Curlysue

Just vor ein paar Tagen griff ich zum Afghanen und wollte mal so richtig einen raushauen. Getragen wird der eh nur am Wochenende. Warum kommt gleich.

Etwas gedankenverloren hab ich dann auch wirklich rausgehauen. Es müssen so an die 4 Sprühstöße gewesen sein, bevor ich mitbekam, was ich angerichtet hatte.
Meine Frau findet den ja sonst gut, aber wie das so mit Gift ist, die Dosierung machts. Auch ich hatte Nebel vor Augen und ich fragte mich, ob ich mir das Frühstück noch mal durch den Kopf gehen lasse.
Es war unglaublich, vor allem, weil ich dann dem Rat meiner Frau folgend etwas zum Überdecken sprühen musste. Das Zeug wurde wie Licht in einem schwarzen Loch einfach weggesaugt.
Also habe ich versucht alles abzuwaschen. Ging nicht. Und wenn ich nicht so rücksichtvolle Freunde hätte, müsste ich mich vermutlich heute noch für die
Belästigung entschuldigen.
Hier wird ja gern mal von Sillage, also Kielwasser gesprochen. Der Afghane reagiert auf Mißhandlungen des Sprühknopfs eher mit einer Bugwelle hin zum Kavenzmann. Wer nicht im Norden lebt dem sei gesagt, das ist ein echt großes Ding.

Ich mag den Duft immer noch und ich werde ihn auch wieder benutzen. Ganz vorsichtig und mit viel Respekt!

Besitze ihn nun schon ein paar Tage. Den Duft.Aber nicht immer fällt mir gleich was Sinnvolles ein, wenn es um die Beschreibung eines Schätzchens geht.
Wenn ich um drei Uhr in der Nacht geweckt werde um die Funktionsweise eines Zweitaktauspuffs zu erklären, bin ich redegewandter.
Auch jetzt sitze ich hier im Büro, die Ellenbogen auf dem Tisch und lupfe immer wieder verstohlen das Shirt, um meine Nase.....na ja, Ihr wisst schon.
Wie geil ist das. Honig ist da, na klar. Und Tabak auch und Weihrauch und Vanille und..
Aber der Honig ist von niedlichen kleinen Elfenwesen handverlesen und mundgepuschelt abgetragen und liebevollst verkorkt. Der Tabak verströmt ein sinnigeres Aroma, als meine damals so geliebten Montechristo. Was rede ich. Besser, weil es hier nie angebrannt riecht. Und die Wirkung von Weihrauch und Vanille kennen wir ja alle. Lecker!
Und alles zusammen vernebelt Dir den Sinn und jemand flüstert Dir ins Ohr: "Hab Dich lieb, Du hast es vedient" Oder so ähnlich. Es ist ziemlich leise und könnte auch heißen:
"Kauf es Dir, Geld spielt keine Rolle"
Jedenfalls finde ich Hedonismus plötzlich gar nicht mehr so abwegig. Und für diese Art von Lustgewinn kann man ja nun wirklich auch was ausgeben, finde ich.
Genug der Worte. Ich geh mal wieder schnüffeln.

Nun haben sich hier schon so viele zu diesem Duft geäußert, trotzdem setze ich auch einen drauf, da ich dazu neige mich nicht zurück halten zu können.
Mein Therapeut hat auch gesagt, lass raus.
Irgendwann vor Äonen hat mir mal meine damalige Freundin aus mir komplett unerfindlichen Gründen eine geklebt. Ich war wenigstens überrascht. Sie erklärte mir das dann mit einem Überschwang an Gefühlen, was ich damals mit einem emotional relativ einfach gestrickten Empfinden nicht verstehen konnte.
Mittlerweile durfte ich mich emotional fortbewegen.
Als ich vor einiger Zeit auf Anraten meiner Liebsten A-Man aufsprühte, erinnerte ich mich sofort an das oben beschriebene Erlebnis.
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Aber nicht boshaft, nicht gemein, sondern ganz liebevoll.
Mir schlug Vanille ins Gesicht und Süsses und Weihrauch im Übermass, Kaffeepulver mit der Nasenscheidewand untrennbar verbunden, schlicht eine olfaktorische Kakophonie geiler Gerüche, wie ich sie vorher noch nie wahr genommen hatte.
Ich kann verstehen, dass dies viele überfordert. Mich hat es dazu gebracht zu verstehen, dass man bei Sinnesübergriffen dieser Art manchmal etwas komisch reagiert, weil man mit der emotionalen Tiefe noch nicht so zu Rande kommt.
Der Schlag jedenfalls sass und sitzt immer noch, auch wenn ich mittlerweile neben der einen auch die andere Backe hinzuhalten pflege.
Diese Art von Masochismus liebe ich und ich verstehe diesen Schlag von damals jetzt erst richtig. Er war vollauf berechtigt.
Ich will mehr davon.

Wer schon mal im Büroleben steckte oder noch steckt und dies möglicherweise sogar als höhere Charge, der wird wissen, dass es in manchen Firmen, zu manchen Veranstaltungen, für gewisse Stunden opportun erscheint, nicht allzu auffällig zu erscheinen.
Da darf das Hemd nicht zu rosa schimmern, die Krawatte muß dezent abgestimmt sein ( altrosa auf ordinärrosa hat nichts mit Geschmack zu tun ), der Schuh lieber bei Görtz gekauft, als beim Nobelschuster in Budapest bestellt. Der Nadelstreifen sollte eine Breite von 0,05mm nicht überschreiten und überhaupt ist das Blau mit Grau versetzt und läßt Dich ab 19:30 prächtig mit den Aktenschränken als großes Ganzes wirken.
Wer sich dann noch hanseatisch korrekt zurück hält, hat eh begriffen, dass es eben manchmal besser ist, nicht lauter als der Silverback aus dem 5. Stock grölen zu müssen. Optisch, akustisch und natürlich olfaktorisch.
Kurz gesagt, es sei Zurückhaltung geübt, wen es auf der Leiter der Strebsamen nach oben drängt.
Diese Art der Zurückhaltung bíetet dieser Duft und insofern hat er seine Berechtigung, wie gewachste Schnürsenkel und die kleine Lasche auf der Rückseite einer Businesskrawatte. Er übertönt die unangenehmen Gerüche, die man im Büro gar nicht erwarten sollte, tritt dem alten Patriarchen nicht auf die Füsse und zeigt doch, dass man ein Mindestmass an Pflege beherrscht.

Es kann doch nicht jeder Duft die Offenbarung sein. Es muß auch das angepasste Mass der Mitte geben, sonst ahnten wir nie, wo wirklich oben ist.
Außerdem war er einer meiner ersten und ich fand und finde ihn immer noch gut.
Wenn die Flasche alle ist, werde ich mir aber wohl keinen Nachschub besorgen, denn mittlerweile steht fest, dass meine Leiter nach oben gar keine Sprossen mehr hat.

Dieser Duft nimmt einen besonderen Platz in meiner bescheidenen Sammlung ein.
Denn die Flasche passt nicht ins Regal. Sie ist zu hoch gebaut. Oder mein Regal ist zu flach, was auch immer, jedenfalls ist er separiert und das zu Recht.
Ein Geschenk von meiner Liebsten, das nicht ganz unerwartet kam. Keine Überraschung also, aber dennoch viel besser als ich dachte. Er ist mein Favorit und steht deshalb an einem besonderen Platz.
Obwohl ich anfangs nicht sicher war, ob da nicht etwas stört und ich stelle mir vor, dass dies die Matekomponente sein könnte. Mir fällt kein Vergleich ein, allenfalls der Begriff muffig.
Das aber verging so schnell, wie die Limette und kurz darauf der Zimt kamen. Beide liebe ich und ich könnte abhängig davon werden. Gut nur, dass man beide nicht auf Spritzen ziehen kann, sonst würde ich anfangen mir weh zu tun.
Dann kommt das Holz und jetzt wird afrikanisch. Was für ein Holz. Keine einheimische Buche, die weder optisch noch nach der täglichen Umarmung bleibenden Eindruck hinterlässt.
Das ist Holz aus dem man Bässe baut, weil man nach unendlichem sustain sucht.
Das Holz, welches den Begriff Nachhaltigkeit verdient.
Das kreischt nicht wie eine Affenbande auf Adrenalin sondern brummt wie ein Grüppchen Löwen während der Siesta.
Und genau diese kleine aber feine Gruppe hat jetzt auch den Muff weggebrüllt, den ich anfangs glaubte wahrnehmen zu müssen.
Und meine restlichen Düfte werden dezent aber bestimmt von dieser sympathischen Karnivorenversammlung auf Abstand gehalten.
Recht so.