13.02.2021 - 06:27 Uhr

Vrabec
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Vrabec
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En Voyage chez l'Artisan Parfumeur:15 - Premier Figieur vs Philosykos vs Feige - Ein Vergleich
Selten habe ich mich so sehr nach Frühling gesehnt wie zuletzt, die Pandemie verstärkt den Winter Blues doch sehr und die verdammte Eiszeit war doch recht intressant, aber mich verzehrt es nach der Freiheit, die das Tragen eines T- Shirts bedeutet. Wenig Parfüms wecken in mir das kichernde leichte Frühlingsgefühl so sehr wie gelungene Feigendüfte. Leider riecht man diese an Frauen fast nie. Letztes Jahr hatte ich Philosykos und Feige von Harry Lehmann verglichen, nun darf ich dank JilMarie's Wanderbrief "Premier Figuier" anreihen. Ebenfalls werde ich mich mit der 9 Jahre später erschienenen Extrême Variante befassen.
Lehmann's Feige ist ein guter Griff für Sparfüchse, die trotzdem Qualität wollen.
Diptique's Philosykos ist der oft genannte "Feigenstar", aber auch der Kandidat von l'Artisan Parfumeur wird häufig erwähnt.
Olivia Giacobetti ist nicht nur bei Philosykos sondern auch hier bei Premier Figuier und der Extrême Variante, sowie auch bei etlichen anderen L'Artisan Parfums verantwortlich. Unter anderem bei Tea for Two, einer der grandiosesten Düfte die ich bis jetzt riechen durfte. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Dame etwas kann, dieser jedoch in Richtung Philosykos geht. Zumal Premier Figuier zwei Jahre vor Philosykos erschien.
Alle gehen in eine ähnliche Richtung.
Wärend Feige eher nach einem Korb leicht unreifer ungeöffneter Feigen riecht verbunden mit der sanften, milchigen Ahnung einer Creme aus getrockneten Feigen und nicht zuletzt frischen gebrochenen Stengeln des Feigenbaums, wählt Philosykos mehr den fruchtigen Pfad. Die Feigen sind gut reif, geschält und auseinander gezogen, aus dem sonnenbeschienenen Fruchtfleisch trieft der süße Nektar.
Auch hier kommen grüne Noten durch, jedoch nicht so holzig wie bei Feige, knackiger. Insgesammt wirkt Philosykos saftiger und flüssiger als Feige. Undzwar wirklich flüssig, die Fruchtigkeit wirkt keineswegs klebrig.
Beide lösen eine sanfte Frühlingsassoziation aus, kitzelnde Sonnenstrahlen die durch ein Feigenhain scheinen. Bei Philosykos ist sie etwas luftiger mit frischem Wind von der Küste, bei Feige ist es ruhig, trockener, warm sandiger.
Premier Figuier geht in Richtung Feigenbaum, der Fokus liegt nicht unbedingt auf der Frucht selbst, sondern mehr an der gesamten Pflanze. Und davon haben wir einen recht jungen Vertreter. Der Duft Startet knackig frisch, junge Knospen, zarte Blätter und Zweige zerknicken in den groben Händen des Feigenbauern. In der Kopfnote lässt sich Feige so gerade erahnen. Das grüne Gestrüpp lässt nach. Höchst natürlicher Geruch von Frühling. Feige mischt sich mild in den Hintergrund, luftig leicht. Feige ungepellt, noch nicht reif am Baum hängend, der Geruch von Feigenhaut, welche zuerst von einem Hauch pelziger, harter Aprikose, dann von Kokoswasser begleitet wird, dezent florale Klänge schwingen ebenfalls mit. Die Kokussnuss wird richtung Schluss doch etwas zu bedeutsam für meinen Geschmack diese ist jedoch mild gehalten, weder süß noch cremig. Insgesamt riecht der hier leichter, unbeschwerter als seine beiden oben genannten Verwandten.
Die Extrême Variante riecht etwas schärfer und gerade zu Beginn wesentlich synthetischer als das ursprüngliche Premier Figieur. Irgendwas minzig frisches drängt sich mir auch auf. Ebenfalls sind Kokoss und Aprikose hier gleichwertig mit der Feige, was ihn sehr beliebig macht. Auch schwingt deutlich mehr Wärme mit. Die Feige wirkt hier sehr überschichtet und nicht in die Mitte des Parfums gesetzt, wie ich es eigentlich gehofft hatte.
Wer einen "reinen" Feigenduft sucht kann "Premier Figuier Extrême" meines Erachtens auslassen.
Vergleicht man Lehrmann's "Feige", Diptyque's "Philosykos" Und l'Artisan Parfumeur's "Premier Figuier", spricht man meines Erachtens nicht von signifikanten Unterschieden, es sind lediglich Nuancen, die Düfte riechen sehr ähnlich, da alle versuchen ihr Thema möglichst authentisch natürlich zu verwirklichen.
Dies gelingt Premier Figieur wirklich gut. Es handelt sich hier mehr um einen Hautduft, der keine starke Sillage aufweist, aber in der Nähe entwickelt er eine wunderschöne, grün verspielte Aura von Wohlfühlsommer. Sucht man etwas ebenfalls verspieltes, aber fruchtigeres, würde ich zu Philosykos greifen. Dieser ist auch eher aus höflich gewahrter Distanz wahr zu nehmen, Premier Figuier schwächelt schon etwas zu sehr.
Lehmann's Feige hat nicht nur den günstigen Preis auf seiner Seite, er wirkt trockener und ruhiger, erwachsener.
Für was man sich entscheidet, muss jeder selbst wissen. Aber bitte, liebe Damen, tragt mehr Feigendüfte, läutet mir den Frühling ein. Gern auch hier in Bochum.
Vielen Dank für das Lesen meines Kommentars.
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