Calliste

Feinperliger Champagner in klirrenden Gläsern, zart goldenes, festliches Licht, elegante Garderobe, eine ausgelassene Stimmung.
Krigler 22, somit aus dem Jahr 1922, entführt uns noch mal in die Roaring Twenties, die goldenen 20er Jahre, zu den eleganten Soireen an den schönsten Orten dieser Welt.

Scott Fitzgerald hat sie uns mit ihren Licht- und Schattenseiten dargestellt, wo immer sie auch stattgefunden haben, auf den Terrassen hoch über der Cote d´Azur, den Salons von Paris,den Sportclubs von Neuengland oder den prächtigen Hotels in New York.

Köstlich ist der duftige, leichte Auftakt mit den fruchtigen Noten der Erdbeeren.
Dann folgt der Champagner, der bestimmt keinen modernen, trockenen Ausbau hatte,
sondern eher den etwas altmodischen süßeren, gehaltvolleren Geschmack traf.
Die alkoholische Note umhüllt uns , bis wir fast ein kleines bisschen beschwipst sind.

Dem Zauber der Nacht folgt die Ernüchterung:
Schnell verliert sich diese Spritzigkeit, diese unbekümmerte Fröhlichkeit, und
leider macht der Duft keine weitere Entwicklung durch. Behäbig und schwer liegt er jetzt da.
Was bleibt, ist der schale und etwas faulige Geruch abgestandener Weingläser, der jetzt eher an die rustikalen Weinfeste an Rhein und Mosel erinnert.

Fazit: ein interessanter Gourmand-Duft zum Kennenlernen, aber mehr auch nicht.
Übrigens sollte man sich gut überlegen, ob man K22 zum Ausgehen tragen will, denn auch wenn man den ganzen Abend brav nüchtern geblieben ist, glaubt einem das selbst der freundlichste Polizist bei einer zufälligen Alkoholkontrolle garantiert nicht.

Ich dachte eben gerade, ich schau mal, was denn das gute alte Kouros so macht und wer sich überhaupt noch daran erinnert. Ich bin total überrascht, dass es anscheinend immer noch so kontrovers und lebendig wahrgenommen wird.

Also, hier ist mein „Coming out“:
Ich gestehe hiermit öffentlich: Ich mag Kouros sehr, diese 80ziger-Jahre-Geschmacksverirrung mit breiten Schulterpolstern, Fönfrisur und taillierten Hemden.
Manchmal, heimlich, wenn keiner zuschaut, schleiche ich mich zur Herrenabteilung und schnuffel kurz, aber tief an der weißen Flasche und … ahhh, da ist er wieder, mein Sommer ´85.

Überhaupt, der Flakon ist sensationell, die Haptik aufregend und erotisch. Wie weißer, kühler Marmor aus Naxos soll er sein. Der Marmor, aus dem die archaischen Jünglingsstatuen gehauen wurden, die „kouroi“, die schönen, jungen, makellosen Lustknaben der antiken Oberschicht darstellend.
Ironischerweise war mein kouroi damals ein zwar schöner, aber blasser Jüngling aus Achtung: Finnland! , der mir damals mit diesem Duft über den Weg lief. Aber, wie gesagt, es war Sommer...

Der Duft funktioniert genau so. Unter einer glatten, kühlen Oberfläche verbirgt sich Animalisches.
Ich kenne keinen anderen Duft, der Kouros ähnelt und diese prägnante Einzigartigkeit mit hohen Wiedererkennungswert muss man erst einmal hinbekommen!

Doch, mein glutäugiger Schöner mit der glatten Haut und dem unverschämten offenen Hemd, Du Abgesandter Eros, ich steh zu Dir und vielleicht, wenn ich mutig bin, kaufe ich mir meine Erinnerung an Dich noch einmal zurück.

Zugegeben, das Ding ist ein rechter Hammer, nicht eben mal einfach im Vorbeigehen zu konsumieren, sondern da muß man schon mit Bedacht rangehen.
Dass ein Gourmandduft eben nicht süß und gefällig daherkommt, finde ich höchst spannend und hier toll gelöst.

Schade, dass ich dem einzig positiven Beitrag von Snowflake widersprechen muss:
er ist eben nicht alltagstauglich, nicht grün. PB ist rot, heiß, scharf und etwas für sehr Mutige. (Meinetwegen auch für "alte"? Frauen ab 40, aber auf Goldenen Hochzeiten??? )

Wie bei einem guten Chili con Carne gibt es einen soliden Fond, der mit mit der Süße und Sämigkeit der Schokolade gewürzt und gebunden wird. Und dann kommt das Chili! Vorsicht ist geboten. Aber erst diese Spitze macht das Ganze komplett.
Diese Chili- oder Pfeffernoten sitzen ganz weit oben, sie kitzeln diesmal nicht die Zunge, sondern die Naseninnenwände, immer wieder und wieder. Frech und herausfordernd.
Fast bis an die Grenze des Schmerzes. Frida kennt sich damit aus.
Beim ersten Erscheinen dieser Schärfe wundert man sich noch, dann wehrt man sich, zum Schluß akzeptiert man sie und gibt sich ihr hin. Das ist Passion.
Eine wohlige Wärme macht sich breit..

Was hatte ich in meine "Vorlieben" eingetragen?: Ich mag keine expliziten Vanilledüfte!
Ich hasse den durchstehenden, fast aggressiven Geruch von Vanille in billigen Duftkerzen und Badeölen, Raumdüften zur Weihnachtszeit usw. Da geht Vanille meist mit einer kitschigen Bonbonsüße einher. Furchtbar! Auch die Vanille-Gourmands von Comptoir Sud sind mir eher zu einseitig, zu wenig raffiniert ausgebaut. Also, schwieriges Terrain für mich.
Als ich mich für Eure Urteile über L´Artisan Parfumeur interessierte, fielen mir die geradezu hymnischen Bewertungen für "Vanille Absolument" auf, und dadurch neugierig gemacht, wagte ich den Schnuppertest. Ich hatte da zwar dann "Vanilia" unter der Nase, aber bis ich geschnallt hatte, dass es hier gleich zwei Vanilledüfte in der Reihe gab, da war ich bereits vanille-verführt und auf dem Schnüffeltrip, sozusagen angefixt.

Kankuro hat den Ablauf gut beschrieben: die ersten Akkorde sind in der Tat fast grün und frisch, dann geht es aber schnell sanfter und runder zu, bis sich die Vanille breit und samtig öffnet.
Die Assoziation zu süß-geilen Banane kann ich verstehen, aber ich rieche viel deutlicher ein kräftig gebranntes Karamell, das der Vanille eine sanftbraune Tiefe und Ruhe gibt. Der Amberton hält sie sozusagen vom Picken und Stechen, dem gierigen sich nach vorne Drängeln, ab.
So mag ich Vanille und der "hmm"-Faktor ist ziemlich hoch.
Bin jetzt ganz glücklich darüber, von Euch Parfumos zur Vanille verführt worden zu sein. Kann es kaum glauben.
Was mag da noch alles auf mich zukommen?

Mein erster Kommentar hier gilt meiner großen Duft-Liebe Gem.
Gem ist zwar nicht my "First" love, dadür aber meine längste und treueste.

Ich führe sozusagen eine lange Ehe mit dem Duft, mit allen Höhen und Tiefen, in der man ständig neuen Verführern und Verlockungen begegnet. Aber zum Schluß komme ich immer wieder auf ihn zurück, denn Gem ist für mich wie ein verlässlicher Partner. Wenn Serge Lutens zu eigensinnig ist, Tom Ford zu nervend, Rodriguez zu modisch für Stimmung und Anlass, dann passt Gem immer perfekt, Beifall und Zustimmung der häufig duftunkundigen Mitmenschen ist trotzdem garantiert.

Zum Aufbau und Ablauf kann ich wenig sagen, zu kompliziert und vielschichtig ist die Komposition. Trotz aller Würzigkeit finde ich ihn aber nicht zu opulent, sondern sehr harmonisch und elegant. Nach einem kräftigen Auftakt, schimmert und glitzert er schön wie ein Edelstein, dann scheint er sich zu legen und plötzlich und unvermutet weht einem wieder ein warmer, würziger Abendwind entgegen.

Die Haltbarkeit ist spektakulär: Mein Theaterschal duftet ständig danach; und als vor Jahren der damals kleine Sohn meiner Freundin beim Rumtoben die Flasche umstieß und gut ein Viertel des Inhalts auf den Teppichboden floß, hatte ich nicht nur monatelang, sondern jahrelang immer noch etwas davon. Wahrscheinlich hat sich deshalb das Parfüm so in meine Gehirnwindungen eingeprägt.

Mittlerweile gibt es Gem wieder, wenn auch in einer leicht veränderten, d.h. für mich in einer etwas leichteren Konzentration. Auch das Flakon wurde relauncht, wie es so schön heißt, siehe Bild oben.
Da aber für mich die alte Variante die maßgebliche für Erinnerung und Tradition ist, hat meine Tochter mir aus irgendeiner schicken Duftagentur in Californien noch einen
ganzen Flakon besorgen können und mir zum Geburtstag geschenkt. Ich war sehr gerührt, wie die Familie doch Verständnis für den Spleen der Mama hat.
Mit dem Vorrat gewappnet kann ich nun getrost die kommenden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte erwarten. Diese große Duft-Liebe bleibt.