Amateur

Da habe ich zum ersten Mal einen Vetiver getroffen, der mir ganz und gar nicht gefällt. Ich rieche Rüben und Kartoffeln, eingelagert in schimmligem Gemäuer.

Andere Vetivers setzen der Erdigkeit etwas Konträres entgegen: bei Guerlain scharfe Gewürze, bei Goutal das Salz, bei Tom Ford zitrische Frische, bei Lalique Holz.

Mir scheint, hier ist der Gegenpol die Myrrhe, und das ergibt für mich einen dumpfen, muffigen und noch dazu süsslichen Brei, der mir den Atem verschlägt.

Jawohl, wir sind auf einem Bauernhof! Es ist Juli, die Sonne brennt, es riecht nach Heu und alle haben hart gearbeitet. Und dann wird der Vieruhrtee serviert, dazu frische Zitronenschnitze. Das Tagewerk ist fast getan, zufrieden sitzen wir in der Wärme vor der Scheune und lassen uns erquicken.

Keine Ahnung, wie das in einem Drehbuch glaubwürdig gemacht werden soll. Als Duft ist es ein Hammer. Für mich bis jetzt die einzige olfaktorische Liebe auf den ersten Blick, die gehalten hat. Schliesslich spazierte ich in die einzige Verkaufsstelle in Zürich und hielt die Ohren zu, als der Preis genannt wurde (später verriet die Quittung: der für Parfümerien gültige Eurokurs liegt bei 1 Franken 95).

Und nie bereut. Duel bringt Sonne und Landluft in jede Situation und jede Jahreszeit!

1990 war bekanntlich das Jahr, als das Ende der Geschichte ausgerufen wurde. Die Zeit der Nutzenmaximierer begann, das kapitalistische Subjekt...

Dieser Duft allerdings scheint weder sehr erfolgreich gewesen noch einen Trend ausgelöst zu haben, trotzdem steht er noch da und nervt die Menschheit.

Meine Nase meldet bei Egoiste zwei Probleme: erstens eine raumdominierende Breitwand von hell riechenden Zutaten. Und zweitens die fatale Ähnlichkeit zu Bio-Insektenspray (Nelke)!

(Finger melden ebenfalls zwei Probleme: wo ist auf dieser Tastatur accent aigue und wo das Trema?)

Unter den "Blu" hat mir der am besten gefallen. Alle haben eine frische und kühle Kopfnote, die recht schön ist. Nach etwa einer Viertelstunde kommt aber etwas zum Vorschein, das ich als zu dezidiert weiblich wahrnehme. Daher mag ich es nicht tragen. Das Label unisex scheint mir nicht richtig. Abgesehen davon ist es vielleicht auch etwas belanglos. Obwohl - wie verschiedene Vorredner - glaube ich, dass man die Sache anders sähe, wenn man sich in Italien des Lebens freute statt jeden Tag hier oben in der Bise zu frieren.

Eigentlich klar. Es steht wirklich alles da: Lavendel, Moschus, Pfeffer. Rien d'autre.

Das - ausserdem genannte - "verbrannte Holz" kann ich nicht wahrnehmen, was auch immer damit gemeint sein soll. Holzkohle? Nein, L'Occitan ist im Grunde ein Gourmand-Duft. Neben Pfeffer glaube ich auch Muskat zu riechen, oder ist das schon wieder der Moschus, oder ist das überhaupt das gleiche? Jedenfalls, das alles fügt sich perfekt zusammen zu einer Ganzheit, unvergleichlich und faszinierend.

Und verdammt schwierig!

Ich habe das wunderschöne Fläschchen nun seit bald einem halben Jahr, doch der Pegel will nicht so recht sinken. Es ist eben kein Entspannungsduft, sondern ein spannungsgeladenes Konstrukt. Kühl und feucht? Heiss und trocken? Beides zugleich!

Ich traf letzten Frühling ein halbwildes weibliches Wesen. Sie trug eine Lederjacke, die roch genau so. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob L'Occitan nach Lederjacke riecht oder ob es in diesem Fall umgekehrt war. Ich konnte sie nicht fragen, sie zog schon am nächsten Tag weiter.

So ist es damit eben.