Adagietto

Adagietto

Rezensionen
1 - 5 von 8
Konzept vs. Erwartungen
Nischendüfte werden häufig mit Erwartungen überfrachtet: Sie sollen nicht nur absolut Einzigartig sein, zu jeder Zeit außergewöhnlich hochwertig wirken und daneben noch problemlos für alltägliches Tragen geeignet sein. Sie sollen vielmehr auch „künstlerisch“ anspruchsvoll und konsequent umgesetzt sein, was in der Praxis dann häufig auf „Konzeptdüfte“ hinausläuft: Düfte die nicht einfach nur z.B. elegant-holzig, frisch oder warm-orientalisch riechen sollen, sondern die eine ganz bestimmte Szenerie, ein ganz bestimmtes Bild wiedergeben sollen.

La Liturgie des Heures (ein sehr passender Name) soll die Szenerie eines Klosters in mediterraner Landschaft einfangen. Damit unterscheidet er sich vom Ansatz her deutlich von Düften wie Cardinal, Avignon & co, die ein deutlich abstrakteres Konzept haben und eher allgemein das Thema Weihrauch bzw. Kirche behandeln.
Bisher ist mir noch kein Duft begegnet, der sein auf dem Papier entworfenes Konzept so konsequent umsetzt wie La Liturgie des Heures. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, scheint er die Erwartungen hier nicht gänzlich erfüllen zu können.

Dass die Kopfnote hier meist nur als Randnotiz angesprochen wird, wundert mich etwas: Der Duft eröffnet mit einer so brachialen Zypressennote, das ich beim ersten Test zunächst das Bedürfnis hatte ihn abzuwaschen. Die Zypresse erscheint enorm intensiv grün und bitter und wirkt dadurch eher unnatürlich, wenn auch nicht synthetisch.

Zum Glück wird diese Kopfnote schnell sanfter und eine weich-harzige und balsamische Weihrauchnote tritt hinzu. Diese wird von Beginn an von einer leicht bitteren, wachsartigen Myrrhe begleitet, die zügig die Oberhand gewinnt. In der Tat ist La Liturgie des Heures für mich nicht in erster Linie ein Weihrauchduft. Während in der Herznote die beschriebenen Myrrhe dominiert, kommt mit der Zeit eine deutlich Note von süßlich-harzig-erdigem Labdanum hinzu, die den Drydown des Duftes dominiert und zum Ende hin fast etwas monothematisch wird.
Die Herznote birgt allerdings eine Besonderheit: Ich nehme hier deutlich erkennbar den Geruch von brennenden bzw. gerade ausgeblasenen Kerzen wahr. Ob dies unter die hier gelistete Note „Räucherwerk“ fallen soll, lasse ich mal offen. Für mich ist diese Note jedenfalls unverkennbar vorhanden.

Patchouli und Moschus nehme ich hingegen kaum bis gar nicht war, stattdessen dominiert in der Basis das besagte Labdanum.

Mir scheint, als würden die hier aufgeführten Duftnoten einige Rezensenten einen Weihrauchduft wie Cardinal oder Avignon erwarten lassen. Wenn man La Liturgie des Heures mit solchen Düften vergleicht, wirkt er in der Tat weniger strahlend und hell, sondern erdiger, dunkler, rauchiger. Diese Erwartung wird dem Duft allerdings nicht ganz gerecht: Hier wird stattdessen so konsequent wie sonst fast nirgendwo das Duftkonzept (Kloster in mediterraner Landschaft) umgesetzt: Zypressen im Auftakt, wachsartige Myrrhe und Kerzengeruch im Herz und in der Basis erinnert Labdanum an die Zistrosen in der Umgebung. Gerade diese Konsequenz wird dem Duft allerdings in meiner Wahrnehmung ein wenig zum Verhängnis und zeigt sinnbildlich das „Problem“ solch „verkopfter“ Nischendüfte auf. La Liturgie des Heures stellt allerlei Noten nebeneinander, die in das Duftkonzept bzw. das beabsichtige Bild passen. Dieses Bild stellt sich aber (wenn überhaupt) nur ein, wenn man vor dem Test davon weiß. Die Duftnoten wirken allesamt hochwertig und sind (mit Ausnahme der Zypresse) auch schön umgesetzt. Für mich ergeben sie allerdings kein stimmiges Ganzes und rufen auch kein schönes Duftbild hervor. Stattdessen stehen sie schlicht aus konzeptionellen Gründen nebeneinander und lassen den Duft insgesamt ziemlich gewollt und verkopft wirken. Der Duft ist damit aber immerhin ein Fingerzeig darauf, dass Parfum durch einen hohen künstlerischen Anspruch nicht unbedingt besser wird und das in erster Linie darum geht, dass ein Duft schlicht gut riecht.
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Nomen est omen
Ich hätte es ahnen können: Dass sich der Name des Duftes auf einen Spruch aus dem ägyptischen Totenbuch bezieht, hatte ich hier zwar gelesen, allerdings sonst nicht weiter beachtet. Dabei verrät er bereits eine Menge über den Duft, ob gewollt oder ungewollt lasse ich mal offen.

Mein Interesse geweckt hatten die hier aufgeführten Duftnoten: Grünen omanischen Hojari-Weihrauch kenne und liebe ich in natura. Er duftet außergewöhnlich klar, hell-harzig bis beinahe zitrisch und erinnert dabei an Eukalyptus und Nadelhölzer. Ein Parfum, das diesen Duft nur in etwa einfängt, könnte ich schon kaum niedriger als mit 8 bewerten. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an Spell 125. Insbesondere die Kombination mit Zirbelkiefer und Tanne schien mir absolut logisch und hervorragend geeignet den Weihrauchduft ein wenig zu „stützen“.

Die Realität sieht leider anders aus. Weihrauch ist bei Spell 125 zwar deutlich wahrzunehmen (wenn auch weit weniger Prominent als ich erwartet hatte), die beeindruckend hell-frische Klarheit von grünem Weihrauch wurde hier leider überhaupt nicht eingefangen. Vielmehr empfinde ich Spell 125 von Beginn an als etwas muffig, als hätte man den Weihrauch mit minderwertigem Räucherwerk „gestreckt“. Tanne und Zirbelkiefer, die in meiner Vorstellung noch hervorragend mit dem Weihrauch harmonierten, machen den Duft nach meiner Wahrnehmung in der Realität auch nicht viel besser. Statt einer grün-frischen Nadelwaldnote, nehme ich diese beiden Noten (ohne sie klar auseinanderhalten zu können) als leicht grün-säuerlich wahr. Dadurch gelingt es ihnen auch nicht, dem etwas muffigen Weihrauch quasi „den Schleier abzunehmen“ und dem Duft doch noch eine ätherische Klarheit zu verleihen. Vielmehr ergibt sich für mich ein muffig-säuerlicher Gesamtakkord, den man durchaus mit „morbide“ umschreiben kann. Nach einigen Stunden wird der Duft wärmer, eine durchaus hochwertige Ambranote tritt hervor und macht den Duft süßlich und heimelig, während sich der muffig-säuerliche Akkord in eine warme Harzigkeit verwandelt. Diese Basisnote ist meiner Meinung nach durchaus gelungen, wenn auch nichts wirklich außergewöhnliches.

Die „Intention“ des Duftes bleibt für mich ein Rätsel: Der prägende, muffig-säuerliche Akkord lässt den Duft für mich weder in die Richtung eines hochwertigen, orientalischen Weihrauchduftes noch in die Richtung eines gelungenen „Nadelholz-“ bzw. „Nadelwaldduftes“ gehen. Vielmehr scheint mir der Duft unentschlossen zwischen Saunaaufguss und morbider „Grabkammernatmosphäre“ zu schwanken. Mit Blick auf den Namen des Duftes, will ich nicht ausschließen, dass genau das gewollt war. Falls ja, ist die Umsetzung dieses Konzeptes durchaus gelungen, der Duft bewegt sich für mich nämlich definitiv noch im Bereich des tragbaren und eine erkennbare Hochwertigkeit möchte ich den einzelnen Noten auch nicht absprechen. Ob ich gerne so riechen möchte ist allerdings eine andere Frage, die ich hier leider klar mit Nein beantworten kann.
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Goldener Samt
Die Marke Xerjoff trifft hier auf ein geteiltes Echo: Für die einen ist es ein Dufthaus mit Legendenstatus, in dessen Portfolio sich Meisterwerk an Meisterwerk reiht. Für die anderen eher der etwas proletenhafte Versuch, das Feld der Nischendüfte durch überhöhte Preise und auf Marketing fokussierten Pseudo-Luxus zu definieren. Auch wenn ich diese Kritik im Ansatz gut nachvollziehen kann, sorgt speziell Zefiro dafür, dass Xerjoff bei mir dennoch einen guten Stand hat. Zefiro verbindet nicht nur einen wunderschönen und sehr besonderen Duftcharakter mit absolut alltagstauglicher Tragbarkeit, sondern ist für meine Wahrnehmung auch handwerklich außergewöhnlich gut gemacht. Aber von Anfang:

In den ersten 15-20 Sekunden nach dem Aufsprühen ergeben die hier als Kopfnote gelisteten Noten einen ungewöhnlichen Akkord. Ich nehme hier vor allem Elemiharz, etwas süßlich-krautiges (vermutlich Davana) und eine weintraubenartige Note war. Noch ehe man sich wirklich überlegen kann, was man von dieser Kombination hält, ist sie auch schon wieder verschwunden. Diese Kopfnote scheint mir vom Rest des Duftes thematisch getrennt zu sein. Durch ihre sehr kurze Dauer gelingt es ihr aber (zum Glück) nicht, den Duft irgendwie zu prägen oder zu beeinflussen. Lediglich die helle, angenehme Harzigkeit des Elemi schlägt eine Brücke zum Beginn des „eigentlichen Duftes“.

Nach besagten wenigen Sekunden eröffnet der Duft dann mit einem Hauch würzig-unsüßem Kardamom, einer dezenten Nelke, und einer sehr deutlichen Zimtnote. Diese steht zu Beginn klar im Vordergrund und ist wirklich toll umgesetzt: Anstatt mit Gourmand- oder Weihnachtsmarktcharakter, wartet sie mit einer ausgesprochen deutlichen Holzigkeit auf. Man wird geradezu mit Nachdruck daran erinnert, dass es sich bei Zimt um nichts anderes als Baumrinde handelt. Dazu kommt noch die für frischen Zimt typische ätherische Schärfe, die Ausgangspunkt für den genialen Duftverlauf von Zefiro sein wird.

Dieser ätherische Charakter sorgt dafür, dass die Zimtnote so subtil in eine Weihrauchnote übergeht, dass man davon kaum etwas mitbekommt. Man stellt lediglich ab einem gewissen Zeitpunkt fest, dass man keinen Zimt mehr wahrnehmen kann, ansonsten scheint der Duft linear zu bleiben. Weihrauch stellt ganz klar die wichtigste Note von Zefiro dar, auf die Weihrauchnote ist letztlich alles andere zugeschnitten. Sie wirkt sehr hochwertig, weich-harzig und im Vergleich zu Weihrauchklassikern wie „Cardinal“ oder „Avignon“ überdurchschnittlich rauchig. Dies liegt meiner Wahrnehmung nach vor allem an den holzigen Begleitnoten Zimt & Oud, die Zefiro vor einer zu stark harzig-ätherischen „Saunahaftigkeit“ bewahren. Gerade dadurch nehme ich den Duft allerdings auch als noch ein wenig „kirchlicher“ wahr als etwa „Cardinal“, welcher bei mir stets auch eine deutliche Saunaassoziation auslöst.

Im weiteren Verlauf gelingt Zefiro das Kunststück eines maximal subtilen Übergangs erneut: holzig-rauchiges, dabei aber sehr sanftes Oud tritt hinzu und fügt sich so hervorragend in den Duft ein, dass man erneut zunächst kaum etwas davon mitbekommt. Diese Weihrauch-Oud-Kombination hält erstaunlich lange und sorgt (trotz aller Sanftheit) mit ihrer „Kantigkeit“ dafür, dass Zefiro bis zum Schluss ein vollwertiger Duft bleibt und nicht nach wenigen Stunden nur als süßlich-undefinierbarer Rest zurückbleibt.

Der Dreiklang Zimt-Weihrauch-Oud (mit dem deutlichen Schwerpunkt auf Weihrauch) bildet also das prägende Gerüst des Duftes. Dass damit das Rad nicht neu erfunden wird versteht sich von selbst, was daraus gemacht wird ist dafür aber umso erstaunlicher: Trotz dieser vermeintlich dunklen und schweren Noten bleibt Zefiro hell, sehr luftig und vor allem außergewöhnlich weich im Charakter. Zu verdanken ist das vor allem den sonstigen Duftnoten, die neben Zimt, Weihrauch und Oud zwar nie direkt auffallen, den Charakter des Duftes aber wesentlich mitbestimmen. Allen voran sind hier Honig und Iris zu nennen, die über weite Strecken des Duftverlaufs eine Rolle spielen. Honig sorgt dabei dafür, dass der Zefiro niemals „grau“ oder abweisend-rauchig wirkt, sondern immer eine warme, „goldene“ Erscheinung hat, ohne dabei auffallend süß zu werden. Iris macht den Duft auf ausgesprochen edle Weise samtweich und zugänglich. Der Weihrauch wirkt niemals schroff und auch die größten Oud-Skeptiker brauchen vor Zefiro keine Angst zu haben. Statt eines orientalischen Dampfhammers bekommt man goldenen italienischen Samt zum Aufsprühen.
Da Zefiro diesen Charakter über den ganzen Duftverlauf behält wirkt er vordergründig sehr linear, ohne das wirklich zu sein. Sprüht man nach einigen Stunden noch einmal nach, merkt man, wie sehr sich der Duft verändert hat. Die einzelnen Noten greifen im Duftverlauf so perfekt ineinander und behalten den Charakter des Duftes bei, dass man trotz seiner stetigen Veränderung das Gefühl hat, einen linearen Duft zu tragen.

Zefiro verbindet seinen doch recht „nischigen“ Weihrauchcharakter mit absolut alltagstauglicher Tragbarkeit. Durch seine golden-samtige und eher europäische als orientalische Erscheinung stößt er auch Menschen ohne besondere Affinität zu Nischendüften nicht vor den Kopf, ohne dabei beliebig zu werden. Sein Anwendungsbereich ist sehr weit: Zefiro passt zu so gut wie allen Anlässen von leger bis sehr formell und ist zu jeder Jahreszeit tragbar, vom Hochsommer vielleicht einmal abgesehen. Dazu kommt eine tolle Haltbarkeit von ca. 10 Stunden bei angenehm dezenter Sillage.

Für mich persönlich ist Zefiro der schönste Weihrauchduft, der mir bislang untergekommen ist. Nicht zuletzt auch wegen seiner Alltagstauglichkeit ist er quasi von ganz alleine und ohne bewusste Entscheidung zum Signaturduft geworden. Als solcher begleitet er mich nun schon über zwei Jahre, und solange es ihn gibt, wird er das wohl auch weiter tun.
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Unter den Linden
Für Highgrove Bouquet möchte ich an dieser Stelle eine Lanze brechen: Der Duft wird hier zwar wohlwollend, aber nicht unbedingt begeistert aufgenommen und wirklich weite Kreise zieht er bislang auch nicht. Für mein Empfinden ist Penhaligon’s mit diesem Duft ein echter moderner Klassiker gelungen, der mehr Beachtung verdient.

Der Duft eröffnet mit einer frischen, eher unsüßen Tuberose mit deutlich grünem Einschlag. Die Tuberose ist in Highgrove Bouquet ungewöhnlich umgesetzt: Durch die fehlende Süße und Schwere wirkt sie hier nicht besonders sinnlich-feminin, sondern gewissermaßen „neutral-blumig“. Sie stellt quasi das „Bühnenbild“ des Duftes dar, prägt seinen blumigen Charakter, überlässt aber den anderen Noten dessen konkrete Ausgestaltung. Dazu gesellt sich schnell eine sehr hochwertige Irisnote. Diese wird für den Duftcharakter auch im Drydown noch wichtig werden, erscheint in der Kopfnote aber zunächst nur mäßig pudrig. Stattdessen lässt sie in der Kopfnote eine kühle, saubere Erdigkeit erkennen. Die für Iris(wurzel) typische Karottenassoziation ist hier definitiv wahrnehmbar und harmoniert wunderbar mit dem grünen Einschlag der Kopfnote. Insbesondere durch diese kühle, saubere Erdigkeit, stellt sich das Bild eines Gartens nach einem Regenschauer im Sommer schon ein, bevor die Hauptcharaktere die Bühne überhaupt betreten.

Im weiteren Verlauf des Duftes schält sich langsam eine toll umgesetzte Lindenblüte hervor, die den Duft entscheidend prägen wird. Die Kopfnote verschwindet dabei nicht einfach, sondern bleibt weiterhin angenehm präsent. Dadurch bekommt die honigartige Süße der Lindenblüte ein Gegengewicht, das sie davor bewahrt, zu durchdringend süß und anstrengend zu werden. Ich tue mich ein wenig schwer damit, Mimose neben der Lindenblüte eindeutig herauszuriechen. Für mein Empfinden bleibt die Lindenblüte stets bestimmend. Da beide Noten mit ihrer blumigen „Honigartigkeit“ durchaus eine gewisse Ähnlichkeit haben, dürften sie hier auch ziemlich gut verschmelzen. Lindenblüte ist für meine Wahrnehmung aber definitiv der Hauptcharakter des Duftes.

Sehr gut wahrzunehmen sind hingegen Zeder und Lavendel in der Basis. Wie Turandot in ihrer Rezension bereits erwähnte, ist die Basis ziemlich schlank gehalten. Vor dem Hintergrund der durchaus üppigen Blumigkeit im bisherigen Duftverlauf hat mich Highgrove Bouquet hier geradezu überrascht: Der Verzicht auf Sandelholz, Amber etc. wirkt sich ausgesprochen positiv aus und lässt den Duft bis zum Schluss in klaren Konturen erscheinen. Daneben wird die Iris hier noch einmal präsenter, diesmal aber weniger erdig-kühl sondern stattdessen weich und pudrig. In dieser wunderschön schlanken, sehr eleganten und nicht zu süßen Basis aus Zeder, Lavendel und Iris, zeigt sich bis zum Schluss immer wieder auch die Lindenblüte und drückt Highgrove Bouquet ihren Stempel auf.

Highgrove Bouquet ist insgesamt ein sehr klassischer und eleganter Duft. Zu Beginn tendiert er ins Feminine, bleibt jedoch stets auch für Männer tragbar. Spätestens ab der Herznote, wenn die Tuberose etwas weniger intensiv wird, brauchen sich diesbezüglich besorgte Herren aber keine Gedanken mehr zu machen. Die Basisnote bekommt für mein Empfinden dann sogar eine Tendenz ins Maskuline, bleibt dabei aber stets auch für Frauen tragbar. Der Duft wirkt jederzeit hell und freundlich, jedoch niemals „verspielt“, sondern trägt stets eine konservativ-britische Ernsthaftigkeit in sich. Allzu legere Kleidung ist dazu unabhängig vom Geschlecht eher unpassend.
Seine Unisextauglichkeit bekommt der Duft nicht zuletzt durch durch die sehr hochwertige und natürliche Umsetzung seines Konzepts: Highgrove Bouquet ist weder ein typischer Blumenduft für Damen, noch ein typischer Lavendelduft für Herren, sondern schafft es (für mich jedenfalls) tatsächlich, das ziemlich realistische Bild eines blühenden Gartens im Sommer zu evozieren.
Lindenblüte als zentrale Duftnote ist dabei alles andere als alltäglich und toll umgesetzt. Die (beeindruckend hochwertige) Iris und der Lavendel verleihen dem Duft dabei einen Tiefgang, den man in anderen Sommerdüften, insbesondere zitrischen Düften, vergeblich suchen wird. Sommertauglich ist der Duft dabei in der Tat: Die grüne Frische in Verbindung mit der pudrigen Iris sorgen stets dafür, dass der Duft niemals schwülstig wird und machen ihn meiner Erfahrung nach bis 30 Grad hervorragend tragbar.

Highgrove Bouquet bringt für mich eine Eigenschaft mit, die ich bei älteren Duftklassikern sehr zu schätzen gelernt habe: Der Duft kann „wachsen“. Während manche moderne Nischendüfte zwar beim ersten Test enorm beeindruckend wirken können, stellt sich teilweise recht schnell eine gewisse Langeweile ein. Bei großen, klassischen Düften habe ich es eher andersherum erlebt: Je häufiger man sie trägt, desto mehr erkennt man, wie viel Tiefe in ihnen steckt, wie fein sie bis in die Details „auskomponiert“ sind, ohne dabei blenden zu wollen. Highgrove Bouquet bringt diese Eigenschaft neben seinem klassischen Charakter passenderweise ebenfalls mit und ich möchte im Sommer mittlerweile nicht mehr auf ihn verzichten. Von einem „seichten“ Blumenduft ist er jedenfalls weit entfernt. Penhaligon’s ist mit Highgrove Bouquet in meinen Augen ein großer „Neo-Klassiker“ gelungen. Chapeau!
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Dürre auf Capri
Ich mag Düfte, die mit einer gewissen Ernsthaftigkeit versuchen, bestimmte Orte oder Landschaften olfaktorisch nachzuzeichnen. Diesem Konzept darf für mich dann auch mal ein Stück weit die Gefälligkeit eines Duftes geopfert werden. Zumindest sollte dann aber versucht werden, den darzustellenden Ort von seiner schönsten Seite zu zeigen.
Corallium ist für mich ein solcher „Landschaftsduft“, dem das allerdings nicht ganz gelingt.

Der Duft startet zunächst mit einer wirklich tollen Kopfnote: sanfte, realistische Zitrik, die sich trotz ihrer deutlichen Präsenz nicht in den Vordergrund drängt, dazu unsüße, harzig-aromatische Myrrhe und eine deutlich wahrnehmbare Lorbeernote in herb und leicht dunkelgrün. Das wirkt unglaublich beruhigend und sofort kommt bei mir das Bild einer mediterranen (Küsten-)Landschaft im Sommer auf, wenn die Wärme des Tages den Duft der Pflanzen in der Umgebung verstärkt Hier kommt eine Stärke des Duftes zu tragen, die sich in vielen Carthusias wiederfindet: Natürlichkeit. Bei allen Düften des Hauses, die ich bislang testen konnte, ist mir das positiv aufgefallen und speziell Corallium tut sich hier besonders hervor. Ich kenne keinen Duft, der so wenig „parfümig“ riecht und gleichzeitig so angenehm und problemlos tragbar ist.

Ab der Herznote ändert sich der Duft deutlich. Die zitrisch-harzig-herbe Küstenluft von Capri weicht mehr und mehr einer weichen, sehr trockenen und absolut unsüßen Zedernholzigkeit. Die Komplexität des Duftes nimmt hier für meine Wahrnehmung deutlich ab. Ausgehend vom Landschaftsbild der Kopfnote nimmt man hier nur noch eine ziemlich vertrocknete Landschaft wahr. Hier blüht nichts, hier ist nichts grünes mehr, nichts zitrisches und auch die angenehme Harzigkeit der Kopfnote verschwindet völlig. Nur noch trockenes Holz. Auf Capri herrscht Dürre. Die leichte und ebenfalls völlig unsüße Moschuspudrigkeit in der Basis vermag daran nichts zu ändern, sondern zeigt sich in diesem Kontext eher als trockene Staubigkeit. Salbei nehme ich nur mit viel Fantasie und Fetthenne überhaupt nicht wahr.

Ich denke ab der Herznote hätte man aus dem Duft deutlich mehr machen können. Egal ob ich mir neben der trockenen Holzigkeit noch ein paar grüne oder blumige Noten, oder in der Basis z.B. Zistrose/Labdanum vorstelle, der Duft gewinnt immer. So wie er ist wirkt er auf mich ein wenig unfertig.

All das mag jetzt ziemlich kritisch klingen. Grundsätzlich ist Corallium allerdings ein wirklich schöner und sehr natürlicher Sommerduft mit deutlich mehr Tiefgang als frische Düfte üblicherweise haben. Ich habe ihn einen Sommer lang fast täglich getragen und hätte ihn Anfangs wohl deutlich höher bewertet. Die Kopfnote ist jedenfalls die schönste mediterrane „Landschaftsinterpretation“ die ich in einem Duft kenne. Leider trocknet diese Landschaft dann doch ziemlich schnell aus.
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