09.02.2020 - 13:37 Uhr

Palonera
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Palonera
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66
Summer of Twenty-Three
Novembergrau stand draußen vor den Fenstern – der Himmel wolkenschwer, die Scheiben reich beperlt.
Den ganzen Tag hindurch hatte er geweint, der Himmel, hatte meine Haut gefröstelt, meine Seele schließlich auch.
Auf der Suche nach ein wenig Wärme, nach Licht und Tröstemich fand ich weiche Wolle, Kuschelsocken, ganz unerwartet schließlich auch noch dich: ein kleines, flaches Fläschchen, unberührt, gefüllt, so schien es mir, mit Sonnengold.
"L'Instant de Guerlain", 16 Jahre alt.
Es war der heißeste Sommer seit Menschengedenken, seit Täubchengedenken – nie zuvor, soweit ich mich erinnern konnte, wurden im Ruhrgebiet Werte gemessen wie jene im Sommer 2003.
Sie ließen die 30-Grad-Marke unbeeindruckt hinter sich, umtänzelten die 40, drehten den Schweißtropfen eine Nase und killten die Klimaanlage in jenem ICE, der mich zu ihm brachte, zu ihm, dem Unbekannten und mir doch so Nahen, nach Berlin.
Wir waren einander begegnet vier Monate zuvor, begegnet in irgendeinem Chat, fremd noch, neu noch, hatten "Hallo!" gesagt und "Wie geht's Dir?", was man so sagt halt am Anbeginn der Zeit.
Ich war nicht auf der Suche, nicht nach mehr als nur ein wenig Zeitvertreib, einem Schwätzchen hier und da.
Und nun, an diesem Morgen, war ich auf dem Weg zu ihm - sein Bild in meinem Kopf, das Herz im linken Schuh.
Blau waren seine Augen, türkisblau wie der Himmel über der Lausitz, wie das Wasser im Baggersee.
Wir lagen Hand in Hand dort auf dem Rücken, die Haut verklebt von Sonnenmilch, paniert vom Sand.
Wir fütterten einander mit kandierten Früchten, mit Aprikosenmarmelade, kleckerten und küßten sie dann fort.
Er vergrub seine Nase in Cocos "Mademoiselle", mein Kopf lag auf dem Sonnengold seiner Haut.
Wir sahen die Sonne untergehen in Bernstein und Apricot, hüllten uns in den schwarzen Samt der Nacht, erzählten uns von den Sternen und den Steinen unserer Zeit.
Wir teilten Stunden, Tage, Wochen – zwei ganze Jahre lang.
Als er ging, trug ich "Allure".
"L'Instant de Guerlain" beamt mich zurück in dieses Jahr, in diesen Sommer, zu diesem Mann.
Sechzehn Jahre sind seither vergangen – der Duft läßt sie mich überbrücken mit nur einem Atemzug.
Er trägt die Sonne jener Tage in sich, ihren Duft und ihre Wärme, unbeschwert und sinnlich und entschieden feminin.
Ein Duft, verschwistert mit den Chanels, geprägt vom Aufbruch in die neue Zeit – nicht unbekannt mit seinen sonnenwarmen Früchten, mit seinem Bouquet dichter, reicher Blüten, mit seinem Honigharz, jedoch nicht laut mehr, nicht machtvoll-opulent wie "Roma" und "Venezia", wie meinetwegen auch "Laguna".
"L'Instant de Guerlain" ist sanfter, leiser, weicher auch, getupft zumindest, nicht gesprüht auf meiner Winterhaut.
Und tröstlich.
So sehr tröstlich wie der Freundin warmer Arm.
Nicht nur an jenem Tag, an dem die letzte Rose brach.
Den ganzen Tag hindurch hatte er geweint, der Himmel, hatte meine Haut gefröstelt, meine Seele schließlich auch.
Auf der Suche nach ein wenig Wärme, nach Licht und Tröstemich fand ich weiche Wolle, Kuschelsocken, ganz unerwartet schließlich auch noch dich: ein kleines, flaches Fläschchen, unberührt, gefüllt, so schien es mir, mit Sonnengold.
"L'Instant de Guerlain", 16 Jahre alt.
Es war der heißeste Sommer seit Menschengedenken, seit Täubchengedenken – nie zuvor, soweit ich mich erinnern konnte, wurden im Ruhrgebiet Werte gemessen wie jene im Sommer 2003.
Sie ließen die 30-Grad-Marke unbeeindruckt hinter sich, umtänzelten die 40, drehten den Schweißtropfen eine Nase und killten die Klimaanlage in jenem ICE, der mich zu ihm brachte, zu ihm, dem Unbekannten und mir doch so Nahen, nach Berlin.
Wir waren einander begegnet vier Monate zuvor, begegnet in irgendeinem Chat, fremd noch, neu noch, hatten "Hallo!" gesagt und "Wie geht's Dir?", was man so sagt halt am Anbeginn der Zeit.
Ich war nicht auf der Suche, nicht nach mehr als nur ein wenig Zeitvertreib, einem Schwätzchen hier und da.
Und nun, an diesem Morgen, war ich auf dem Weg zu ihm - sein Bild in meinem Kopf, das Herz im linken Schuh.
Blau waren seine Augen, türkisblau wie der Himmel über der Lausitz, wie das Wasser im Baggersee.
Wir lagen Hand in Hand dort auf dem Rücken, die Haut verklebt von Sonnenmilch, paniert vom Sand.
Wir fütterten einander mit kandierten Früchten, mit Aprikosenmarmelade, kleckerten und küßten sie dann fort.
Er vergrub seine Nase in Cocos "Mademoiselle", mein Kopf lag auf dem Sonnengold seiner Haut.
Wir sahen die Sonne untergehen in Bernstein und Apricot, hüllten uns in den schwarzen Samt der Nacht, erzählten uns von den Sternen und den Steinen unserer Zeit.
Wir teilten Stunden, Tage, Wochen – zwei ganze Jahre lang.
Als er ging, trug ich "Allure".
"L'Instant de Guerlain" beamt mich zurück in dieses Jahr, in diesen Sommer, zu diesem Mann.
Sechzehn Jahre sind seither vergangen – der Duft läßt sie mich überbrücken mit nur einem Atemzug.
Er trägt die Sonne jener Tage in sich, ihren Duft und ihre Wärme, unbeschwert und sinnlich und entschieden feminin.
Ein Duft, verschwistert mit den Chanels, geprägt vom Aufbruch in die neue Zeit – nicht unbekannt mit seinen sonnenwarmen Früchten, mit seinem Bouquet dichter, reicher Blüten, mit seinem Honigharz, jedoch nicht laut mehr, nicht machtvoll-opulent wie "Roma" und "Venezia", wie meinetwegen auch "Laguna".
"L'Instant de Guerlain" ist sanfter, leiser, weicher auch, getupft zumindest, nicht gesprüht auf meiner Winterhaut.
Und tröstlich.
So sehr tröstlich wie der Freundin warmer Arm.
Nicht nur an jenem Tag, an dem die letzte Rose brach.
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