BelAmi

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6 - 10 von 25
BelAmi vor 5 Jahren 23 4
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Gegen den Ernst des Lebens
In diesen Zeiten, wo das ganze Leben sehr ernst ist, wegen einer unheilvollen Nachricht die Familie betreffend oder ein Kind in einer der unzähligen Trotzphasen oder die ungeliebte Kollegin sich wieder etwas neues ausgedacht hat, was nur zum Ärgern ist, gehe ich oft mit einem Parfum, das mir den Rücken stärkt, durch die Tage. Ernst und aufrecht. Vor einigen Monaten streifte ich an einem sehr unernsten Tag mit den Kindern durch die Geschäfte. Keine Hektik, keine Sorgen, keine Trotzphase am Horizont. „Insolence“ fiel mir in die Hände. Der Name ist so ziemlich das Gegenteil meines Naturells. Doch ich mag die Bienenflakons und die Veilchenfarbe des Inhalts. Der Duft war mir bis dahin unbekannt. Ein Sprüher auf die Hand. Meine 5-jährige Tochter postwendend: Sonnencreme! ...interessante Assoziation, auch wenn der Duft meilenweit von mir bekannten Sonnencremes entfernt ist. Für mich riecht er nach bunter Kindheit. Veilchen und Kaugummi (die bunten Kugeln, die es früher für 10 Pfennig im Automat gab – zum Drehen). Künstlich. Fruchtig-pudrig..und nicht eben modern. Es wäre nicht richtig, wenn ich sagen würde: ein schöner Duft! Nein, der hier will nicht schön sein. Er ist nicht diplomatsch, nicht zurückhaltend, nicht angepasst. "Insolence" will nicht perfekt sein. Ich finde ihn irgendwie schräg. Und mag ihn doch sehr.

Beeren kenne ich sonst eher in süß. Ist dieser hier nicht. Immer wieder denke ich: ein witziger Duft (doch mag ich witzig riechen? Nein!). Und schräg (mag ich schräg riechen? Ich weiß nicht..). In einem Statement zum EdT las ich „Alte Dame mit Minirock und Ringelstrümpfen macht Himbeerkaugummiblasen“. Passt. Auch zum EdP. Der Sprüher auf mein Handgelenk hatte auch den Jackenärmel erreicht. Der Duft hält und hält und hält. Noch nach Tagen, wenn ich morgens an meiner Jacke vorbeiging, dachte ich: was riecht denn hier so gut? Ach,..“Insolence“! Interessant. Riecht mit Distanz gut, sehr gut. Und trotzdem, nein, mit diesem Duft fühle ich mich nicht unbedingt gut angezogen. Ich bin nicht laut, nicht auffällig, nicht schräg. Man zieht mich beruflich gerne hinzu, wenn kritische Gespräche anstehen oder geschlichtet werden soll. Seit Jahren umgibt mich im Büro eine Parfumwolke, die doch eher ernsthafter ist – seriös und zurückhaltend. Und dann kam der Tag, wo eine ungeliebte Kollegin, die nun schon über Monate hin versuchte mir das Leben schwer zu machen, mir einmal zu viel auf die Nerven ging. Und ich dachte mir: Insolence, hier bis du richtig. Die Frau schlägst du nur mir ihren eigenen Waffen – in Wort und Duft (..sie trägt ein synthetisch-fruchtig-himbeerlastiges Wässerchen). Seit dem ärgert sie mich nicht mehr. Die Worte bleiben geheim. Der Duft: genau, "Insolence". Das EdP (2017).

Privat muss ich – wenn ich „Insolence“ mal trage – innerlich lächeln. Er freut mich, weil er so witzig, verrückt und dabei so wahnsinnig symphatisch und liebenswert ist. Wenn es draußen wieder tagelang grau in grau ist oder die Kinder mit mir ungeduldig sind – dann zaubert er mir ein Lächeln in mein Innerstes. Einfach alles nicht so ernst nehmen.
4 Antworten
BelAmi vor 5 Jahren 29 11
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Zurückhaltende Eleganz.
Noch einmal einen tiefen Atemzug, direkt über meinem Handrücken. Elegant, sauber. Sauber, elegant. Egal, wie oft ich daran rieche, diese beiden Attribute fallen mir dazu ein. Das mag nicht viel erscheinen. Doch manchmal ist es genau die Reduktion, die ihren Reiz hat. Beim ersten Sprüher kam mir eine wunderschöne Moschuswolke entgegen. Die Chanel-Beraterin erklärte, es seien viele verschiedene Arten von Moschus, fein miteinander verwoben, weshalb der Duft auch eine recht große Entwicklung durchmache. Bei Moschus muss ich immer gleich an die Rodriguez-Parfums denken. Damit hat dieser hier nichts zu tun. Nein, dieser hier hat eine ganz andere DNA. Eindeutig Chanel. Und in der Tat gibt es eine Entwicklung vom ersten Sprüher bis zur Basisnote, wenn auch sanft und leise. Denn dieser hier setzt keine Statements, jedenfalls nicht durch raumfüllende Präsenz. Dieser hier ist eher vornehme Zurückhaltung.

Noch immer grüble ich, woran mich der Duft jetzt – in der Basis angekommen - erinnert. Nein, es sind keine neuen Duftnoten, die mir da entgegenströmen. Der Duft ist nicht besonders blumig, nicht holzig, schon gar nicht fruchtig. Eher cremig. Ein Duft, der schön, edel, wertig und vor allem auch sauber wirkt. Er strahlt eine ruhige Eleganz und Gepflegtsein aus. Ein Duft der nicht stört. Das klingt jetzt etwas langweilig, doch ich meine es aufrichtig positiv. Manchmal gibt es Tage (und die gibt es immer häufiger), da mag ich keine starken, ausgeklügelten Parfums. Da mag ich mich gerne beduften, aber nicht stark parfümieren. Da irritiert mich die Überdosis Parfum der Kolleginnen eine ganzen Termin lang. Während wir über Strukturen, Prozesse, Schnittstellen sprechen, bin ich nebenbei immer damit beschäftigt, die raumfüllenden Düfte aus Nase und Gehirn wegzuschieben. Ganz schlimm sind die Termine am frühen Morgen, wo alle frisch eingesprüht den Tag beginnen… Gedanklich werde ich ihnen zukünftig diesen Duft - „1957“ - verordnen! .. und ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Duft durchaus einer werden könnte, zu dem ich an den Tagen greife würde, wenn ich beduftet durch den Alltag gehen möchte (ohne mich beim Tragen zu langweilen!).

Müsste ich den Duft in einer Gleichung beschreiben, würde sie in etwas so aussehen: "Dia Woman" + "Chanel No. 5 ohne Aldehyde"+ ein paar Tröpfchen "Beige" = "1957"
11 Antworten
BelAmi vor 5 Jahren 20 4
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Goldenes Puder!
Ein kleiner Spritzer dieser goldgelben Flüssigkeit auf meinen Handrücken und ich staune: Babypuder hatte ich befürchtet (nach einigen Kommentaren hier), doch hell-goldgelb-pudrig mit einem Hauch Frische (vermutlich die Mandrine..ich hätte es fast für Zitrone gehalten..) umweht mein Handgelenk, wo sich irgendwann in der Basis eine ganz erwachsene, ernsthafte Note hinzugesellt. Nicht Babymama-haft, nicht tantig, schon gar kein Oma-Duft. Der Duft entwickelt sich weiter feinpudrig, nicht dicht und schwer, sondern hell und warm. Eine süße Honignote gesellt sich zum Mandarinenpuder. Sie lässt den Duft weich und modern erscheinen.

Honig in Parfums finde ich zumeist höchst schwierig. Aus dem Stehgreif fallen mir sicher eine handvoll Parfums ein, die ich deswegen ablehne. Diesen Honig hier hingegen mag ich sehr (enorm, dass er in der Duftpyramide so klein aufgelistet ist ..er scheint mir so markant..).

Ein Duft, der mir so manchen trüben, kalten Wintertag mit einem hellen, warmen Schein durchzieht. Schön, dass er mir vor einiger Zeit zufällig im Guerlainregal nahezu wörtlich in die Hände fiel!
4 Antworten
BelAmi vor 6 Jahren 36 10
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Geradlinigkeit, Eleganz, natürliche Bewegungsfreiheit.
Im Jahr 1913 eröffnet Coco Chanel eine Hut- und Accessoire-Boutique. Schon lange war ihr aufgefallen, dass die Frauen sogar am Strand mit Hut und in ein Korsett geschnürt spazierengehen, gerade so, als ob sie sich in der Stadt befänden. Für sich selbst und ihre Freundinnen entwirft Chanel daher eine für damalige Begriffe sportliche Mode, was für manchen überraschten Blick auf den Straßen sorgte. Chanel hatte den Nerv der Zeit getroffen. Ihre Mode mit der ihr eigenen schlichten, natürlichen Eleganz ist in höchsten Kreisen gefragt. Man bewunderte, fragt und kaufte nach.

Was für Chanel zählt sind Geradlinigkeit, Bequemlichkeit, natürliche Bewegungsfreiheit - und zugleich der Wunsch, zu verführen so heißt es in manchen Texten über Chanel. Damit avancierte sie zur Trendsetterin: Zu einer Zeit, in der man gerade einmal den Fuß durchscheinen sah, lassen ihre Röcke den Knöchel frei. Sie lässt sich die Haare abschneiden, setzt ihr Gesicht bewusst der Sonne aus und trägt Hosen - revolutionär bis skandalös für die damalige Zeit. Weder Korsett noch Fischbein engen bei ihrer Mode den Körper ein. Und als kurz vor dem 1. Weltkrieg Stoffe knapp wurden, kauft sie der Legende nach einen Jersey-Bestand auf. Ein dehnbarer Strickstoff (erstmals hergestellt auf der namensgleichen Insel im Ärmelkanal), der bis dahin ausschließlich der Herstellung männlicher Unterwäsche vorbehalten war. Bei Chanel fand er erstmals Anwendung in der Oberbekleidung. Sie machte aus der Not wohl eher die Tugend und man klatschte Beifall.

Und warum schreibe ich das alles? Weil mir Jersey als Name für diese Parfum so passend scheint. Er ist all das, was Chanel mit ihrer Mode verkörperte. Für mich der Inbegriff der natürlichen, schlichten Eleganz. In Duftnoten gesprochen: ein aromatischer, feinwürziger und pudriger Duft. Auf der Chanel-Website wird etwas von „verliert er seine Burschikosität durch einen Hauch Vanille“ geschrieben. Burschikos fand ich Jersey als Eau de Toilette mit einer krautigen Kopfnote. Überstand man diese erst einmal, machte sich ein heller, feinwürziger, eleganter Duft breit - langanhaltend. Und ich weiß, wovon ich schreibe. Ein nahezu voller 75 ml-Flakon ging mir zu Bruch. Kein Tropfen war mehr zu retten. Der Flakon lag sauber in zwei Hälften zerbrochen auf dem Holzboden.. Doch das Handtuch, mit dem ich den Inhalt aufwischte beduftete unsere Wohnung über Monate. Bis mein Mann versehentlich (oder auch nicht versehentlich) das Handtuch mit all den anderen Handtüchern in die Waschmaschine gab. Immerhin duftete dann, wenn auch nur ein einziges Mal, der gesamte Inhalt der Wäschetrommel nach Jersey.

Kurz darauf erschien die Eau de Parfum-Variante. Mir scheint hier die anfängliche herb-krautige Note des Eau de Toilettes gekürzt worden zu sein und der Duft verleiht recht schnell diese feinstoffliche, elegante Aura, die ich schon beim Eau de Toilette so mochte. Ich trage Jersey oft. Zu allen Jahreszeiten. Auch jetzt bei guten 30C und schon so viele Tage hintereinander, dass ich abends denke: „morgen aber doch mal wieder ein anderer Duft“..ist der Gedanke verworfen, sobald mir am nächsten Morgen ein feiner Jersey-Hauch in die Nase steigt. Schon das Vorbeigehen an der Kleidung von gestern reicht und ich bin schon wieder ganz angetan. Über die Haltbarkeit und Sillage staune ich ehrlicherweise. Für Parfumo-Verhältnisse bin ich wohl das, was man eine Wenigsprüherin nennt. Höchstens 3-4 Sprüher. Und doch kann ich den Duft am nächsten Tag noch im Vorbeigehen an der gestrige Kleidung gut wahrnehmen.

Jersey ist keine Diva. Wo manche Parfums einem lauten Statement gleichen, ist Jersey eher Unterstatement – zurückhaltend und elegant. Doch keinesfalls unscheinbar.
10 Antworten
BelAmi vor 6 Jahren 37 8
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Adieu tristesse!
Um ehrlich zu sein, hatte ich (nach der leisen Enttäuschung von Gabrielle..) keine großen Erwartungen an diesen Duft. Ich mag das Extrait von Mademoiselle sehr. Warme, weiche Orange, doch mit relativ geringer Sillage. Ein Duft eher für sich allein und den Nächsten ganz nah, wenn auch mit sehr guter Haltbarkeit. Das EdT ist mir eine Spur zu quietschig im Auftakt und auf meiner Haut dann auch sehr schnell verflogen. Das EdP hält eine Ewigkeit (8-10 Std.), wird zum Ende hin immer schöner, hat jedoch im Auftakt bei mir eine sehr, sehr unangenehme Note, die mir in der Nase sticht wie der Duft von Nagellackentferner (ich hasse den Geruch von Nagellackentferner..).

Der Duft wird mit einer Überdosis Patschuli angekündigt. Vor Patschuli habe ich immer ein bisschen Angst. Ich verbinde damit leider muffige Dufterinnerungen (auch wenn ich hier belehrt wurde, dass ein hochwertiges Patschuli dem wohl nicht ganz gleich kommt..). Doch ich war neugierig. Wollte wissen, welche angekündigten Extreme sich hier verbinden würden. Ich wollte testen, nicht nur einen kleinen Sprüher verstohlen auf den Arm, wo man notfalls den Ärmel drüberziehen kein. Nein, bitte richtig.

So sprühte mich die Chanel-Beraterin großzügig ein. Zwei Sprüher auf jedes Handgelenk, drei auf meinen Hals und Dekolleté. Das sind ungefähr vier Sprüher mehr (aus einem 100 ml-Chanel-Flakon) als ich sonst zu sprühen wage. Zuerst stieg mir eine wunderschöne fruchtige Orange in die Nase. Unverkennbar Chanels Mademoiselle – jedoch von ihrer schönsten Seite! Kein Muff, keine Nagellackentfernernote! Doch schon oft hatte ich mich in eine Kopfnote verliebt und war schon bei der Herznote enttäuscht.. Abwarten. Schal um den kräftig eingesprühten Hals gewickelt und mit leichten Bedenken, eine schon fast sichtbare Parfumwolke durch Hamburg zu tragen, hinaus in die Wintersonne bei 0 Grad und die letzten Erledigungen machen. Keine bösen Blicke, kein hörbares Getuschel. Gut. Nach einer guten Stunde bei der Tante angekommen (die eine recht feine Nase hat) und ihr „schnupper Mal an mir!“ befohlen. Fazit: „riecht gut, angenehm, stört mich nicht“ (das ist ein Kompliment, sie mag Parfums nicht sonderlich). Ich: „Keine Parfumwolke, nicht zu viel??“ „Nee, ich hätte fast an deinem Hals knabbern müssen, so dezent.“. Das gibt mir Rätsel auf. Ich fühlte mich noch immer in einer für mich sehr, sehr gut wahrnehmbaren Duftwolke. Wenn ich jetzt – fast 24 Stunden später - an der Garderobe vorbeigehe, wo der Schal von gestern auf der Ablage liegt, weht mir noch ein leiser, sonniger, warmer Orangen-Mademoiselle-Duft entgegen. Ich möchte fast schreiben „Wärme, Wärme, Wärme“. Warm, weich und einhüllend. Mir kommen immer wieder die Zeilen aus Francoise Sagans „Bonjour Tristesse“ in den Sinn: „..setzte ich mich schweigend mit einer Tasse Kaffee und einer Orange auf die Stufe und widmete mich den morgendlichen Genüssen: Ich biß in eine Orange, und ihr süßer Saft spritze mir in den Mund; gleich darauf folgte ein Schluck kochend heißen schwarzen Kaffees und wieder die frische Süße der Frucht. Die Morgensonne wärmte meine Haare..“

In Farben gesprochen ein leuchtendes, volles, warmes Orange.. Ich meine deutlich Orange-Vanille mit der Mademoiselle-DNA zu riechen. Auf meiner Haut hielt er 6-8 Stunden. Eher 8 Stunden.

Intense ist sicher nicht die Sillage und darüber bin ich glücklich. Sie ist stärker als die des Extraits und des EdT's, doch dezenter als die des EdP. Intense empfinde ich schlicht als ausdrucksstärker als das Eau de Parfum (und als das Eau de Toilette sowieso).

Schon beim ersten Riechen berührte er etwas in mir und das hielt auch nach 8 Stunden noch an. Einer, von dem ich mir vorstellen könnte, sogar einen großen Flakon aufzubrauchen. Man muss wohl nur damit umgehen können, dass einem sehr, sehr ähnliche Modelle tagtäglich auf der Straße begegnen. Mein Fazit: Wunderschön, doch (für das Umfeld) nicht eben einzigartig.
8 Antworten
6 - 10 von 25