AnneSuse

Aua!
Als erstes fliegt mir ein Riesentopf mit Mutters Gartenkräutern an den Kopf.
(Nee, ich mach´ Lilienfeld keine Konkurrenz, geht gleich normal weiter)

Während ich mir noch ganz abgelenkt meine Beule reibe, indes die Kräuter schnell zu Boden sinken, steigen Kindheitsbilder hoch. So dufteten die Damen in den 60er Jahren. Ich kann das an nichts Genauem festmachen, aber der Eindruck bleibt. Seit 12 Stunden - die Haltbarkeit ist nämlich schon mal sehr beachtlich. Auch die Sillage, für die heutigen Parfüms jedenfalls; trotzdem für meinen Geschmack gerade richtig: die Umgebung bekommt es mit, wird aber nicht erschlagen.

Doch zurück zum Duft:
Nachdem der Kräutertopf zu Boden gefallen ist, piekt die Rose zu, dass mir fast die Luft wegbleibt. Doppelaua!
Aber nachdem ich auch diesen Frontalangriff weggesteckt habe, kommt die Belohnung. Recht zügig kommt man zum Kern der Sache, die (bei mir) ohne große Weiterentwicklung über Stunden bleibt: ein weich verwobener Teppich aus rosenbestreutem Moos, das auf satter guter Erde wächst, der mich durch den Tag trägt, ohne dass meine Füsse seiner müde werden.
Ich werde ganz poetisch davon, er ist so wunderschön und wirklich besonders. Gut geeignet für alle, die es chyprisch-blumig ohne allzudollen Knarz lieben.

Aber ach: auch das Kopfkino bleibt. Nun ja, jeder hat drei Chancen bei mir.
Vielleicht weiß ja jemand, wie ich das Kopfkino wegkriege.

Ein hübscher, klarer Zitrusduft -
genau das Richtige für warme und heisse Sommer- und Frühlingstage.

Die Zitrusnote startet sofort und mächtig. Der Duft entwickelt sich recht zügig, ohne dass das Zitrische seine Dominanz verlöre, es wird nur eingewebt in den warm-würzig-blumigen Unterton der Basis.
Kein frisches oder aquatisches Parfüm, man merkt ihm seine Herkunft aus dem Orient an, aber mit sommerlicher Leichtigkeit.

Silver ist nicht raffiniert komponiert, kein grandioser Duftverlauf, keine Abgrundtiefe: es ist klar, im besten Sinne schlicht und ehrlich. Keine Schleifchen, sondern wie ein schlichtes, helles Leinenkleid.

Wer bei heissem Wetter keine Kopfschmerzen bekommen will und trotzdem einen leicht warm-orientalischen Unterton möchte, ist bei Silver goldrichtig.

Haltbarkeit und Sillage (bei meinem Parfümöl) sind beachtlich, erschlagen aber die Umgebung nicht. Das EdP kenne ich nicht, ist vielleicht etwas leichter.


Es gibt Silver als Parfümöl im Fläschchen mit Roller (zu 3 oder 6 ml) oder als EdP mit 35 ml bzw. Pocket mit 8ml. Der Preis ist einem fast peinlich.

Der wird mir nicht ausgehen, weil er zu jeder Gelegenheit tragbar ist!

Heute fällt meine Testentscheidung auf Azurée. Ein Sprüher auf´s Handgelenk zum Schnuppern, einen links und rechts in den Nacken.

Donnerkiel! Das wummst!

Nach 10 Minuten habe ich das Gefühl: das ist etwas für die Herren. Zu ledrig, zu kratzig im Hals, zu grün, zu, zu ...
Nach einer Stunde ist er runder geworden, voller und etwas weicher. Immer noch kantig, aber tief. Machtvoll und kraftvoll.

Nach 8 Stunden dufte ich immer noch wie frisch parfümiert.

Jetzt weiß ich auch, dass ich Azuree gewiß öfter benutzen werde. An Tagen, die die Überschrift tragen:
Bis hierher und nicht weiter.

Kleine Ergaenzung: das perfekte Parfum für harte Verhandlungen ;-))

Ich kann es drehen und wenden - bei mir ist er absolut nichtssagend, obwohl die Duftnoten genau meine Kragenweite sind.
Das, was der grandiose Flakon und der Preis suggerieren, entwickelt sich bei mir überhaupt nicht. Er hat weder Wumms, noch entwickelt sich etwas Besonderes, teuer, elegant, sinnlich, qualitativ hochwertig - Fehlanzeige.
Ganz nett. Mir hat mal jemand gesagt, "nett" wäre für ihn die schlimmste Beleidigung - soweit würde ich hier nicht gehen wollen, bei mir würde er in die Kategorie fallen "braucht sich mit auf". Deswegen verpieselt er sich wohl auch beleidigt nach einer halben Stunde.
Kann an mir liegen, ich beneide alle, bei denen er toll ist.
So ein Flakon wär´s schon wert gewesen - c´est la vie, wie der Spanier sagt.

So - nun soll es endlich einmal etwas Neues sein und ich bin bereit, Geld auf den Tisch des Hauses zu legen.
Also suche ich die Erste Parfümerie am Platze heim, sage mein Sprüchlein auf, was ich suche und teste. Am besten gefällt Reflection, auch noch nach fünfzehn Minuten. Mir wird eine Probe abgefüllt und ich gehe beschwingt zum Auto.
DER könnte es werden - elegant, edel, besonders: man merkt die Qualität der Ingredienzen. Nicht zu aufdringlich, aber ein klares Statement. Nichts für junge Mädchen.

Zuhause nach einer halben Stunde lasse ich meinen Mann riechen - aber der riecht kaum etwas; ich auch nicht. Also meine Probe gezückt, aufgetragen, super! "Der ist toll, den mußt Du nehmen."
Nach 10 Minuten: immer noch super.
Nach einer halben Stunde: wo ist er denn? Man muß seine Nase schon auf mein Handgelenk stupfen, um etwas zu riechen. Und dann riecht es toll.
Nach einer Stunde: man kann noch ahnen, dass es ein toller Duft wäre, wenn man ihn denn riechen könnte.

Aber ich gebe nicht auf. Noch zwei weitere Versuche am nächsten Tag.
Seufz.
Doppelseufz.

Warum willst Du nur nicht bei mir bleiben? Du bist genau der Richtige.
Aber für zehn Minuten bist Du einfach zu teuer.


Ich beneide all´ die unter Euch, bei denen Reflection lange hält und etwas länger Sillage entwickelt.


Mit einer Träne im Knopfloch,
AnneSuse