Cafeliberte

Bei manchen Duftrichtungen renne ich meist schon davon, ohne das Parfum überhaupt gerochen zu haben. Mein persönlicher Favorit ist die Richtung "süß-fruchtig".
Am besten eine Duftpyramide mit Himbeere, Vanille und Pfirsichen darin und ich klicke in einer Zehntelsekunde schon wieder weg.
Als Dessert: mais oui!
In einem Parfum: hinfort mit dir, du klebriger Teufel!

Nun kam es so, dass ich durch eine sehr freundliche kleine Herstellerspende von Acqua del Garda - herzlichen Dank auch an dieser Stelle - zu sechs Proben der italienischen Marke kam, die sich als Wanderbrief unter die Nasen des Forums mischen.
N.3 Accordo Soave und hier als "süß-fruchtig" kategorisiert, war die letzte der Proben, ich hatte sie schon zu meinem Endgegner erkoren, und dann auch noch Himbeere, Vanille und Pfirsich in der Duftpyramide! Ich war auf alles gefasst, in Reichweite des Waschbeckens mit Seife, Bürsten, Alkohol und was immer es brauchen würde um den Sirup von meinem Handgelenk zu schrubben, denn bekannterweise haften die Parfüms die man am wenigsten ausstehen kann, wie Teer.

Da saß ich nun also, bekleidet in einem Morgenmantel aus lavendelblauer Seide, auf meiner Terrasse am Gardasee. Entspannt hatte ich vorhin noch ein duftiges Ölbad genommen das auch Cleopatra nicht verschmäht hätte, und meine Haut mit einer feinen Creme gepflegt. Es ist früher Abend, die Luft ist wohligmild, die steinernen Terracottafliesen unter meinen nackten Füßen aufgewärmt von der italienischen Sonne. Ich nippe an meinem Glas kühlen Weins, räkele mich in meinem Korbsessel und schwelge einfach ein wenig in den schönen Farben des Abendsonnehimmels, bevor mein Liebster nach Hause kommt.
Ach moment, es ist ja immer noch dieser verregnete Mai 2021, ich sitze auf meinem Sofa in einer grauen Großstadt Deutschlands, habe ein bisschen kalte Füße, meine Haare hängen auf halb Acht weil ich vorhin noch mit Gegenwind und Starkregen zu Edeka musste, weil die Butter für das Risotto nicht ausreichte, das ich kochen wollte. Der Schleudergang der Waschmaschine hat mich wohl eben aus meinem Tagtraum gerissen!

Statt der befürchtet schlimmsten Duftnoten rieche ich von der ersten Sekunde an milchigen, balsamischen, streichelweichen Moschus. Die Assoziation zu Körperpflege kommt sehr schnell auf, aber in einem durchaus sehr positiven, gepflegten Sinne. Was Vanille, Tonka und Mandel da miteinander in diesem Duft bewirken, dürfte die cremigsüßliche Seidigkeit unterstreichen, doch keine dieser Noten kann ich als einzelne herausriechen. Himbeere, Pfirsich oder Lakritze kann ich mit allen Bemühungen nicht erkennen.
Alles was ich rieche und wahrnehme, hat scheinbar überhaupt nichts mit der Duftpyramide und Duftkategorie zu tun, und ich frage mich gerade ein wenig, ob
a) meine Nase nicht richtig funktioniert? Doch, das kann ich versichern,
b) ich gerade das Bedürfnis nach einer Reise an den Gardasee habe? JA, wer nicht?,
oder
c) man sich immer wieder auf Neues einlassen muss, um positiv überrascht zu werden!

Ich möchte editieren:
Im Abgang kommt die Vanille dann doch präsenter hervor, durchaus süß, aber nicht aufdringlich und billig, sondern eher ein bisschen dickflüssig und golden.

Es gab ein paar Dinge von denen sie nie genug bekam.
Ein aromatischer Milchkaffee mit italienischem Espresso.
Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge, Mondsicheln, Vollmonde, Sternbilder, Sternschnuppen.
In Antiquariaten nach alten Büchern zu graben.

Und vor allem all die Gefühle die nur im Sommer existieren.
Wenn die Haut nach einem Tag in der mediterranen Sonne noch von innen golden nachglüht.
Wie sich Sorgen und Probleme für einen Moment in einzelne Tropfen auflösen und vom Meer davon getragen werden, und jede Welle einen leichter werden lässt.
Die kleinen gesammelten Muscheln und Steine die wie kleine Kostbarkeiten in den Taschen klimpern.
Wenn beim Beißen in reifes Obst der Nektar auf die Haut tropft und auf der salzgetrockneten Haut klebt.
Der warme Wind, der den Duft von Sträuchern und Steinen und Bäumen in sich trägt und mitnimmt.

In Ciavuru d'Amuri stecken kleine Momente in Duftform, die sie an all das erinnern.
Grüne Feigen ganz ohne die süßmilchige Kokosnote die oft in Feigendüften zum Vorschein kommt,
Jasminblüten die so transparent und subtil sind, dass sie sich zu keinem Augenblick allein in den Vordergrund schieben. Der Weihrauch ist so trocken und ätherisch, dass er sich nur darin bemerkbar macht, dass sich der ganze Duft so mit der Haut verbindet wie nach einem heißen Sommertag wenn alle Gerüche des Tages durch die Hitze mit der Haut verschmolzen sind und vielmehr ein Gesamtgefühl als ein Duft übrig bleibt.
Ein Traum von einem Feigenduft, der leider so flüchtig und wenig greifbar ist wie ein Traum selbst.

Ich würde gern eine wunderbar fantasievolle und ausgeschmückte Geschichte zu diesem Duft erzählen. Aber entweder gibt er es einfach nicht her oder ich bin nicht in der Lage dazu oder beides, aber irgendwie wundert es mich dass zu diesem Parfüm hier nicht eine Zeile zu lesen ist und ich finde ihn einfach unglaublich spannend und dass er es verdient, entdeckt zu werden.

Ich könnte mir vorstellen dass er ziemlich polarisiert, zumindest tut er das in meiner Wahrnehmung und ich muss dauernd an meinem Handgelenk riechen und frage mich was da vor sich geht.
Heute morgen kam der Duft in einem Probentauschbrief an (Merci lieber Moritz an dieser Stelle).

Ein Wohlklang ist der Name nicht gerade, genau genommen glaube ich nicht dass überhaupt jemand weiß wie man es aussprechen soll und ich versuche mir vorzustellen wie ich gefragt würde, was trägst du denn heute für einen Duft und ich dann sage "Das ist Ilzweipunktaoloid" oder so ähnlich. Dann fragt man sich vielleicht ob ich einen Scherz gerissen habe, dafür dass ich ein bisschen nach Seife und Waschküche und sauber geputzt rieche.
Aber im nächsten Moment rieche ich dann nämlich gar nicht mehr so, sondern - ja wie eigentlich, darauf will ich nämlich hinaus, ich weiß einfach nicht wonach ich da dufte.
Frisch aufgesprüht rieche ich ein paar Sekunden lang undefinierbare Iso-Synthetik, dann wird es plötzlich sehr zitrisch, aber nicht hesperidisch sondern Reinigungsmittel-zitrisch und das ist dann echt unschön. Aber jetzt nicht schlimm genug, dass ich ihn wegschrubben möchte, denn er ist nicht laut oder aufdringlich, nur echt seltsam.
Dann finde ich, dass der Duft jetzt ein bisschen wie eine Waschküche riecht, seifig und laugig, aber nicht so richtig altmodisch.
Aber er verändert sich noch etwas weiter und jetzt ist da eine Vertrautheit, die ich einfach nicht zugeordnet bekomme, es erinnert mich an irgendwas Vergangenes obwohl es nicht nostalgisch riecht.
Ich mag das irgendwie, aber es macht mich auch kirre dass ich den Duft einfach nicht greifen kann und nicht weiß was da für eine Assoziation in meinem Gehirn herumschwirrt und sich vor mir versteckt.
Das ist ähnlich unbefriedigend wie wenn man den Namen dieser einen Schauspielerin sucht aus diesem einen Film und man kommt einfach nicht drauf und es zwickt solange bis man eben doch Google fragt. Aber dummerweise kann ich Google dazu nicht befragen, also hänge ich mit der Nase dauernd dran und grüble.
Zum Glück ist der Duft jetzt außerordentlich angenehm geworden und ich hoffe, ich komm noch auf was.

Geza Schön ist ja für seine Synthetik-Kreationen bekannt und ich habe persönlich gar nichts gegen Iso-E und Ambroxan, aber finde diese Art Düfte auch oft langweilig, vielleicht weil in einer Großstadt wie Hamburg echt viele Menschen so riechen. Wenn ich dann Hedion (das lese ich heute überhaupt zum allerersten Mal), Iso-E Super und Moschus lese, dann denke ich spontan erstmal dass das eben einfach nur nach jungen, urbanen Großstadtmenschen riechen muss, aber irgendwie tanzt der Duft aus der Reihe. Er ist durch und durch unisex und ich kann ihn keiner Tages-, Jahres-, oder sonstigen Zeit zuordnen, aber ich hab seit dieser ganzen Pandemie ohnehin kein Zeitgefühl mehr und bewege mich gefühlt eher so seitlich an der Zeit vorbei, wenn das irgendwie Sinn ergibt.

Titel und Schlüsse finde ich ja immer am Schwierigsten und vielleicht schreibe ich deshalb meistens lieber ein kurzes, knackiges Statement, aber jetzt hab ich dem Duft zuliebe doch mal ein bisschen was geschrieben, ich finde der kann was.
Ich weiß nur nicht was.

Wenn ich mal einen Kommentar schreibe, dann kommt meist irgendwas mit Italien, Südfrankreich oder irgendwas Mediterranes darin vor. Das liegt daran, dass ich eine außerordentlich gute Tagträumerin bin und das perfektioniert habe, und mir aus all meinen Reisen und Erinnerungen und Souvenirs und Fotos meine Traumwelt ganz präsent erschaffen habe. Und irgendwann muss ich nicht mehr tagträumen, dann hab ich das Meer endlich ganz nah. Hab ich zumindest immer noch vor.

Auf einer dieser Reisen in die Toskana im Sommer 2018, die ich auch im Blog als kleinen Parfüm-Führer festgehalten habe, kam ich das erste Mal in einen Erbario Toscano Shop. Eine Kette, aber eine die ich persönlich ansprechend finde, da mir die Aufmachung der Shops und der Produkte gut gefällt. In Lucca fand ich mich also in einem dieser Shops wieder, und da war ich gerade in einer absoluten Feigenduft-Entdeckungsphase; wie könnte es auch anders sein, Philosykos war meine Einstiegsdroge und mit dem Bewusstsein, dass die grüne Feige und ihr Blattwerk olfaktorisch sehr mein Ding waren, musste ich jeden Duft der Fig-Figue-Fico im Namen hatte, testen.
Fico D'Elba wartete hier also auf mich, die Produktreihe in Grüntönen gehalten.
Ich entdeckte einen Duft, der mich nach dem ersten Spritzer auf das Handgelenk überzeugt hatte, und den ich mir in der 10ml Travelsize zu einem kleinen Preis gönnen konnte. Ich bekam noch ein paar Pröbchen dazu, eine hübsche kleine Tüte, und duftete an einigen Tagen in diesem schönen Urlaub nach Feigen der Insel Elba, obwohl ich mitten in der Toskana war. Ich war nie auf Elba und glaube auch nicht, dass die Feigen dort so riechen, was mich aber gar nicht stört da mir der Duft mit seiner erfrischend grünen Note genau das mediterrane Gefühl vermittelt, das ich sehr genieße.

Ich vermute, dass auch hier viele die die Kokosnuss bei Philosykos so deutlich wahrnehmen, diese auch in Fico D'Elba herausriechen. Mir persönlich geht es nicht so, ich weiß was gemeint ist, für mich überwiegt aber die grüne Feige in beiden Düften. Ich empfinde bei Fico D'Elba die cremige Basis etwas stärker, cremig und leicht holzig durch das Sandelholz, mit den präsenten jungen grünen Feigen und Blättern. Ein erfrischender Duft, der für mich wie die meisten Feigendüfte und meine mediterranen Assoziationen besser zu frühjährlichen und sommerlichen Temperaturen passt, aber gern dufte ich auch im Winter so (denn mit Düften lässt es sich ja noch viel besser tagträumen).
Er reicht nicht an meinen ultimativen Feigenduft Ichnusa ($$$-seufz) heran, aber es ist ein schöner, harmonisch komponierter Feigenduft, der durchaus eine Ähnlichkeit zu Philosykos aufweist aber um einiges günstiger ist.

So bringe ich also mein kleines Duftsouvenir mit nach Hause, packe meinen Kosmetikbeutel aus - und mir rutscht der fragile kleine Zerstäuber aus der Hand und zerschellt auf dem Badezimmerboden.
Was ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wusste: ich würde noch im Herbst des selben Jahres eine zweiwöchige Reise ganz alleine durch Italien antreten, in Florenz landen, an einem Regentag bei Erbario Toscano vorbeibummeln, das Parfüm nachkaufen und das Souvenir einfach von einem anderen Ort und einer anderen Reise mit nach Hause bringen.

Veilchen klingt immer viel verspielter und niedlicher als das französische Violette, welches gleichzeitig auch ein weiblicher Vorname ist. Violette, nehmen wir das -e weg und haben gleich schon den passenden Farbton "violett", bei dem ich gerade feststelle, dass sich im alltäglichen Sprachgebrauch fälschlicherweise oft das plumpe "lila" eingeschlichen hat.
Pantone hat die Farbe "Ultra Violet 18-3838" übrigens als Trendfarbe 2018 erkoren.
Dann gibt es ja noch ganz romantisch die Bedeutung und Sprache der Blumen. Da schwingt aber sehr viel Nostalgie mit. Heute werden Blumen als Geschenk ja nicht mehr nach ihrer Botschaft ausgewählt.
Wo wir aber bei den Botschaften der Blumen sind:
Das Veilchen steht für Unschuld und Zurückhaltung, Jungfräulichkeit, Bescheidenheit und Treue.

Wenn ich nun an meinem Handgelenk rieche, wo ich Lutens "Bois de Violette" aufgetragen habe, kommen mir aber ganz andere Assoziationen und Bilder in den Sinn.
Es ist kein unreifes, naives Mädchen, das diesen Duft trägt. Er ist nicht zart und nicht zurückhaltend.
Der Duft strahlt eine weibliche Reife aus, er ist tief und dunkel. Als Farbe wäre er ein dunkelsamtenes Violett.
Es ist ein Parfum mit Charakter, so gar nicht oberflächlich oder laut, aber er ist sehr präsent und sehr sicher in seiner Ausstrahlung. Er ist wie ein guter, gereifter Rotwein, ein langer Kuss am Abend, ein tiefschwarzer Nachthimmel. Die Verführung passiert allein, der Duft birgt eine stille Erotik in sich. Das Dunkle dass ich darin empfinde, hat aber nichts Düsteres, eher etwas Geheimnisvolles und sehr Weibliches.
Ich empfinde ihn als dunkelholzig-samtblumig.

Ich weiß nicht, ob Serge Lutens und ich noch zusammenfinden. Auch "Bois de Violette" passt nicht zu mir, und doch ist es immer wieder eine besondere Erfahrung, einen seiner Düfte kennenzulernen. Ich glaube, dass die Trägerin und dieser Duft sehr schnell wissen, dass sie zueinandergehören.