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Fougère - eine Gender-Angelegenheit

Fougère - eine Gender-Angelegenheit vor 11 Jahren
Drseid veröffentlichte kürzlich einen Review zu Penhaligon's "English Fern" auf Parfumo International unter dem Titel: "This can't be the original formula". Zu diesem Schluss kommt er weil das, was er roch, ihm amateurhaft vorkam und seinen Erwartungen an einen klassischen Duft von 1910 widersprach.

Die Vermutung ist naheliegend, dass ein klassischer Akkord, der die Zeiten überdauerte, einfach genial zu sein hat, eine hochgradig verfeinerte Komposition von herausragender Schönheit und Eleganz. "Wenn Gott Farnen einen Geruch mitgegeben hätte, so würden sie nach Fougère Royal duften" - dieser berümte Ausspruch, den man Paul Parquet zuschreibt, mag ebenfalls solche Erwartungen stützen.

Nur wenige Menschen können uns Auskunft darüber geben, wie Paul Parquet's "Fougère Royale" von 1882 gerochen haben könnte. Überreste verwahrt die Osmothéque in ihren geheimen Verliesen in Versailles. Man lud Luca Turin ein, Fougère Royale kennen zu lernen, und in "The Secret of Scent" berichtet er seine Eindrücke. Ihn erinnerte es an Badezimmer: geschrubbte schwarzweiße Fliesen, feuchte Handtücher und fäkale Aromen - "somebody else's shit". Auch wenn das Effekthascherei sein sollte – in gewisser Weise kann ich diese Eindrücke mit meinen eigenen Fougère-Erfahrungen in Übereinstimmung bringen.

Ich hatte Gelegenheit, die eingestellten "Buckingham" und "Crown Fougère" von Crown Perfumery zu testen, ebenso das noch erhältliche "Fougère" von Harry Lehmann. Diese drei Düfte gaben mir eine Idee davon, wie der klassische Fougère-Akkord typischerweise gerochen haben müsste.

Die Bezeichnung Fougère ist weit verbreitet. Im weitesten Sinne kann man alles mögliche damit bezeichnen, was krautige Noten hat und nicht komplett orientalisch riecht. Von dieser Bedeutung, nach der sogar das vanillige Jicky von Guerlain ein Fougère ist, soll hier nicht die Rede sein. Es geht um jenen Akkord, der im Kern aus Lavendel, Eichenmoos und Cumarin bestehen soll.

Ich nahm in den klassischen Fougères vor allem eine krautige Würze wahr, in der geruchlichen Nachbarschaft von Aromen wie Fenchel, Sellerie, Anis und Eukalyptus. Es gibt eine Verbindung zur Vorstellung von staubigen Stoffballen, von Appretur und der Idee des Herrensakkos – in der Tat ein Hinweis auf maskuline Eleganz.

Aber schön ist der klassische Fougère-Akkord nicht, er hat auch etwas abstoßendes. Zuviel davon, und es kann einem blümerant werden, vielleicht bedingt durch einen exzessiven Einsatz von Cumarin. Die Schärfe, die in ihm auch enthalten ist, kann richtig weh tun. Meine Vermutung: Fougère sollte auch wehtun!

An irgendeinem Punkt der Vergangenheit wurde der Gebrauch von Parfum immer mehr zu einer Sache der Damen. Sich mit schönen Düften zu umgeben, galt plötzlich als feminin, und männliche Parfumliebhaber erweckten Verdacht. Noch heute werden die lieblichsten Blumendüfte als Damendüfte verkauft. Machos in vielen Gesellschaften lehnen den Gebrauch von Parfum sowieso kategorisch ab, es gilt ihnen als unmännlich. Und auf Sex-Parties der Gay Communities überall auf diesem Planeten wird denen der Einlass verwehrt, die noch nach etwas anderem riechen als Männerschweiß.

Ich sehe Fougère als eine Erscheinung in der Geschichte der Geschlechtsidentitäten- und Rollen. Wenn die schönen Düfte nur was für Frauen sind, für effiminierte Männer und verzärtelte Jungs, dann muss Duft weh tun um überhaupt als Parfum akzeptiert zu werden. Das ist reiner Masochismus: Männer bestrafen sich für den Gebrauch von Parfum. Duft zu genießen geht in diesem Fall nur, wenn man gleichzeitig zeigt, dass man Schmerz aushalten kann. Aus diesem Grund haben wir After Shave.

Das Aufbringen einer scharfen alkoholischen Chemikalie auf frisch rasierte Haut kann ziemlich brennen. Und was ist aus medizinischer Sicht tatsächlich von der Rechtfertigung zu halten, man müsse die Läsionen der Rasur desinfizieren? Ist es so gesehen nicht schon etwas peinlich, wenn jemand nur ein After Shave benutzt, aber kein Eau de Toilette?

Zählen wir 2 und 2 zusammen: masochistischer Duftgebrauch plus Turins Eindruck, dass Fougère Royale etwas mit Toiletten zu tun hat – konnte da der Erfolg ausbleiben?

Wollte man eine Geschichte der Parfumkunst unter dem Aspekt der Entwicklung von Gender schreiben – mit Paul Parquets Fougère Royale müsste sie wohl beginnen. Es ist eine gute Sache dass die heute so populären orientalischen Herrendüfte im Stil von Le Mâle oder One Million diesen Masochismus nicht mehr bedienen.

Ich bin noch lange nicht durch mit dem Fougère-Akkord. Ist sein Gebrauch reaktionär? Oder gibt es eine Möglichkeit, den Masochismus der Vergangenheit in etwas anderes zu verwandeln?

Eine ganze Reihe von Neuerscheinungen der letzten Jahre beinhalteten den klassischen Fougère-Akkord. Diese neuen Fougères sind anders. Gemeinsam ist ihnen der Versuch, den Schmerz zu verbergen, was mal mehr, mal weniger gut gelingt. Geblieben ist eine gewisse Abgeklärtheit, die entspannte Einsicht, dass ein Akkord sich nicht unmittelbar der Idee der Schönheit unterwerfen muss um Eleganz hervorrufen zu können.

Findet es selber heraus, hier ist eine Übersicht:

#1 "Tina Farina Charme - Stier for Men"
Auf der frischen Seite, mit erbärmlicher Haltbarkeit. Meine Nummer 1, denn dieser Duft verblasst, bevor der Schmerz kommt.

#2 "Fougère" von Harry Lehmann
Vermutlich recht nahe am historischen Fougère-Gebrauch und noch erhältlich.

#3 "MPH" von Washington Tremlett
Nettes Fougère mit Betonung des Lavendels, der als solcher wahrnehmbar ist.

#4 "Sartorial" von Penhaligon's
Betont den textilen Aspekt des Fougère-Akkords und trägt den Bezug zur Schneiderwerkstatt daher schon im Namen.

#5 "Jaques Zolty"
Vielleicht ein wenig opulent aber sehr fougère.

#6 "Fougère Royale" von Houbigant
Vermutlich komplett reformulierte Wiederauflage des historischen Dufts von Paul Parquet. Sehr stylisher Flakon, ein modernisiertes und verfeinertes Fougère. Die leichte, elegante Aura betrügt uns – diese Cumarin-Bombe macht irgendwann blümerant. Die Eau de Parfum Stärke ist zuviel des Guten.

#7 "Vétiver de Frédéric" von Frédéric Haldiman
Großartiges klassisches Vetiver mit einem wahrnehmbaren Touch klassischem Fougère. Leider eingestellt.

#8 "Buckingham" und "Crown Fougère" von Crown Perfumery
Eine authentische Erfahrung – wenn man sie denn noch findet.

Leider habe ich English Fern noch nicht getestet – und kann daher Drseids Einduck weder bestätigen noch widersprechen.
vor 11 Jahren
Guter Artikel! Ich finde allerdings, dass folgende 4 Düfte noch in deine Liste rein gehören:

"Cool Water"
"Green Irish Tweed"
"Invasion Barbare"
"Kouros"

Ich denke mal vor allem letzterer erfüllt dein Schmerz-Kriterium ziemlich locker. Selbst die reformulierte Version tut das, aber nicht, weil sie animalisch ist, sondern eher weil sie übertrieben sauber riecht, wie ein frisch geputztes Bad, in dem dich die Desinfektions- und Reinigungsmittel noch in der Nase beißen.

"Invasion Barbare" ist für mich momentan der König aller Fougeres. Hier sehe ich den "Schmerz" in der Kopfnote. Wenn ich IB frisch aufsprühe, muss ich immer abartig husten, weil irgendwas drin ist, was mir wie Pfeffer in der Nase und den Atemwegen kratzt/juckt.
vor 11 Jahren
Adan:
Guter Artikel! Ich finde allerdings, dass folgende 4 Düfte noch in deine Liste rein gehören:

"Cool Water"
"Green Irish Tweed"
"Invasion Barbare"
"Kouros"

Ich denke mal vor allem letzterer erfüllt dein Schmerz-Kriterium ziemlich locker. Selbst die reformulierte Version tut das, aber nicht, weil sie animalisch ist, sondern eher weil sie übertrieben sauber riecht, wie ein frisch geputztes Bad, in dem dich die Desinfektions- und Reinigungsmittel noch in der Nase beißen.

"Invasion Barbare" ist für mich momentan der König aller Fougeres. Hier sehe ich den "Schmerz" in der Kopfnote. Wenn ich IB frisch aufsprühe, muss ich immer abartig husten, weil irgendwas drin ist, was mir wie Pfeffer in der Nase und den Atemwegen kratzt/juckt.

Nein, Adan, da muss ich Dir widersprechen. Mir geht es in diesem Artikel ausschließlich um den klassischen Fougère Akkord, wie er 1882 von Paul Parquet erfunden wurde und in den folgenden Jahrzehnten als Standard (ähnlich wie Coty's Chypre) Einzug in die allgemeine Parfumkunst hielt.

Kouros ist ein Aromatic Fougère, eine ganz eigene Gruppe, die sich durch kräftige Noten, Opulenz und andere Formen von Krautigkeit auszeichnet.

Invasion Barbare würde ich mit Moschus und Vanille eindeutig als Orientalen sehen, außerdem scheint dieser Duft an eine traditionelle Duftrichtung der arabischen Parfümerie angelehnt zu sein. Dass er bei Dir kratzt und juckt, scheint ehere auf eine Unverträglichkeit hinzudeuten.

Green Irish Tweed und Cool Water könnte man vielleicht als Fougère im weitesten Wortsinn auffassen.

Vielleicht könnte man die 4 Düfte alle als irgendwie krautig bezeichnen, sie enthalten aber gerade nicht den typischen Farn-Akkord.

Ich spreche in dem Beitrag ausschließlich über Düfte, die sich auf das klassische Fougère Royale beziehen.
vor 11 Jahren
Ihr wollt Schmerz, Ihr bekommt Schmerz Smile

Interessanter Artikel. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum für meine doch recht aufgeschlossene weibliche Nase ein Fougère einfach nicht in Frage kommt (für mich selbst).
Mir stellt sich auch die Frage, warum man als Chypre-Trägerin nicht automatisch irgendwann einen Schritt weitergeht und Fougères trägt ? Zumindest habe ich von einer solchen "Entwicklung" noch nie gelesen oder gehört.
vor 11 Jahren
"Fougère" ist definitiv eine Gender-Angelegenheit.

Aber was ist denn "Fougère"? Tatsächlich der bestimmte "klassische" Akkord, den du da ausgemacht hast, oder doch vielmehr ein (nicht erst heute?) sehr variables Konzept - auch "Le Male" hat da deutliche Bezüge. Genau wie "Invasion Barbare". Und unendlich viele andere Düfte. Man könnte sogar sagen, dass - wenigstens in der jüngeren Vergangenheit - jede Epoche seinen "Fougère" hatte, oder? Da gab es die aromatischen, die frischen und inzwischen die orientalischen. In diesen Düften ist "Fougère" oft das einzige, was sie tatsächlich "maskulin" macht.

Ich will sagen: Man muss das nicht so dogmatisch sehen, finde ich. Vielleicht verstehe ich dich an der Stelle aber auch falsch.

Teste doch mal "Equisetum" von Pell Wall Perfumes, vielleicht findest du da auch 'nen klassischen - ich kenn' mich da nicht so aus, aber es hat weh getan. Wink
vor 11 Jahren
Dannyboy:
"Fougère" ist definitiv eine Gender-Angelegenheit.

Aber was ist denn "Fougère"? Tatsächlich der bestimmte "klassische" Akkord, den du da ausgemacht hast, oder doch vielmehr ein (nicht erst heute?) sehr variables Konzept - auch "Le Male" hat da deutliche Bezüge. Genau wie "Invasion Barbare". Und unendlich viele andere Düfte. Man könnte sogar sagen, dass - wenigstens in der jüngeren Vergangenheit - jede Epoche seinen "Fougère" hatte, oder? Da gab es die aromatischen, die frischen und inzwischen die orientalischen. In diesen Düften ist "Fougère" oft das einzige, was sie tatsächlich "maskulin" macht.

Ich will sagen: Man muss das nicht so dogmatisch sehen, finde ich. Vielleicht verstehe ich dich an der Stelle aber auch falsch.

Teste doch mal "Equisetum" von Pell Wall Perfumes, vielleicht findest du da auch 'nen klassischen - ich kenn' mich da nicht so aus, aber es hat weh getan. Wink

Ja, Dannyboy, es ist verwirrend! Der Begriff Fougère wurde im Laufe der Zeit weiter entwickelt und kann heute sehr vieles bezeichnen - er wurde so verwässert, dass es mir schwer fällt, mir darunter noch etwas bestimmtes vorzustellen.

Deshalb spreche ich von Fougère-Akkord, Farn-Akkord, klassischem Fougère oder Fougère im engeren Sinne wenn ich Düfte meine, die an den usprünglichen Akkord anknüpfen könnten.

Fougère ist, wenn's weh tut, wäre sicher zu sehr verallgemeinert.
vor 11 Jahren
Danke für diesen schönen Artikel (und die sich daraus entwickelnde Diskussion). Mehr kann ich momentan nicht dazu schreiben; nennen wir diese Zeilen einfach meinen Thread-Abo-Beitrag. Smile

Aber ein Danke nun doch noch; nämlich das für den Hinweis auf Harry Lehmann; dessen "Interpretation" oder auch "Versuch des Anknüpfens" musste ich gleich mal bestellen, nachdem ich mir heute zufälligerweise (wirklich) "Fougère Royale" von Houbigant an den Hals sprühte...

VG
Phalaris
vor 11 Jahren
Ich bevorzuge die pragmatische Dreiteilung des H&R Duftatlas: Fougère - orientalisch - Chypre. (Bei den Damen ist es blumig - orientalisch - Chypre.) Dadurch landen sicherlich einige Düfte im Fougère-Bereich, denen der ganz klassische Akkord fehlt; der Übergang zu orientalisch ist jedenfalls fließend. "Zino", "Minotaure", "Allure Homme" oder "Brut" sind beispielsweise noch im halborientalischen Fougère-Bereich angesiedelt, "Joop! Homme", "Obsession for Men" oder "Lagerfeld Classic" hingegen gelten als orientalisch-ambriert.
vor 11 Jahren
Apicius:
Fougère ist, wenn's weh tut, wäre sicher zu sehr verallgemeinert.

Äh... ja, das war schon klar. Aber doppelt hält natürlich besser. Wink

Ich stelle mir das ähnlich wie bei den Chypres vor. Die Essenz dessen, was einen Chypre ausmacht, findet man (mal mehr, mal weniger deutlich) nicht nur bei Cotys "Chypre". Und die Grenzen sind, wie Fleurissimo sagt, fließend. "Fougère Royale" (2010) z.B. wird z.T. als aromatischer Fougère eingestuft, das würdest du wohl mit Blick auf das oben Gesagte nicht unterschreiben. Andere würden vielleicht die orientalischen Aspekte in der Basis betonen und den Duft entsprechend einordnen.

Und dann gibt's da noch die Frage, inwiefern IFRA & Co. einen "reinrassigen", möglichst ursprünglichen Farn-Akkord durch Beschränkungen nicht eh längst begraben haben. Das vermag ich nicht zu beurteilen.
vor 11 Jahren
Interessante & provokante These, überzeugt mich aber nicht Wink
Fougère sollte nicht weh tun, sondern unauffällig, sauber und frisch duften. Nicht zufällig war Fougère Royale zunächst mal als funktionales Parfüm gedacht - für Seife, und hat dort jahrzehntelange Erinnerungsspuren eingefräst. Seife riecht nach Fougère, daher riecht Fougère nach Seife, bzw. Badezimmer & Körperhygiene.
Dass ein als Damenduft konzipiertes Gerüst aus Lavendel - Cumarin - Moos zum definitiven Herrenenre wurde hat sicherlich etwas mit Gender zu tun, also dem Bedürfnis nach Parfüms für Herren, die olfaktorisch eng an die Rasur- und Pflegetradition angelehnt sind (Lavendel - frisch- grün)und möglichst fern von floralen/sinnlichen/femininen Assoziationen. Wobei man gleichzeitig nicht vergessen darf, wie wichtig Veilchen, Rosen und Jasmin auch in "Herrendüften" waren und sind. Ich sage nur Hammam Bouquet (Penhaligon's erster Duft) oder Ajaccio Violets (Trumper).
Es hat sicherlich Reformulierungen gegeben, aber Trumper's Wild Fern, Crown's Fougère und Penhaligon's English Fern geben zusammen, denke ich, immer noch einen guten Eindruck vom Ur-Fougère Stil und ich trage solche Anachronismen gerne und finde sie olfaktorisch sogar durchaus angenehm (Miller et Bertaux Spiritus/Land ist übrigens eine gelungene moderne Variante). Jedenfalls farn von (kleiner Witz Very Happy) Masochismus oder Latrine.
vor 11 Jahren
DasguteLeben:
Interessante & provokante These, überzeugt mich aber nicht Wink
Fougère sollte nicht weh tun, sondern unauffällig, sauber und frisch duften. Nicht zufällig war Fougère Royale zunächst mal als funktionales Parfüm gedacht - für Seife, und hat dort jahrzehntelange Erinnerungsspuren eingefräst. Seife riecht nach Fougère, daher riecht Fougère nach Seife, bzw. Badezimmer & Körperhygiene.
Dass ein als Damenduft konzipiertes Gerüst aus Lavendel - Cumarin - Moos zum definitiven Herrenenre wurde hat sicherlich etwas mit Gender zu tun, also dem Bedürfnis nach Parfüms für Herren, die olfaktorisch eng an die Rasur- und Pflegetradition angelehnt sind (Lavendel - frisch- grün)und möglichst fern von floralen/sinnlichen/femininen Assoziationen. Wobei man gleichzeitig nicht vergessen darf, wie wichtig Veilchen, Rosen und Jasmin auch in "Herrendüften" waren und sind. Ich sage nur Hammam Bouquet (Penhaligon's erster Duft) oder Ajaccio Violets (Trumper).
Es hat sicherlich Reformulierungen gegeben, aber Trumper's Wild Fern, Crown's Fougère und Penhaligon's English Fern geben zusammen, denke ich, immer noch einen guten Eindruck vom Ur-Fougère Stil und ich trage solche Anachronismen gerne und finde sie olfaktorisch sogar durchaus angenehm (Miller et Bertaux Spiritus/Land ist übrigens eine gelungene moderne Variante). Jedenfalls farn von (kleiner Witz Very Happy) Masochismus oder Latrine.
Ja, ich hatte auch ein wenig auf Widerspruch gehofft Wink. Schließlich steht schon der Ausgangspunkt meiner Vermutung, nämlich dass die frühen Fougères regelrecht weh taten, auf nicht besonders kräftigen Beinen.

Im Prinzip müsste man hier so etwas wie Duft-Archäologie betreiben. Ich stütze meine Vermutung auf die im Eingangspost genannten 3 Fougères, die mir alle als ziemlich rauh und scharf in Erinnerung sind - zu scharf um wirklich 'schön' im herkömmlichen Sinne zu sein.

Wie auch immer, die Nähe des klassischen Fougère zu den Themen Badezimmer und Hygiene, die Du auch siehst, hat dann auf jeden Fall auch ein Bedürfnis angesprochen, das heute noch genauso aktuell ist, aber mit anderen Düften befriedigt wird.

Wir bekommen das nicht wieder. Drseid hat mitgeteilt, er habe sich eine Probe Vintage Fougère Royale bestellt. Tatsächlich wird vereinzelt noch etwas angeboten, was zumindest einige Jahrzehnte alt sein dürfte. Bin gespannt auf seinen Bericht.
vor 11 Jahren
DasguteLeben:
Interessante & provokante These, überzeugt mich aber nicht Wink
Fougère sollte nicht weh tun, sondern unauffällig, sauber und frisch duften. Nicht zufällig war Fougère Royale zunächst mal als funktionales Parfüm gedacht - für Seife, und hat dort jahrzehntelange Erinnerungsspuren eingefräst. Seife riecht nach Fougère, daher riecht Fougère nach Seife, bzw. Badezimmer & Körperhygiene.

+1

Auch ich finde Apicius These sehr interessant, obwohl ich bisher nie einen Zusammenhang zwischen Fougère-Düften (klassischen wie aromatischen oder modernen aquatischen) und schmerzhaftem After-Shave-Splashing nach der Rasur gesehen habe. Aber vielleicht gibt es ihn ja tatsächlich.
Für mich jedenfalls war ein Fougère-Duft fast immer mit der Assoziation Seife/Rasierschaum/Friseur besetzt. Vorallem die klassischen Fougères erwecken in mir diese Bilder, wobei man bei dieser Duftgattung durchaus auch deutliche Unterschiede ausmachen kann: manche, vorallem solche aus Großbritannien, bewegen sich stark in Richtung Lavendel-Soliflor, betonen die würzige, krautige Seite des Lavendel-Coumarin-Eichenmoos-Gerüstes, während andere wiederum, vorallem die französischen, eher die pudrigen-vanilleartigen Aspekte des Coumarins betonen (stellvertretend seien "Mouchoir de Monsieur" und "Zizanie" genannt).
Sehr unterschiedlich wurde um die Jahrhundertwende bis weit in die 20er Jahre hinein auch der Gebrauch animalischer Facetten gehandhabt: englische Fougères wie der gleichnamige Duft von Crown (ich habe noch eine kleine Probe von ihm), Penhaligon`s "English Fern" und viele andere, zeichnen sich in keiner Weise durch einen auffallenden Gebrauch von Zibet&co. aus, während französische damit regelrecht prunken (wiederum "Mouchoir de Monsieur", "Zizanie", aber scheinbar auch Houbigants "Fougère Royale", wie jene berichten, die es in der Osmotheque geschnuppert haben).

Vicotria von Boisdejasmin schreibt z.B. über das moderne "Fougère Royale":
"Fougère Royale has recently been relaunched and reochestrated by Givaudan perfumer Rodrigo Flores-Roux. I had a chance to compare it against the original version restored by the Osmothèque perfume conservatory. The new Fougère Royale is certainly a very good reorchestration, preserving the main elements that gave Fougère Royale its character; however, it is paler and thinner overall, with the most significant difference being in the animalic notes. It also has a stronger accent on the moss and amber accord than does the original Fougère Royale. Guerlain Mouchoir de Monsieur (1904) is another fragrance that gives a good impression of the original Fougère Royale, since it was heavily influenced by it."

Beide klassischen Richtungen, die eher krautig-würzige und die eher pudrig-animalische werden heute nach meiner Einschätzung sehr häufig als überaus altmodisch empfunden, wenn nicht gar mit Begriffen wie Altherren-Parfums geschmäht. Dass dennoch einige von ihnen die Zeiten überdauert haben, ist vermutlich eher ihrem legendären Ruf geschuldet, als einer vermeintlichen Vielzahl von Käufern.
Und natürlich riechen die wenigen Überlebenden heute anders: "Mouchoir de Monsieur" hat in den letzten Jahren einiges an Zibet eingebüßt, dem neuen "Fougère Royale" wurden offenbar die tierischen Anteile weitgehend entzogen, die Produktion von "Zizanie" komplett eingestellt, ebenso die von Crowns "Fougère", und auch an den anderen "Ferns" dürften die notwendigen Reformulierungen nicht spurlos vorbeigegangen sein.

Zum Glück aber gibt es heute wieder Bestrebungen das uralte Fougère-Konstrukt mit neuem Leben zu erfüllen - Penaligon´s "Sartorial", "Invasion Barbare" von Parfums MDCI, Yves-Saint Laurents "Rive Gauche pour Homme", Patricia de Nicolai´s "Nicolaï pour Homme" oder "1725 - Casanova" von Histoires de Parfums sind meines Erachtens gelungene Beispiele einer versuchten Wiedererweckung. Natürlich halten sie sich nicht sklavisch an das Ur-Konzept, sondern interpretieren es neu und mitunter auch recht frei.
Zuletzt bearbeitet von Profumo am 06.01.2013, 22:31, insgesamt 2-mal bearbeitet
vor 11 Jahren
Jetzt verstehe ich. Von "Mouchoir de Monsieur" von Guerlain dachte ich anfangs "Ey, das müsste eher Jicky pour Homme heißen!". Hat mir sehr gut gefallen, hat nach einiger Zeit allerdings etwas muffig gerochen, ein bisschen nach Furz oder nach schlechtem Mundgeruch.
Diese Schmutzigkeit fehlt dem neuen "Fougère Royale". Aber es hilft mir bei der Vorstellung, wie das alte gewesen sein müsste.

Danke!
vor 11 Jahren
[quote="Apicius
Wie auch immer, die Nähe des klassischen Fougère zu den Themen Badezimmer und Hygiene, die Du auch siehst, hat dann auf jeden Fall auch ein Bedürfnis angesprochen, das heute noch genauso aktuell ist, aber mit anderen Düften befriedigt wird.

Wir bekommen das nicht wieder. Drseid hat mitgeteilt, er habe sich eine Probe Vintage Fougère Royale bestellt. Tatsächlich wird vereinzelt noch etwas angeboten, was zumindest einige Jahrzehnte alt sein dürfte. Bin gespannt auf seinen Bericht.

Diesen Schritt habe ich auch gemacht. Heute ist die 1,5ml Sprüh-Probe bei mir eingetroffen.

Seit zwei Stunden schnüffel ich abwechselnd am linken Handrücken (die moderne Variante) und am rechten Handrücken (der Vintage-Duft).

Ich kann kaum eine Gemeinsamkeit zwischen beiden herstellen - oder anders gesagt, dass was sie unterscheidet finde ich so deutlich, dass für mich mögliche gemeinsame Gene nicht mehr ausschlaggebend sind.

Den Vintage-Duft habe ich mir deutlich antiquierter vorgestellt. Natürlich merkt man ihm das Zeitalter an, in dem er geschaffen wurde, ich würde seine Wirkung und Anmutung auf mich mit der von Panhaligon's Blenheim Bouquet vergleichen, auch wenn das eine ganz andere Duftgattung ist.

Die "Badezimmernote" ist beim Vintage-Duft deutlich ausgeprägt und beim modernen Fougere Royal für mich nicht erkennbar.
Das ist ein Badezimmer in dem die olfaktorischen Spuren der Körperpflege erkennbar sind. Seife, ja! Aber eher eine unaufdringliche, leicht pudrig cremige Seife - also ohne florale Noten, aber durchaus mit einem "Frischekick". Etwas indolisches kann ich auch erkennen. Es blitzt zwischendurch leicht auf und bleibt für mich jenseits unappetitlicher Assoziationen. Es entwickenlt sich bei mir das Bild eines gepflegten und stilvollen Badezimmers das gerade benutzt worden ist.

Ich frage mich, wo hier der Farn und das Grüne ist. Mit der Zeit kommt er dann durch. Ich hätte hier knarzig krautiges Grün erwartet und bin angenehm überrascht. Die Krautigkeit hat schon eine gewisse "Kante", die mir aber durchaus als Gegenpol zum milden Seifenanteil willkommen ist und verhindert, dass der Duft in die Seifenecke abkippt.

Vielleicht hat man hier beim modernen Fougere Royal aufgesetzt. Dieser hat für mich ein bizzelndes fast aquatisches Grün. Die Waldmeisterassoziation in Sysiphos Kommentar finde ich treffend.

Im historischen Fougere Royal müssen Gewürze enthalten sein, Zimt vielleicht, denn hier reiche ich jetzt eine Gemeinsamkeit mit der modernen Variante, in der ich eine deutlich rundere Zimtnote ausmache.

Ich bin mit meinem Vergleich noch nicht durch. An einem anderen Tag und zu einer anderen Zeit werde ich sicher noch weitere Eindrücke sammeln können. So viel möchte ich aber als ein Zwischenfazit schreiben:

Ich finde, es gibt antiquierter wirkende Düfte, als diese Probe des historischen Fougere Royal. Die moderne Variante ist runder, weicher, aquatischer und weniger krautig, besser gesagt anders krautig. Ich mag den modernen Duft aber im Vergleich zum historischen Vorbild hängt er irgendwie so konturlos wie "ein Schluck Wasser in der Kurve" in der Luft.
vor 11 Jahren
Kouros tut zwar auch weh ist aber ein übler Stinker im engeren Sinne - dagegen sind die ganzen angelsächsischen Krautbomben nettester Kindergeburtstag bei McDonalds...

Ich hab die Fougère-Definition immer relativ eng gesehen: English Fern und Konsorten; wobei ich den nicht übel und auch nicht sonderlich brutal fand...
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