Chris185

Chris185

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11 - 15 von 72
Chris185 vor 12 Jahren 8 6
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Altbekanntes Duo - außergewöhnlicher Auftritt
Rose und Oud. Aha. Beim Lesen des Titels hatte ich bereits gar keine Lust mehr, diesen Duft zu testen - diese Kombination ist mir in der letzten Zeit einfach viel zu oft unter die Nase gekommen. Ob Montale, Micallef, Armani oder Fréderic Malle, sie alle haben mindestens einen Rose-Oud Duft im Programm. Die Marke by Kilian ist ja nicht gerade für innovative, gewagte Duftexperimente bekannt, so dass ich von Rose Oud lediglich Bekanntes erwartete.
Falsch gedacht! Calice Becker hat das häufig beanspruchte Thema auf vollkommen andere Art umgesetzt. So viel vorweg, man muss weder Oud noch Rose mögen, um sich von diesem Duft in seinen Bann ziehen zu lassen.

Beide Hauptakteure nehmen sich in Rose Oud zurück; das Oud so weit, dass ich es überhaupt nicht als eigenständige Duftnote identifizieren kann. Ganz weit unten in der Basis ist zwar eine dezente Holzigkeit vorhanden - das so prägnante, charakteristische Oud suche ich allerdings vergeblich.
Aber auch der Rose wird durch dessen Zurückhaltung nicht mehr Platz eingeräumt. Zu Beginn ist sie zwar klar erkennbar, ein zarte, hellrosa Rose mit grünen Anklängen, doch schon bald schlägt Rose Oud einen anderen Weg ein. Und da zieht der Duft doch stark ins Gourmand-Genre. Rose Oud riecht nämlich SEHR essbar. Es geht hier nicht in die dunkle, schokoladige Richtung, wie z. B. in Noir de Noir, sondern in die fruchtig-cremige. Zimt und Kardamom steuern eine feine, ebenso delikate Würze bei und verstärken den essbaren Charakter noch. Unglaublich lecker und sinnlich. Honig rieche ich ebenfalls deutlich heraus und werde unweigerlich an die Micallef'schen Oud-Kreationen erinnert. Neben all diesen Leckereien ist die Rose für mich nicht wirklich fassbar in Rose Oud, der bekannte Duft von Rosenblüten oder Rosenöl prägt Rose Oud nicht. Würde der Titel nicht bereits die Rose suggerieren, ich käme wahrscheinlich gar nicht auf sie als Duftnote! Denn über Stunden werde ich ausschließlich von diesem originellen, zart-gourmandigen und wirklich nicht floral anmutenden Hauptakkord verführt.

Rose Oud wirkt aufgeräumt, klar und bleibt über Stunden in der Entwicklung stehen; trotz der hohen Intensität mit einem stets transparenten, schwebenden Charakter. Die Kreation hat für mich große Ähnlichkeit mit den Kurkdjian-Werken, so mühelos, leicht und perfekt verblendet ist sie. Für mich der schönste Kilian-Duft – getestet habe ich sie mittlerweile alle.
Calice Becker soll Rose Oud angeblich innerhalb weniger Wochen kreiert haben. Und im Gegensatz zu den beiden Namensgebern nehme ich diese technische Raffinesse, diese gekonnte Selbstverständlichkeit sehr deutlich wahr.
6 Antworten
Chris185 vor 12 Jahren 8 1
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Zahmes Raubkätzchen
COLOGNE Pour le Soir, die schreiende Ironie im Titel dieses bernsteinfarbenen Wässerchens erinnert mich doch ganz stark an Eau Noire aus der Dior Privée-Reihe, das ebenfalls meilenweit davon enfernt ist, leicht, aquatisch und vornehm zurückhaltend zu sein. Die technischen Fakten gleich vorweg, bezüglich Haltbarkeit und Sillage haben wir es mit einem regulären EdT oder sogar EdP zu tun. Die Tageszeit passt dagegen, ein Abend vor dem Kamin bei Kerzenschein, eingehüllt in flauschige Decken, Zweisamkeit, Nähe…all das vermittelt mir Cologne Pour le Soir – ein herrlicher Duft für graue Wintertage.

Ich habe das Cologne nach der verwandten Absolue-Variante kennen gelernt und trotz vieler gemeinsamer Ingredienzen unterscheiden sich die beiden doch merklich. Das Absolue startet mit einem animalischen Paukenschlag, der es in sich hat und den ich in dieser Härte auch noch nirgendwo gerochen habe. Zibet, Moschus, Bibergeil, ich weiß nicht was da zusammengebraut wurde, um diesen heftigen, abschreckenden Effekt zu generieren, der sich im weiteren Verlauf dann allmählich abschwächt. Das Cologne hat ebenfalls eine animalische Grundnote, jedoch zurückhaltender und stärker verwoben mit den anderen Duftnoten. Diese animalische Note wird von einem bienenwachsartigen Duft eingerahmt, der in der Projektion deutlicher herauskommt. Das Animalische nehme ich dagegen eher hautnah wahr. Ebenso spielt der die Absolue-Version prägende Weihrauch im Hintergrund eine Rolle. Das ist wirklich schön komponiert, niemals aufdringlich oder offensiv, aber doch mit Charakter. Kaschmir und Leder versinnbildlichen recht gut den sich ergebenden Dufteindruck. Anschmiegsames, einhüllendes Kaschmir, stets begleitet von einer dreckigen Grundstimmung, aber vollkommen jugendfrei.

Cologne Pour le Soir schafft Gelassen- und Geborgenheit. Im Gegensatz zum Absolue, welches verstört, das Blut in Wallung bringt und auf wildes nächtliches Treiben vorbereitet, lässt einen das Cologne zur Ruhe kommen. Gemütliches Zusammensein, Kuscheln, Schmusen, Wohlfühlen – und unterschwellig ein paar angedeutete schmutzige Gedanken.
1 Antwort
Chris185 vor 12 Jahren 10 7
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Dunkler Verführer
Inspiriert von Baudelaires „Les Fleurs du Mal“, ein Chypre, hervorgegangen aus übersinnlichen Begegnungen mit dem dunklen Alter Ego – die oft sehr gewollten, hochtrabenden Marketinganpreisungen von Amouage lassen wieder einmal Großartiges erwarten. Doch Memoir Woman ist nicht minder beeindruckend als es die Zeilen zur Beschreibung des Dufts suggerieren. Erschreckend düster und mysteriös, fast schon bedrohlich, und gleichzeitig doch so anziehend, körperlich und berauschend...beflügelnd leicht und dennoch voller schwerer, erdrückender Melancholie. Memoir bietet ein faszinierendes Dufterlebnis.

Von Kopf bis Basis zieht sich ein dunkelgrüner Faden, der die einzelnen Noten von Memoir verbindet und den Duft maßgeblich prägt. Das Grün riecht nicht säuerlich, pflanzlich, medizinisch; nein, es riecht eher warm, ein wenig schmutzig und sehr menschlich, ohne direkt eine unverhohlene Erotik zu vermitteln. Der Auftakt beginnt mit einer leicht spritzigen, kurzweiligen Orangennote, welche schnell den Weg für das weitere Spektakel freigibt. Ein Potpourri aus Gewürzen übernimmt die Führung, darunter kommen zaghaft ein paar betörende Blütennoten zum Vorschein, die es allerdings nicht schaffen, Lieblich- und Gefälligkeit in den düsteren Gesamteindruck zu bringen. Alles ist gleichzeitig da und doch nicht einzeln greifbar, alle Duftnoten sind so wunderbar zu einem harmonischen Ganzen verblendet; sie alle ruhen auf einer opulenten, ledrigen Basis, von Moos überwuchert, getränkt und aufgeheizt durch Moschus und Bibergeil.

Doch jede profane Duftbeschreibung, ein noch so bemühtes Analysieren und Identifizieren der einzelnen Ingredienzen wird dem unbeschreiblichen Reiz von Memoir nicht gerecht, der mir geradezu die Sinne vernebelt. Übrigens hat Dorothée Piot, die für dieses Werk verantwortlich ist, mit Chambre Noire einen von der Stimmung ähnlich dunklen und sinnlichen Duft kreiert – wobei dieser nie die Abgründigkeit von Memoir erreicht und insgesamt wesentlich zahmer und gesitteter erscheint. Dennoch hat sie mit diesen beiden fantastischen Düften ihr Talent unter Beweis gestellt. Memoir beeindruckt allerdings nicht nur, es handelt sich keineswegs um einen Duft, den ich bloß wegen seiner virtuosen Komposition anerkenne. Er ergreift, reißt mit und verführt. Wie der Reiz des Verbotenen. Ein Meisterwerk.
7 Antworten
Chris185 vor 12 Jahren 5 4
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Kindheitserinnerungen
Vanille und Myrrhe, symbolhaft für Leben und Tod, stehen sich in Vanitas als kontrastierende Pole gegenüber. Das klingt unheimlich, düster und dramatisch. Wer mit solchen Assoziationen und Erwartungen an Vanitas herangeht oder das thematisierte Motiv der Vergänglichkeit allzu wörtlich nimmt, kann nur enttäuscht werden. Der Duft ist nicht tiefschwarz und morbide, sondern vielmehr ein astreiner Gourmand. Allerdings kein knalliger, verspielter, mädchenhafter Vertreter seines Genres. Obwohl er vollkommen anders riecht, erinnert mich der Duft von seiner Struktur und Wirkung her an Angel – reif und erwachsen, dunkel, ein bisschen geheimnisvoll und mystisch…und sicherlich nicht für jeden.

Frisch aufgesprüht zieht mich der Duft erst einmal zurück in die frühe Kindheit. Ich spaziere über den Jahrmarkt und mir strömen die Aromen aller möglichen Leckereien in die Nase – viel Zucker, viel Vanille und für jeden Gourmandhasser bereits jetzt schon zu viel. Florale Akzente, wie die oben angegebene Orangenblüte, kann ich in Vanitas beim besten Willen nicht identifizieren; dagegen setzt sich immer stärker eine unverkennbare Röstnote durch, die frappierend an eine Kombination aus gebrannten Mandeln und Zuckerwatte erinnert. Kirmes pur. Doch in dem Duft steckt mehr. Hinter dieser gourmandigen Opulenz verbirgt sich eine dunkle Melancholie, raffiniert und hintergründig, die im weiteren Verlauf immer stärker zum Tragen kommt. Die essbaren Noten werden eher würzig-holzig, fast schon erdig, und die übermächtige Vanille nimmt sich etwas zurück. Der Farbton ändert sich von goldgelb zu dunkelbraun. Rieche ich direkt an der Haut, nehme ich sogar einen leicht bitteren, medizinischen Duft wahr. Die unbeschwerte Zeit der Kindheit ist vorbei, unwiederbringlich vergangen.

Vanitas macht es einem bei der Dosierung nicht einfach, diese wird mitunter darüber entscheiden, ob der Duft nervig oder reizvoll wird. Haltbarkeit und Sillage sind überdimensional, ein Spritzer generiert auch noch nach vielen Stunden eine enorme Duftwolke. Allen Vanilleliebhabern rate ich dringend zum Test; sie ist das Grundgerüst von Vanitas und kommt wunderbar zur Geltung. Sie nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit – allerdings ohne den schwarzen Mann.
4 Antworten
Chris185 vor 12 Jahren 9 2
10
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Lüsterne Rose
Ja, ja, die Rose – wie oft begegnet sie uns als prägender Baustein in Damendüften und auch in manchen Kreationen für den Herrn: mal altmodisch und klassisch, elegant und damenhaft, mal als Partner der Trendnote Oud, oder sogar überraschend modern, „anders“ und erst einmal gar nicht als solche identifizierbar, wie z. B. in Lumière Noire pour Homme. Die beiden Lyric-Düfte von Amouage greifen das oft beanspruchte Rosenthema auf, inszenieren es aber jeweils vollkommen unterschiedlich. Die Geschlechterrollen darf man hier nicht allzu ernst nehmen – häufig habe ich schon in Foren von Frauen gelesen, welche die Herrenvariante vorziehen, oder von begeisterten männlichen Benutzern des Damendufts. Mir gefallen beide Varianten sehr gut, jedoch geht von Lyric Woman eine ganz besondere Faszination aus. So sinnlich, erotisch und ein klein wenig verrucht ist mir die Königin der Blumen noch nie begegnet. Dies ist sicherlich den übrigen Duftnoten zu verdanken, die die Rose harmonisch unterstützen, ihre Hauptrolle aber nie in Frage stellen.

Der Auftakt von Lyric ist himmlisch. Der Duft startet mit einer üppigen Zimt-Kardamom-Kombination, die mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt und fast schon Gourmand-Anklänge aufweist. Es dauert nicht lange bis dahinter die Rose aufblüht, anfangs noch zaghaft, bis sie sich schließlich im Zentrum des Dufts positioniert hat. Die anderen Blumen sind lediglich Statisten und für mich nicht einzeln zu erkennen. Die Rose gibt sich dunkel und geheimnisvoll, anziehend und betörend. Wahrscheinlich verleihen Jasmin und Ylang-Ylang der Rose die gehörige Portion Erotik, die in dem Duft steckt. Später treten Hölzer und insbesondere der Weihrauch stärker hervor, so dass der Duft trockener und herber wird – die schwüle Opulenz der Kopf- und Herznote weicht allmählich einer kühlen, leicht rauchigen Basis.

Die Haltbarkeit von Lyric würde ich als sehr gut bewerten, wohingegen die Sillage nach meinem Empfinden relativ schnell körpernah wird, passend zum intimen, kuscheligen Charakter des Dufts. Obwohl die Rose zweifellos das Herzstück von Lyric bildet, handelt es sich nicht um einen naturalistischen Rosenduft, wie z. B. das großartige Une Rose von Frederic Malle; die Rose dient eher als übergeordneter Leitfaden, der die vielen verschiedenen Facetten des Dufts miteinander verbindet: vom würzigen Auftakt über ein prachtvolles, florales Herz – von anschmiegsamer, cremiger Vanille, Tonka und Iris zur dunklen Sinnlichkeit von Hölzern und Weihrauch. All diese werden vom Band der Rose mit beeindruckender Harmonie zusammengehalten.
2 Antworten
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