Buchmensch

Buchmensch

Rezensionen
Filtern & sortieren
11 - 15 von 20
Buchmensch vor 10 Jahren 8 4
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Zwischen Liebreiz und Niesreiz
Als ich im vergangenen Jahr wieder angefangen habe, bei Onkel Yves zu bestellen, sind mir die »Secretss d'Essences« gleich ins Auge gesprungen, und ich habe, Ebay sei dank, schnell die Reihe vollständig gehabt. Aber der einzige dieser Düfte, der mich von Anfang an voll überzeugt hat, war Rose Absolue. Voile d'Ambre, von dem ich eigentlich die höchsten Erwartungen hatte, war in erster Instanz eher eine Enttäuschung, aber das hatte einen ganz einfachen Grund: Ich hatte, einer Fehlübersetzung im Yves-Rocher-Webshop sei Dank, etwas völlig anderes erwartet: Einen Hauch von Ambra.

Seit ich als Zehnjährige vom Thema Seefahrt fasziniert war und auch Berichte über das Leben als Walfänger im neunzehnten Jahrhundert verschlungen habe, wollte ich wissen, was es mit diesem geheimnisvollen Ambra auf sich hatte, und ein Parfum mit dieser geheimnisvollen Substanz zu bekommen, versprach mir die Beantwortung eines alten Rätsels. Natürlich hätte ich mich fragen können, was ein selbsternannrer Hersteller von Pflanzenkosmetik mit einem tierischen Produkt wie Ambra hätte anfangen wollen, aber heutzutage muss ja kein Pottwal mehr für die Ambragewinnung sterben, konnte ich das mit meinem Gewissen durchaus vereinen. Dass nirgendwo in der Duftpyramide das Wort »Ambra« vorkam, hätte mich zwar stutzig machen müssen, aber wirklich, wer kann dieser zauberhaften Bernsteinfarbe widerstehen?

Dann kam der Duft, wurde aufgesprüht, und alles was ich wahrnahm, war warmes Salz. Ich wusste ja nicht, wie mein Pottwalsekret riechen sollte, aber ich hatte mehr erwartet - irgendwas animalisches, oder so. Etwas, das es wert war, dass arme Seeleute dafür vor Grönland ihre Leben riskierten, als der Walfang noch ein Kampf war, bei dem oft genug das Tier gewann und trotzdem eine blutige und abscheuliche Schlachterei. Wäre ich für diesen Duft nur mit einem Spieß bewaffnet in einer Nussschale einem achtzehn Meter langen Raubtier entgegengetreten? Sicher nicht.

Erst, als ich meinen Irrtum erkannt, lernte ich den Duft schätzen - dafür aber sehr. Da mag auf der Yves-Rocher-Webseite in noch so geschwungenen Buchstaben stehen »Entdecken Sie die Magie von Ambra« - der zuständige Werbetexter hätte sich besser einmal im Parfumo-Forum bei den Übersetzungshilfen umgesehen und erkannt, dass »Ambre« in diesem Fall nicht das Ambra bezeichnet, sondern Amber, den Bernstein. Zugegeben, Bernsteich riecht nach gar nichts. Ich besitze eine Menge Bernsteinschmuck, ich muss es wissen: völlig geruchsneutral, das Zeug. Aber man hat trotzdem eine Vorstellung, von etwas Warmem, Süßen, Harzigen. Voile d'Ambre hat eine dominante Weihrauchnote, Weihrauch ist ein Harz, und Harz wird zu Bernstein - endlich passt alles zusammen.

Und beim zweiten Tragen habe ich mich dann endgültig in diesen Duft verliebt. Ja, er ist warm und salzig, und ich bekomme einen Niesreiz davon, ähnlich wie wenn im Gottesdienst die Messdiener es wieder einmal zu gut meinen und so großzügig den Weihrauchschwenker schwenken, dass der arme Chor oben auf der Orgelbühne das schiere Röcheln bekommt - aber oh. mein. Gott. riecht das gut! Es ist üppig und vielschichtig, kräftig und bringt eine kleine Sonne in meinen Winter. Normalerweise reicht mir bei Parfum ein einziger Sprühstoß, damit ich zufrieden bin, aber von Voile d'Ambre kann ich gar nicht genug bekommen. Und wenn mir danach eine halbe Stunde lang das Näschen tropft: Da muss die doppelte Dosis drauf! Und dann sitze ich da und schniefe und gehe schier über vor Glück.

Eigentlich ist Voile d'Ambre eine alte Bekannte von mir, eng verwandt mit einem meiner allerliebsten Yves-Düfte aus den Neunzigern. Und da ich noch immer eine Flasche davon besitze, kann ich es direkt vergleichen: Der Duft ist reifer, erwachsener, ein wenig herber - aber seine Verwandtschaft zu Venice kann Voile d'Ambre nicht verleugnen. Wo Venice noch eine zu dominante Vanillenote mit sich brachte, ist die beim Amberduft noch immer spürbar, aber deutlich dezenter: Die Zeiten haben sich geändert, und Voile d'Ambre ist das Venice des neuen Jahrtausends.

Wirklich, ich kann gar nicht genug davon kriegen. Am liebsten würde ich es jeden Tag tragen, aber ich habe ein wenig Angst, dass ich dann seiner überdrüssig werden könnte. Aber immer, wenn ich es trage, finde ich darin etwas Neues, Spannendes, und erfreue mich daran. Und von meinen Freunden werde ich gefragt, was da so gut an mir riecht, ich muss mich also dieses Duftes nicht schämen. Bis jetzt habe ich noch nie volle hundert Prozent für ein Parfum vergeben, aber hier fällt mir einfach kein Grund ein, warum ich es nicht tun sollte. Natürlich, da ist noch der Faktor Niesreiz im Spiel, aber der drückt die Gesamtwertung überhaupt erst von 120% in den normalen Bereich.

Ich habe zwar immer noch keine Ahnung, wie echtes Ambra, also das vom Wal, riecht. Aber ich will es auch gar nicht mehr wissen. Ich habe meinen Weihrauchwumser 2.0. Und ich denke fast, ich brauche nie wieder im Leben ein anderes Parfum.
4 Antworten
Buchmensch vor 10 Jahren 5 2
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
4
Duft
Blah blah … Just A Little Beige
Von einem kleinen goldenen Kleid erwarte ich keine Zurückhaltung. Ich habe die Australierin Gina G vor Augen, die 1996 beim Eurovision Song Contest für Großbritannien antrat, gewandet in ein spektakuläres Kleid aus Goldmünzen von Paco Rabanne, das nicht nur spektakulär teuer war in einer Zeit, als tatsächlich die Künstler noch teurer eingekauft wurden als ihre Gardeoben, sondern auch so spektakulär kurz war, dass Ginas Mutter, so will es die Legende, noch zwei Reihen von Münzen an den unteren Saum nähte, um ihre Tochter nicht völlig unzüchtig auf die Bühne zu lassen. Am Ende reichte es für Ginas "Ooh Aah … Just A Little Bit" nur für einen achten Platz, und das ist auch das einzige, was Avons "Little Gold Dress" mit Ginas Kleid gemeinsam hat.

Der Duft ist nämlich genau das, was er bei einem Namen wie diesem nicht sein darf: Langweilig. Beliebig. Schüchtern. Es gibt Avon-Düfte, die tatsächlich einen Charakter haben, die Spaß machen und aus der Masse herausstechen. Aber der überwiegende Teil von dem, was Avon jedes Jahr auf den Markt wirft, riecht in erster, zweiter und dritter Linie nach Avon. Das ist natürlich toll, eine echte Markenidentität, Wiedererkennnungswert, etc, blah blah blah, aber leider ist diese typische Avon-Note nicht einmal angenehm: undefinierbar, süßlich, chemisch.

Immer wieder führe ich verzweifelt mein Handgelenk nasenwärts, um aus diesem Duftmatsch irgendetwas herauszuriechen. Die Duftpyramide verspricht so viele Köstlichkeiten - Jasmin, Amber, Sandelholz, Vanille … Meine Nase findet nichts als Avon. Wenn man einer verdreckten Pfanne mit der chemischen Keule zuleibe rückt und hinterher vergisst, die ätzenden Chemikalien wieder aus der Pfanne zu waschen, bevor man darin die Zuckerwatte anrührt, könnte das Ergebnis ähnlich riechen. Bestenfalls die fruchtigen Noten kommen ein wenig durch, aber sie werden schlichtweg erschlagen mit dem Avonhammer.

Was der Duft überhaupt nicht ist, ist golden. Es fängt schon damit an, dass die Flasche selbst nur eib paar dezente goldene Elemente hat, passend zum Rest der "Little [insert colour here] Dress" Reihe, und der Inhalt das gleiche Understatement versprüht, das zu einem Goldkleid nicht passen will. Genauso verwechselt der Duft selbst Penetranz mit Opulenz - ihm fehlt einfach ein Gegenpol. Etwas Würziges, etwas Warmes … Statt dessen gibt es eine diffus-säuerliche Note, chemische Schärfe, aber nichts, was den Duft rund machen würde.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und so gebe auch ich mein Handgelenk nicht auf, damit ich nicht den einen Moment verpasse, in dem das Sandelholz durch das Dickicht bricht und mir ein paar Vanillestangen mitbringt, aber ich warte vergeblich. "Little Gold Dress" beginnt matisch und beliebig, und egal wie viel Zeit verstreicht, es kommt nicht über seine matschige Beliebigkeit hinweg. Die Intensität ist, verglichen mit anderen Avon-Düften, eher mau, aber ich bin nicht traurig darum. Auch die Haltbarkeit habe ich schon besser erlebt. Aber wenn jemand sich fragt, wieso Avon, immerhin eine etablierte Marke, in Parfumo-Kreisen nicht sonderlich beliebt erscheint, dem empfehle ich ein paar Nasen voll "Little Gold Dress".

Da werden jedes Jahr so viele neue Parfüms auf den Markt geworfen, dass auf ein paar echte kleine Juwelen vieles kommt, was einfach nur Blah ist und auch so riecht. Nach ein, zwei Jahren wird das Zeug dann wieder vom Markt genommen und durch anderen Blah ersetzt, ohne groß vermisst zu werden. Wer versucht, seine Avon-Sammlung zu vervollständigen, kommt um diesen Duft natürlich nicht herum. Aber so ziemlich jeder andere sollte darauf verzichten können. Nicht, weil der Geruch so schlimm wäre - er ist nicht schlimm, nur, im wahrsten Sinne des Worts, stinklangweilig. Es hinterlässt keinen Eindruck, und das ist so ziemlich das schlimmste, was ich über ein Parfüm sagen kann.

So wie Gina G sich weder auf der Eurovisionsbühne durchsetzen konnte, noch gegen ihre allzu um Anstand bedachte Mutter, wagt auch "Little Gold Dress" zu wenig, und was golden hätte sein können, ist am Ende dann doch nur ein trauriges Beige.
2 Antworten
Buchmensch vor 10 Jahren 11 4
7.5
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
5
Duft
Entschuldigung, aber haben Sie meine Grüne Fee gesehen?
Als Autorin auf der ständigen Suche nach flüssiger Muse komme ich natürlich an einem Duft, der sich »Absynthe« nennt, nicht vorbei. Aber wo sich andere bei dem Namen an Filme erinnert fühlen - z.B. »Total Eclipse« mit Leonardo DiCaprio (»Absith. Zwei.«) - oder Kunstwerke - Picasso, van Gogh - bringe ich in Sachen Absinth Erfahrungen aus erster Hand mit. Natürlich, als verrückte Genie, das etwas auf sich hält, bin ich in meiner wildbewegten Jugend nicht daran vorbeigekommen.

Mit Mitte zwanzig wohnte ich in einer Künstlerkommune - okay, es war eine Wohngemeinschaft mit zwei Freundinnen, und wir hatten so banale Brotberufe wie Kindergärtnerin, Buchhändlerin, Bürokauffrau, aber trotzdem waren wir Künstler, ich mit meiner Schriftstellerei, meine Freundinnen haben gemalt. Die beiden waren Goths, ich ein Schlunz auf der Suche nach einem eigenen Stil, und die alten Meister hatten es uns angetan, insbesondere die Dichter um Shelley und Lord Byron. Die haben eher keinen Absinth getrunken, sondern sich mit Laudanum ins Reich der Träume befördert, aber es ist zugegeben schwer, im Köln der Jahrtausendwende auf legalem Weg an Laudanum zu kommen. Aber wir haben eine Flasche Absinth aufgetrieben, Souvenier aus Prag, angeblich »Der Richtige Stoff«, und versucht, uns ein verrucht-künstlerisches Ansehen zu geben und auszuprobieren, ob das Zeug seinen Ruf wirklich verdient.

Schnelle Antwort: Die Glorifizierung von Absinth ist völlig überzogen, zumindest mit dem, was man heutzutage kaufen kann, selbst in Prag. Pur genossen, schmeckt es, als würde man Mundwasser trinken. Mit der klassischen Absinthzeremonie, bei der man einen Zuckerwürfel über einem Glas Absinth flambiert und mit Wasser ablöscht, bekommt man einen ganz leckeren, trinkbaren Likör, aber da der Großteil des Alkohols in Flammen aufgeht, wenn brennender Zucker in das Glas tropft, ist das Ganze sehr eindrucksvoll, aber weniger berauschend, als man meinen sollte. Trotzdem, ich kann sagen, ich habe in einer Künstlerkommune gelebt und nachts bei Kerzenschein auf dem Balkon Absinth getrunken.

Im Paris des 19. Jahrhunderts hat das Absinthtrinken eine beispielslose Welle des Elends ausgelöst, Menschen in die völlige Verarmung gestürzt und war Inbegriff des sozialen Absturzes. Alle heutige Glorifizierung mal außenvor, möchte man wirklich sein Parfum nach einer derart negativ belegten Sache benennen? Ich würde mich auch nicht mit »Cholerà« oder »Guerre Mondiale« einstinken wollen, aber Düfte nach (Rausch-)Giften zu benennen, hat lange Tradition - ich sage nur Poison oder Opium. Und das Marketing war auch bei mir ein Erfolg: Heißt Absinth? Wird gekauft!

Aber wie riecht er denn nun, der Absinth aus dem Hause Avon? Erst einmal: Nicht nach Absinth. Der Duft beginnt zwar ähnlich alkoholisch, aber das verfliegt schnell und weicht dem üblichen Avon-Aroma, bis das dann endlich dem eigentlichen Duft Platz macht. Aber Anis und Wermut, die im Absinth wirklich sehr dominieren, scheinen nur in alibimäßigen Dosen enthalten zu sein und kommen überhaupt nicht durcht, statt dessen hat man die satten grünen Aromen von Moos, Holz, und nassem Rasenschnitt. Es ist kein schlechter Duft, gar nicht süß, ziemlich herb, erfrischend, nur darf man nicht zu nah mit der Nase ans Handgelenk gehen, dann mischt sich nämlich eine muffige Note darunter, wie ein gärender Komposthaufen. Aber mit ein bisschen Distanz ist es ein wirklich feiner, grüner, nicht zu aufdringlicher Duft.

Nur Absinth? Da erinnert es mich doch eher an die Waldmeister-Aromen meiner Kindheit. Ich will nicht zu streng mit dem Team von Christian Lacroix ins Gericht gehen, denn sie behaupten nicht, dass die Substanz in dem hübschen grünen Fläschen wirklich Absinth wäre, aber natürlich soll der Duft inspirieren, Assoziationen wecken, nicht unbedingt an den echten tollkirschehaltigen Elendsbringer vom Montmartre, sondern an die Kunst, die in seinem Namen hervorgebracht wurde. Und das gelingt, zumindest in meinem Fall, nicht wirklich. Ich fühle mich weniger an die romantischen Stunden auf dem Balkon erinnert, als mehr an einen Waldspaziergang im Regen. Kein schlechter Geruch. Nur mit Absinth hat das für mich nicht viel zu tun.
4 Antworten
Buchmensch vor 10 Jahren 19 3
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Ein Spritzerchen Inspiration
In der Zeit um die Jahrtausendwende, als ich noch regelmäßig bei Yves Rocher bestellte, flatterte mir einmal als Dreingabe eine Miniatur dieses Duftes ins Haus, und ich war sofort hin und weg. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals im Leben so etwas Schönes gerochen zu haben, und nachdem ich wochenlang immer um die Rose aus Ispahan herumgeschlichen war, habe ich das nächste halbwegst günstige Angebot abgepasst und mir die große Flasche EdT bestellt. Mein neuer Lieblingsduft! Ich konnte immer und immer wieder an der Miniatur oder der Sprühdüse schnuppern - nur eines konnte ich nicht: Mir vorstellen, diesen Duft jemals zu tragen.

Rose Ispahan ist süß. Ganz und gar süß. Natürlich, die Rosenblüten brauchen sich nicht verleugnen zu lassen, und das ganze wird von einem orientalisch-würzigen Hauch eingehüllt, der von der ersten Sekunde an da ist, trocken wie Wüstensand, ohne dass man sich erst durch lästige frische kopfnoten arbeiten müsste. Von der ersten Sekunde an blüht meine Wüstenrose und verändert sich dann kaum weiter, bis sie irgendwann am anderen Morgen zu verwelken beginnt. Aber in allererste Linie ist Rose Ispahan zuckersüß.

Ich liebe diesen Duft an sich, aber ich will nicht so riechen, vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Ich hätte Angst, dass sich sofort alle Fliegen, Ameisen und Wespen der näheren und weiteren Umgebung auf mich stürzen würden, um mich bei lebendigem Leibe aufzufressen. Es wäre mir auch peinlich, wenn sich die Leute auf der Straße umdrehten, weil gerade ein kandiertes Röschen mit nicht zu verachtender Sillage an ihnen vorbeimarschiert. Ich bin eine ernstzunehmende, erwachsene Frau, und der Duft von Rose Ispahan ist weder das eine, noch das andere. Ich will ihn noch nicht einmal an anderen Frauen riechen.

Aber trotzdem liebe ich diesen Duft, liebte es, an der Flasche zu schnuppern, und mich von meiner Wüstenrose ins Reich der Phantasie tragen zu lassen. Und mit den Jahren wurde daraus ein festes Ritual. Mich in meinen Phantasien zu verlieren, war vielleicht einmal die Flucht aus meinem Alltag, aber inzwischen ist es mein Beruf. Ich bin selbständig als freie Schriftstellerin, und dann kann ich nicht mehr nur dann Schreiben, wenn mir gerade danach ist - besser gesagt, ich kann nur schreiben, wenn mir danach ist, aber ich muss dieses Gefühl auf Kommando anknipsen können. Und so begann ich vor einigen Jahren, das Parfum, das ich bis dahin nie aus der Flasche gelassen hatte, auch zu benutzen.

Ich bin immer noch sehr zurückhaltend damit. Meinem Mann ist der Duft zu intensiv, zu süß, und ich warte, bis er im Bett ist und meine eigentliche Arbeitszeit beginnt - seit ich meine Zeit selbst einteilen kann, bin ich ein rechter Nachtmensch geworden und sehe das Tageslicht an manchen Tagen im Winter nur in Form meiner Tageslichtlampe. Nachts bin ich ungestört zum Arbeiten, und wenn ich nicht mehr weiterweiß oder keine Lust mehr habe, nehme ich ein paar kräftige Züge von meinem Handgelenk, und weiter geht's. Damit stehe ich in der langen Tradition verrückter Autoren, die sich mit verschiedenen Mittelchen - innerlich wie äußerlich angewandt - in Schreiblaune versetzen. Schiller hatte vermoderne Äpfel in der Schreibtischschublade: Jeder aus meinem Bekanntenkreis ist froh, dass ich Rose Isphahan bevorzuge. Es ist für mich so etwas wie meine Berufskleidung geworden: Ich lege mein Parfum an, damit trete ich vom Freizeit- in den Arbeitsmodus über. Meine Muse kommt auf Knopfdruck.

Nur eine Sorge macht mir zu schaffen: Rose Ispahan ist seit Jahren nicht mehr im Sortiment von Yves Rocher. Ich habe mir schon vor zwei Jahren, als ich anfing, den Duft regelmäßig zu benutzen, auf Ebay eine zweite Flasche ersteigert, die jetzt im dunklen Schrank darauf wartet, dass die erste aufgebraucht ist, aber früher oder später werde ich keinen Nachschub mehr bekommen. Ich darf mich nicht zu sehr von diesem einen speziellen Duft abhängig machen. Aber Flexibilität ist nicht meine große Stärke, wenn es ums Schreiben geht - jahrelang konnte ich nur auf ganz bestimmten Collegeblöcken schreiben, und als ich gezwungen war, auf das handschriftliche Vorschreiben zu verzichten und direkt am PC zu arbeiten, weil mein Pensum zu groß geworden war, um es auch noch doppelt zu erledigen, war das eine große Umstellung.

Zur Zeit probiere ich alle möglichen Düfte aus, um den einen zu finden, der es mit Rose Ispahan aufnehmen kann. Es waren viele schöne (und ein paar fiese) Sachen dabei, Düfte, die ich auf der Straße tragen mag, beim Einkaufen, zur Chorprobe oder bei feierlichen Anlässen, aber noch war keiner darunter, mit dem ich einfach meine Schreiblaune anknipsen kann - vor allem die Kopfnoten machen mir zu schaffen. Ein Duft, der sofort da ist, der süß und romantisch ist und der mir Geschichten aus fernen Ländern erzählt, das gibt mir immer noch nur mein Rose Ispahan. Schlimmstenfalls muss ich in ein paar Jahren in noch eine Ebay-Flasche investieren, obwohl die inzwischen wirklich arg angezogen sind im Preis und nihct günstiger werden, je länger der Duft vergriffen ist.

Und ich bedaure, dass ich mir nie das originale Ispahan gekauft habe, als es noch zu haben war - ich habe es wohl mal im YR-Laden getestet, aber es scheint mich nicht vom Hocker gehauen zu haben, während die kleine rosige Schwester ja vom ersten Molekül an bei mir einschlägt wie eine Bombe. Ein Duft, der keine große Zukunft hatte, viel zu süß für den Alltag, zu verspielt für die Großen, zu schwülstig für die Kleinen. Aber ein ganz besonderer Duft, der immer einen festen Platz in meinem Herzen haben wird.

Und sollte ich mit meiner Schreiberei mal einen großen Preis gewinnen, weiß ich schon, wen ich in meiner Dankesrede erwähnen werde: meinen Mann und meine Eltern. Man kann es auch übertreiben. Aber trotzdem: Diesem Duft verdanke ich viel.
3 Antworten
Buchmensch vor 10 Jahren 12 4
5
Flakon
2.5
Sillage
5
Haltbarkeit
5
Duft
Einmal Schnitzel à la Bombay, bitte!
Dupes passieren. Ich hatte es vielleicht etwas zu eilig, meine Sammlung aufzubauen und zu erweitern, damit es nicht mehr so aussieht, als ob ich meine Seele an Yves Rocher verkauft hätte, und der einfachste Weg dorthin war, auf Ebay bei auslaufenden Auktionen zu kleinem Preis zuzuschlagen. Ein paar Glücksgriffe waren dabei, aber unterm Strich muss ich zugeben, dass das meiste, was mich auf diesem Weg erreicht hat, nicht überzeugen konnte, und ich in Zukunft lieber nur ab und zu, wenn es eine bespndere Gelegenheit gibt, in einen neuen Duft investiere, dafür aber in einen guten.

Zum Beispiel, sollte ich einen tollen Buchvertrag bekommen, was mein großer Wunsch für 2014 ist, werde ich mir einen Wunsch erfüllen, vielleicht Opium oder Poison. Statt dessen die edlen Aromen mit billigen Dupes imitieren, ist jedenfalls nicht mein Ziel - nicht mal, weil ich ein solcher Snob bin, dass mir nur Markenprodukte auf die Haut kommen, und auch nur zum Teil aus Sorge, dass die billigen Wässerchen auf ebenso billige Komponenten setzen, die meine empfindliche Epidermis zu sehr reizen können. Vor allem will ich auf die Originale setzen, weil ich als Autorin selbst eine Urheberin bin und Wert darauf lege, dass derjenige, der etwas erschaffen hat, auch derjenige ist, der am Ende etwas davon hat - und das gilt für Bücher und Musik genau so wie für Parfum. Jetzt sind Dupes keine Fälschungen, aber doch immer noch Imitate, und damit nicht das, in was ich mein Geld investieren will.

Aber wenn man kurzentschlossen und günstig einkauft, was gut klingt und aussieht, passieren Dupes. Und leider habe ich erst nach dem Kauf verstanden, was ich da gerade erworben habe - und auch wenn ich seitdem Marken wie La Rive oder Creation Lamis einen Bogen mache, sind die Produkte jetzt erst einmal da, und es ist mir zu peinlich, nachgemachte Parfums zu verschenken oder zu verkaufen, so dass ich sie jetzt erst einmal behalte. Ich habe Lehrgeld gezahlt, aber das gehört eben auch dazu. Nur sie zu benutzen, davor bin ich bis jetzt immer zurückgeschreckt. Ein wenig schäme ich mich einfach, das Zeug gekauft zu haben. Aber nachdem mir der Parfumo-Assistent heute Abend Look of Women empfohlen hat - und was Parfumo mir empfielht, kann nicht schlecht sein, gel? - habe ich es jetzt doch einmal ausprobiert.

Jetzt sitze ich auf dem Sofa und rieche wie eine indonesische Reistafel. Es gibt sicher schlimmeres, ich habe Reistafel schon immer gemocht, aber normalerweise trenne ich doch zwischen dem Geruch meines Essens und dem von mir selbst, und mein Mann hat nicht gesagt »Du riechst zum Anbeißen«, sondern meinte, als ich von ihm einen möglichst druckreifen Kommentar für meine Rezension brauche, dass ich nicht wie der Hauptgang rieche, sondern wie die mit Jasminseife getränkten warmen Frotteetücher, mit denen man sich nach dem Essen die Hände abreiben darf, nur süßer.

Die Gewürze kommen jedenfalls von Anfang an gut durch - der Safran noch mehr als der Ingwer, und es kommt eine Currynote dazu, Modell Schnitzel à la Bombay-Art vom Italiener an der Ecke, also alles außer authentisch. Die Birne wird dementsprechend auch mehr zur Ananas. Vielleicht würde mir an jemand anderem diese fruchtig-würzig-süße Mischung sogar gefallen, aber zu mir will sie einfach nicht passen. Ich empfinde den Geruch als zu klebrig, zu gorumandig, zu saftig für meine Bedürfnisse - ich kann süß tragen, aber dann muss es trocken riechen, orientalisch, holzig. Rose und Patchouli, die ich eigentlich gerne trage und die mir gut stehen, vermisse ich beide bitterlich.

Immerhin, der chemisch-stechende Geruch, der direkt nach dem Auftragen meine Schleimhäute reizt, verfliegt schnell, und die Sillage ist so dezent, dass mein Mann zum Probeschnuppern mit der Nase bis an mein Handgelenk musste, nicht mehr als zehn Minuten nach dem Auftragen. Allerdings habe ich beim Weihnachtlichen Parfümtesten mit meiner Schwiegermutter gemerkt, dass ich, was die Sillage eines Duftes angeht, keine verbindlichen Aussagen treffen darf. Meine Haut hat da einen eingebauten Schwalldämpfer - sie ist so trocken, dass wohl auch der Großteil der Duftstoffe aufgesogen wird, statt sie nach außen abzugeben. Meine Schwiegermutter füllt mit einem Probesprühstoß meines Parfums (Iris Noir von Yves Rocher) das ganze Haus, ich mit der gleichen Menge bestenfalls einen Kleinwagen.

Aber Look of Woman (ein Name, der arg nach mangelnden Englischkenntnissen klingt und irgendwie danach schreit, mit slawischem Akzent ausgesprochen zu werden) wirkt selbst für meine Verhältnisse schwachbrüstig. Da ich dem Original, Idole d'Armani, noch nie begegnet bin, kann ich nicht beurteilen, ob das am Dupe liegt und überhaupt, wie gut die Kopie an die Vorlage heranreicht, nur das Ergebnis für sich bewerten - aber für sich genommen, überzeugt es mich nicht. Es ist einfach nicht meine Kombination von Duftnoten. Und besonders winterlich finde ich ihn jetzt auch nicht, dafür ist er nicht stark genug, nicht prägnant. Es ist kein schlechter Duft, und nach dem Preis, den ich dafür bezahlt habe, hätte ich schlimmeres erwartet, was den Grad des Chemischen angeht. Trotzdem, in weitere Dupes werde ich jetzt nicht mehr investieren.
4 Antworten
11 - 15 von 20