11.06.2014 - 14:13 Uhr
Meggi
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Der Duchaufour-Report – heute: Bitteres Wasser
Neulich haben wir mit den Kindern das „Chocoversum“ in der Hamburger Innenstadt besucht. Betreiber ist ein Schokolade-Hersteller, allzu Kritisches darf man folglich nicht erwarten und eine Verkaufs-Ecke mit Produkten des Hauses muss man gleichermaßen zugestehen. Doch der Weg von der Kakaoblüte bis zum fertigen Produkt ist ansonsten aufwändig, anschaulich, häufig sogar anfasslich dargestellt. Da glänzten die Kinderaugen, vor allem bei der Bestückung einer noch flüssigen Tafel Schokolade mit individuell gewählten Zutaten. Unsere Tochter fühlte sich überdies zu einem Sachkunde-Referat berufen. Dies alles blieb nicht ohne Nebenwirkungen: Die Eltern sind jetzt ebenfalls in theoretischer Schokoladik bewandert.
In diesem Sinne nun zur Sache; in einem Kommentar wurde es bereits erwähnt: Das Xocoatl - übersetzt etwa „bitteres Wasser“ - der Azteken, auf das sich L’Artisan ausdrücklich bezieht, hatte mit unserer Auffassung von Kakao bzw. Schokolade (etymologischer Nachfolger) nicht viel zu tun, sondern war ein Gemisch aus Wasser, Kakao, Mais, Vanille, Chili und Salz. Na lecker.
Auch wenn die guten Leute sich auf den Kakao beschränkt hätten, wäre das Gebräu nicht nach unserem Geschmack gewesen, denn das Roh-Produkt wird gemeinhin im Laufe der weiteren Verarbeitung mit Unmengen von Zucker unserem Gaumen unterworfen. Standard-Schokolade, selbst Zartbitter, besteht fast zur Hälfte daraus. Mithin schmecken die gelegentlich erhältlichen Varianten mit außerordentlich hohem Kakao-Anteil von bis zu angeblich 99 Prozent ebenso wie „echtes“ Kakaopulver völlig anders: bitter, streng, gleichzeitig ein bisschen fahl und trotzdem aromatisch-intensiv. Ähnliches finde ich – mit etwas Abstand von der Haut – hier wieder, es mischt sich aus der Schokolade und dem Pflanzen-Anteil, welcher tatsächlich wie Mohn riechen mag. Vermutlich will der Schöpfer allerdings auf einen anderen Pflanzen-Geruch hinaus, das jedenfalls legt die Geschichte nahe.
Leider konnten im Chocoversum nur wenige die rohen Bohnen probieren. Ich habe mich nicht dafür gemeldet; mit meinen Beißerchen halte ich mich bei derlei lieber zurück. Womöglich hat das genauso geschmeckt, wie sich der Pflanzen-Teil des Duftes präsentiert. Frische Kakaobohnen riechen oder schmecken nämlich gar nicht nach Schokolade. Erst vermittels eines tagelangen Fermentationsprozesses entsteht Kakao (und ob Herr Montezuma, der laut L’Artisan von der oben beschriebenen Brühe täglich 50 Becher verschlang, dafür die Geduld aufbrachte...? Chefs sind in dem Punkt ja zuweilen bestürzend unterentwickelt.). Um Näheres herauszufinden, gibt es bloß eine Möglichkeit. Ich muss ein weiteres Mal hin und einen Biss riskieren. Na, da ist bestimmt wer mit von der Partie! Plausibel fände ich das, denn Meister Bertrand wollte gewiss nicht einfach ein profanes Schoko-Parfüm machen, sondern (wieder einmal, darf man wohl sagen) eine Geschichte erzählen, diesmal als historischer Berichterstatter.
Persönlich kann ich ihm nicht bei all seinen Exkursionen folgen. Großartig fand ich Sartorial oder Kyoto, weniger gelungen Vaara sowie einige der jüngeren L’Artisan-Experimental-Gerüche. Für ein umfassendes Urteil fehlt mir jedoch bislang die Breite an Duchaufour-Erfahrung. Bei PB nun bin ich vorsichtig beeindruckt. Floral ganz anders, vollkommen unblumig, andererseits keineswegs krautig. Saftgrün-floral, könnte man sagen. Das scheint mir das Leitmotiv des Duftes.
Mit dem Gewürzkram aus der Kopfnote habe ich zum Teil Schwierigkeiten. Das namensgebende Piment habe ich schon für Currypaste verarbeitet. Aus der Kindheit kenne ich es als „Gewürzkorn“, das - wie Lorbeerblatt - mitgekocht wird und beim versehentlichen Zerkauen einen beißenden Geschmack vergleichbar der Gewürznelke hat, die in der Pyramide genannt ist. Da gehe ich mit und das nicht allein in der Kopfnote. Der Chili hingegen, den L’Artisan erwähnt (hier als roter Pfeffer bezeichnet) ist für mich allenfalls sehr dezent spürbar, „brûlant“ - brennend, heiß - finde ich überhaupt nichts. Als passionierter Chili-Head bin ich in dieser Sache allerdings kein Maßstab, da wird manche kräftige Prise zur vermeintlichen Weichei-Dosierung.
Die Basis lässt sich Zeit. Sie schleicht sich ab dem frühen Nachmittag in den Duft. Erst nach bald acht Stunden kann ich den Moschus nicht mehr überriechen. Er ist aber mild und neben ihm bleibt die pflanzliche Note mit einem Hauch Süße (ähnlich der Süße einer Erbsenschote) bestehen und beides mischt sich schön zu einem angenehmen und kein bisschen moschus-muffigen Ausklang.
Fazit: Ein Gourmand? Nix da. Der tut nur so und führt einen mit den genannten Zutaten in die Irre. Ich finde den Duft nicht gourmandig, geschweige denn schokoladig, dazu ist mir die grün-pflanzliche Seite viel zu stark. Mir gefällt er recht gut, gleichwohl benötige ich sicherlich eine Weile, um mit ihm vollends warm und würzig zu werden. Ob ich ihn dann tragbar finde oder eher der Unterhaltungswert-Ecke zuweise, weiß ich noch nicht.
PS: Umgehend haben die Kinder übrigens die Großeltern als Begleiter für einen weiteren Besuch im Chocoversum verpflichtet. Was deren „Ihr kennt das doch schon…“ sollte, verstehe ich nicht. Eben. Am liebsten jedes Wochenende.
In diesem Sinne nun zur Sache; in einem Kommentar wurde es bereits erwähnt: Das Xocoatl - übersetzt etwa „bitteres Wasser“ - der Azteken, auf das sich L’Artisan ausdrücklich bezieht, hatte mit unserer Auffassung von Kakao bzw. Schokolade (etymologischer Nachfolger) nicht viel zu tun, sondern war ein Gemisch aus Wasser, Kakao, Mais, Vanille, Chili und Salz. Na lecker.
Auch wenn die guten Leute sich auf den Kakao beschränkt hätten, wäre das Gebräu nicht nach unserem Geschmack gewesen, denn das Roh-Produkt wird gemeinhin im Laufe der weiteren Verarbeitung mit Unmengen von Zucker unserem Gaumen unterworfen. Standard-Schokolade, selbst Zartbitter, besteht fast zur Hälfte daraus. Mithin schmecken die gelegentlich erhältlichen Varianten mit außerordentlich hohem Kakao-Anteil von bis zu angeblich 99 Prozent ebenso wie „echtes“ Kakaopulver völlig anders: bitter, streng, gleichzeitig ein bisschen fahl und trotzdem aromatisch-intensiv. Ähnliches finde ich – mit etwas Abstand von der Haut – hier wieder, es mischt sich aus der Schokolade und dem Pflanzen-Anteil, welcher tatsächlich wie Mohn riechen mag. Vermutlich will der Schöpfer allerdings auf einen anderen Pflanzen-Geruch hinaus, das jedenfalls legt die Geschichte nahe.
Leider konnten im Chocoversum nur wenige die rohen Bohnen probieren. Ich habe mich nicht dafür gemeldet; mit meinen Beißerchen halte ich mich bei derlei lieber zurück. Womöglich hat das genauso geschmeckt, wie sich der Pflanzen-Teil des Duftes präsentiert. Frische Kakaobohnen riechen oder schmecken nämlich gar nicht nach Schokolade. Erst vermittels eines tagelangen Fermentationsprozesses entsteht Kakao (und ob Herr Montezuma, der laut L’Artisan von der oben beschriebenen Brühe täglich 50 Becher verschlang, dafür die Geduld aufbrachte...? Chefs sind in dem Punkt ja zuweilen bestürzend unterentwickelt.). Um Näheres herauszufinden, gibt es bloß eine Möglichkeit. Ich muss ein weiteres Mal hin und einen Biss riskieren. Na, da ist bestimmt wer mit von der Partie! Plausibel fände ich das, denn Meister Bertrand wollte gewiss nicht einfach ein profanes Schoko-Parfüm machen, sondern (wieder einmal, darf man wohl sagen) eine Geschichte erzählen, diesmal als historischer Berichterstatter.
Persönlich kann ich ihm nicht bei all seinen Exkursionen folgen. Großartig fand ich Sartorial oder Kyoto, weniger gelungen Vaara sowie einige der jüngeren L’Artisan-Experimental-Gerüche. Für ein umfassendes Urteil fehlt mir jedoch bislang die Breite an Duchaufour-Erfahrung. Bei PB nun bin ich vorsichtig beeindruckt. Floral ganz anders, vollkommen unblumig, andererseits keineswegs krautig. Saftgrün-floral, könnte man sagen. Das scheint mir das Leitmotiv des Duftes.
Mit dem Gewürzkram aus der Kopfnote habe ich zum Teil Schwierigkeiten. Das namensgebende Piment habe ich schon für Currypaste verarbeitet. Aus der Kindheit kenne ich es als „Gewürzkorn“, das - wie Lorbeerblatt - mitgekocht wird und beim versehentlichen Zerkauen einen beißenden Geschmack vergleichbar der Gewürznelke hat, die in der Pyramide genannt ist. Da gehe ich mit und das nicht allein in der Kopfnote. Der Chili hingegen, den L’Artisan erwähnt (hier als roter Pfeffer bezeichnet) ist für mich allenfalls sehr dezent spürbar, „brûlant“ - brennend, heiß - finde ich überhaupt nichts. Als passionierter Chili-Head bin ich in dieser Sache allerdings kein Maßstab, da wird manche kräftige Prise zur vermeintlichen Weichei-Dosierung.
Die Basis lässt sich Zeit. Sie schleicht sich ab dem frühen Nachmittag in den Duft. Erst nach bald acht Stunden kann ich den Moschus nicht mehr überriechen. Er ist aber mild und neben ihm bleibt die pflanzliche Note mit einem Hauch Süße (ähnlich der Süße einer Erbsenschote) bestehen und beides mischt sich schön zu einem angenehmen und kein bisschen moschus-muffigen Ausklang.
Fazit: Ein Gourmand? Nix da. Der tut nur so und führt einen mit den genannten Zutaten in die Irre. Ich finde den Duft nicht gourmandig, geschweige denn schokoladig, dazu ist mir die grün-pflanzliche Seite viel zu stark. Mir gefällt er recht gut, gleichwohl benötige ich sicherlich eine Weile, um mit ihm vollends warm und würzig zu werden. Ob ich ihn dann tragbar finde oder eher der Unterhaltungswert-Ecke zuweise, weiß ich noch nicht.
PS: Umgehend haben die Kinder übrigens die Großeltern als Begleiter für einen weiteren Besuch im Chocoversum verpflichtet. Was deren „Ihr kennt das doch schon…“ sollte, verstehe ich nicht. Eben. Am liebsten jedes Wochenende.
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