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vor 9 Jahren - 27.01.2015
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Des Duftes Farbe

Wenn ich hier in meine Sammlung schaue (also diejenigen Düfte, die ich momentan mein eigen nenne), fällt auf, dass das abgedeckte Farbschema gemessen an dem, was insgesamt an Farben möglich ist, doch eher eingeschränkt ist. Ganz offensichtlich sind es schwarze, braune, graue, beigefarbene, weiße und einige wenige blaugrünliche Düfte, die mich berühren - und ja, in meinem Kleiderschrank und meiner Wohnung sieht es - was farbige Vielfalt angeht - ähnlich aus.

Nun ist es so, dass neben dem Duft selber durchaus auch seine Verpackung und entsprechend unsere Erwartung an deren Inhalt eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Marke, Preis und Merchandising mal außen vor lassend (sofern möglich) ist es vor allem auch die Farbe des Parfums bzw. seiner Darreichung, die uns schon erwarten lässt, wonach es duften wird bzw. lassen wir uns davon nicht schon sehr stark leiten? Ganz grob ist mein Farbeindruck etwa folgender:

schwarz sind zumeist schwere Düfte, die Beschäftigung einfordern oder gar eine Bühne. Oft tragen sie die Farbe Schwarz zusätzlich im Namen, damit auch jeder gleich erkennt: Schwergewicht! Fords Black Orchid ist so ein Kandidat - oder Lutens Serge Noire

graue Düfte signalisieren Ernsthaftigkeit, manchmal auch Distanz zum Träger bzw. seiner Umwelt - oder eine gewisse zur Schau gestellte Indifferenz. Oder es sind 'coole', jüngere Herrendüfte, denn Grau gilt ja als eher männlich. Fords Grey Vetiver ist ein Beispiel für die erste Gattung, Chanels Allure Sport oder Abercrombie & Fitchs Fierce für die zweite.

dunkelblau sind fast immer 'moderne' Herrendüfte mit betont maskulinen oder metallischen Akkorden - Bleu de Chanel ist hier zu nennen. Bei Damendüften wird oft etwas Nächtliches thematisiert, und ob der Dunkelheit sind diese Kandidaten dann auch oft eher schwer, z.B. Diors Midnight Poison oder Goutals Nuit Etoilée

Hellblau hingegen deutet stets auf leichte, oft aquatische Düfte hin - und eine eher jugendliche Zielgruppe. Paco Rabannes Invictus ist ein klassischer Hellblauer - oder Davidoff Cool Water Woman bei den Damendüften

türkisfarbene Düfte sind meist eher leicht und haben in Damen- oder Herrenversion fast immer ein Sommer- oder ein Meeresthema: Kenzo Homme ist hier als Klassiker zu nennen oder Tom Fords Neroli Portofino

Dunkelgrün ist häufig ein Indiz für einen Duft in Richtung Natur oder Wald und kommt gerade bei älteren Kandidaten eher kantig daher - wie bei Van Cleef & Arpels' Tsar oder Paco Rabanne pour Homme. Auch Diors Eau Sauvage bedient klar die Erwartungshaltung an einen dunkelgrünen Duft

Hellgrün hingegen signalisiert Leichtgewichte mit deutlich mehr verspielter Heiterkeit und einer oft grasigen oder blumigen Note: Hermès' Un Jardin sur le Toit gehört zu ersten, Cacharels Eden (gerade noch) zur zweiten Gruppe

Gelb deutet fast immer auf irgendeine Konnotation in Richtung Blumen oder Sonne hin und kommt fast ausschließlich bei Damendüften vor - Elizabeth Ardens Sunflowers etwa. Die wenigen männlichen Kandidaten (wer will einen gelben Duft?) sind hingegen eher klassisch wie z.B. Hugh Parsons Old England

Beige-, Honig- oder Cognacfarben ist eine der häufigsten, da die eigentlich 'natürliche' und damit am schwersten einzuordnende Farbe bei Parfum. Sowohl viele Klassiker sind beige - von Chanel No. 5 bis zu Guerlains Jicky und Mitsouko über Acqua di Parma Colonia und Terre d'Hermès. Oft sind es auch Gourmands oder eher gediegen klassische, zumindest eher 'erwachsene' Düfte, aber ob der reinen Vielzahl scheren hier sehr viele aus

weiße Düfte sind fast ebenso verbreitet und haben oft das Reine oder Unschuldige als Thema, viele experimentelle 'ungewöhnliche' Düfte sind dabei, aber ebenso krautige Klassiker und natürlich all die weißen Blüten: Olfactive Studios Lumière Blanche wäre zu nennen, Penhaligon's Racquets Formula und Fords White Patchouli - drei sehr unterschiedliche Kandidaten

hellrosa sind - wer hätte das gedacht? - fast ausschließlich Düfte für jüngere Frauen. Häufig ausgesprochen süß, manchmal fruchtig, manchmal eher blumig - Lancômes Trésor und Viktor & Rolfs Flowerbomb seien stellvertretend genannt

pink sind immer noch (fast) ausschließlich die Damen, wenngleich - analog der Farbigkeit - kräftigere Vertreter, oftmals noch blumiger oder süßer, manche nachgerade schrill: Bond No. 9's Chinatown ist hier aufzuführen oder die rosa Serie von Montale

Orange deutet häufig auf Heiterkeit hin und richtet sich zumeist ans etwas jüngere Publikum, z.B. Cliniques Happy for Men - oder aber sie sind duftig-blumig wie Chopards Mira Bai.

rote Düfte verlangen nach Aufmerksamkeit, auch sie sind häufig ausgesprochen süß oder auch 'laut', doch finden sich hier auch einige Klassiker wie Diors Poison oder auch ungewöhnliche Kandidaten wie Miyakes Feu d'Issey. Auch hier ein deutliches Übergewicht der Damendüfte, Diors Fahrenheit zum Trotz

violette Düfte signalisieren Sinnlichkeit und oftmals Reife - oder es sind solche, die roten Beeren thematisieren - Fords Velvet Orchid fällt mir als naheliegend ein - oder viele von Lolita Lempicka. Immer noch eher Damen

braune Düfte sind mir persönlich fast die liebsten, was daran liegen mag, dass wir hier wieder deutlich eher Richtung Männer gehen - und die Grenze zu den Cognac- oder Beigefarbenen auch fließend ist. Viele Fougères sind braun, dazu etliche kraftvolle Gourmands und viele meiner heißgeliebten Holzigen und Harzigen. Laliques Encre Noire mag hier (dem Namen zum Trotz) als typisch gelten oder Tom Fords London. Damendüfte sind oft ausgesprochen charaktervoll, wenn sie braun sind, z.B. Estee Lauders Youth Dew

Gold deutet auf Luxus und Gediegenheit hin - oder es spielt ausdrücklich damit und ist bewusst extrem Bling-Bling. Die Spanne reicht hier entsprechend von Atkinsons' Oud Save the Queen bzw. King bis hin zu Paco Rabannes immer wieder gern zitiertem 1 Million

Silber ist demgegenüber deutlich cooler: metallisch oftmals - oder auch ätherisch-kühl. Die Infusion-Serie von Prada ist hier ein Beispiel oder viele der helleren Montales. Silber ist jedoch schon so 'neutral', dass - ähnlich wie bei Beige - eine Zuordnung schwerer fällt

bunte Düfte sind i.d.R. genau das: bunt! Sehr farbenfrohe Düfte (und hier ist es immer der Flakon, die Flüssigkeit selber ist ja meistens klar) signalisieren Heiterkeit oder auch eine gewisse Schrillheit - Bond No's 9's Brooklyn ist so ein Kandidat und viele der Sommerdüfte von Escada

Dies ist sicherlich stark vereinfacht, und jedem hier fallen zweifellos spontan zehn Düfte ein, bei denen die Farbzuordnung nicht stimmt - das macht es dann ja oftmals gerade spannend! Gerade die, die ausscheren - Saint-Laurents Kouros ist ein weißer Duft, der eigentlich rotbraun sein müsste, oder Muglers Angel, der kein bisschen blau, sondern sahnig beige 'riecht' - überraschen (oder verstören) oft am meisten. Nichts an Nasomattos Duro ist orange - dunkelgraugrün müsste der sein!

Und in der Nische ist es ja oft üblich, dass ein 'Einheitsflakon' verwendet wird, bei Kurkdjian, Frédéric Malle, bei Tom Ford, Annick Goutal und The Different Company - um nur wenige zu nennen - in dem dann von Petite Chérie (Rosa oder Weiß) bis zu Tuscan Leather (Dunkelgrau) alles Mögliche abgefüllt sein kann.

Ich persönlich habe - neben den Nischendüften, deren Flakons ich oft sehr mag - eine gewisse Erwartbarkeit eigentlich ganz gerne. Um Düfte aus dem Spektrum Gelb/Orange/Rot/Rosa/Violett mache ich z.B. einen großen Bogen, und bei Schwarz und Braun liege ich oftmals ziemlich gut.

Wie mögt Ihr es lieber - Parfumfarbe als Instrument des Erwartungsmanagements oder lieber entkoppelt und dann Überraschung pur?

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