Düfte haben den Weg zu einem gefunden ohne das man je auf der Suche danach war.

Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern wie ich auf Miguel Matos gestoßen bin, vermutlich wie so oft, als Beilage einer netten Duftpost, die mich dazu animierte, ein Probenset der unter seinem Namen erschienen Eigenmarke zu ordern. Das war olfaktorisches Neuland für mich und im besten Sinne kreativ, auch wenn mich kein Duft davon zu einem Kauf animieren konnte.

Kurze Zeit später erschien unter Neuheiten eine Marke hier auf der Startseite unter dem Namen „Der Duft“. Und schon wieder ist Miguel Matos mit zwei Düften mit im Spiel, die ich ebenfalls getestet und mit dem gleichen Ergebnis wie oben eingeschätzt habe. Und kurze Zeit darauf der Kommentar eines von mir sehr geschätzten Parfumos zu einem Duft (in der Extrait-Version), der als Gewinner des "Art and Olfaction Awards 2020“ hervorging. Young Hearts also, von Miguel Matos. Kann das noch Zufall sein?

Miguel Matos zeigt sich auf Instagram als moderner Hipster im besten Mannesalter. Schwarzer Rauschebart, teils skurrile Tätowierungen und strotzend vor Männlichkeitsattributen. Ich hoffe inständig, dass er nicht einer jener Hipster ist, die gleich losheulen, wenn ihnen beim Sport der Schweiß die Anti-Aging-Augencreme von den Lidern vor die Pupille spült, statt ein Bären jagender grimmiger Einsiedler zu sein. Aber Gegensätze können ja reizvoll sein und jaja, ich geb´s ja zu, in meinem Bad steht auch Augencreme ;)

Young Heart gibt es in 3 Versionen. Die hier besprochene EdP Version, ein Extrait, welches derzeit nicht verfügbar zu sein scheint sowie die Pure Essence Variante. Duftölkonzentration und dementsprechend die Preise in aufsteigender Reihenfolge.

Young Hearts EdP startet grün, ungewöhnlich und andersartig. Bereits zu Beginn werden sich die Geister scheiden, die einen werden sich abwenden und fragen „was ist das?“, die Anderen werden verzückt sein „wow, das ist mal was Neues“.
Bei mir macht sich sogleich eine gummiartige Klebstoff-Assoziation breit. Klebstoff in dem wochenlang grüne Blüten und Blätter eingelegt waren. Aromatisierter Klebstoff also, durchdringend, ausdrucksstark, außergewöhnlich. Synthetisch? Nein, aber auch nicht wirklich mit natürlichen mir bekannten Aromen in Verbindung zu bringen. Allenfalls Galbanum könnte ich hier identifizieren. Dass es auch als Gummiharz bezeichnet wird, bekräftigt meine anfängliche Klebstoff-Assoziation.

Auch wenn die Rose hier eine kleine Rolle spielt, würde ich den Duft nicht als blumig ansehen. Vielmehr scheint Eichenmoos jeglicher Art von Süße und Blumigkeit Einhalt zu gebieten. Das Herbe ist aber nicht wie bei vielen Chypre-Düften abweisend oder streng, sondern perfekt austariert. Überhaupt Chypre: laut Webseite soll es sich um eine moderne Interpretation des Themas handeln. Bei einem Blindtest hätte ich vermutlich nicht auf einen Chypre getippt, zu eigenständig und andersartig gibt sich Young Hearts. Also stimmt es doch was dort steht: das ist wirklich eine sehr zeitgemäße Variante des alten Themas. Im weiteren Verlauf beruhigt sich alles ein wenig, wird sanfter, zugänglicher ohne seinen Charakter zu verändern. Eine Entwicklung des Duftes hin zu anderen Duftspektren kann ich nicht feststellen.

Die Projektion ist meines Erachtens perfekt. Young Hearts ist kein Duft, den man für sich alleine trägt. Er wird definitiv auch vom entfernteren Umfeld wahrgenommen ohne dabei überbordend abzustrahlen (umsichtige Dosierung vorausgesetzt). Die Haltbarkeit empfinde ich ebenfalls als sehr zufriedenstellend, Nachsprühen ist hier im Verlaufe eines Arbeitstages nicht von Nöten.

Obwohl meine Duftsammlung ein sehr breites Spektrum meiner verschiedenen Vorlieben abdeckt ist Young Hearts ein Solitär, der hier neue Facetten hinzufügt ohne einem anderen meiner Düfte auch nur im Entferntesten ähnlich zu sein. Nie zuvor habe ich Ähnliches gerochen. Je häufiger ich den Duft trage, desto besser gefällt er mir, die Andersartigkeit wird vertrauter, die Faszination bleibt.

Miguel Matos ist für mich ein Star unter den Parfümeuren. Mit zahlreichen Kreationen in den letzten Jahren ist er ein rühriger Künstler (aktuell 49 Düfte seit 2018), der aktuell Vollgas zu geben scheint. Gerade eben sind erneut 4 weitere Düfte unter seiner Eigenmarke erschienen. Für mich ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Victor Wong von Zoologist und er zusammenfinden, um eine neues Tierchen aufstehen zu lassen. Zumindest würde ich mir das sehr wünschen, folgerichtig fände ich es allemal.
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