DuftFlasher
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vor 2 Jahren - 29.06.2023
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Düfte streamen – Die neuen Synthesegeräte

Schöne neue Duftwelt!

Wie Algorithmen die Duftorgel ersetzen...

Im Jahr 2048 war die Art und Weise, wie Menschen Parfums konsumierten, eine ganz andere als zuvor. Die in der alten Zeit weit verbreiteten Flakons und Parfümerien waren längst vergangen und eine revolutionäre Technologie hatte die Art und Weise, wie wir Düfte erlebten, für immer verändert.

Genau wie in der Musikindustrie waren die glorreichen Tage von MC’s, LP’s und CD's längst vorbei. Die Menschen hatten sich an den digitalen Erwerb von Musikdateien gewöhnt, bevor schließlich das Streaming die Art und Weise, wie wir Musik genießen, revolutionierte. Und nun hatten diese Fortschritte auch die Welt der Düfte erobert.

Es war das Zeitalter der Duftabonnements. Ähnlich zu den Musik Streaming Diensten wie Spotify, hatte man nun Zugriff auf Millionen von Düften aus der ganzen Welt. Diese Dienste konnte man zunächst 3 Monate lang kostenlos testen und im Anschluss zu einem monatlichen Festpreis weiter nutzen. Das war nicht nur günstig sondern auch bequem.

Das „Erfolgsmodell Streaming“ der Musikindustrie machte schon der guten alten CD den Garaus und den traditionellen Dufthäusern erging es nicht anders.

Anders als früher wurden Parfums nicht mehr in antiquierten und kunstvoll dekorierten Glasflakons verkauft und aufwändig verpackt. Düfte jedweder Couleur wurden mithilfe eines kleinen Gerätes, das direkt unter die Haut implantiert wurde, auf Abruf in Echtzeit synthetisiert und freigesetzt.

Die Menschen verwendeten gerne den Anglizismus Fragrance-on-Demand, oder kurz FoD um diesen damals noch neuen Dienst kurz und knackig zu beschreiben. Der FoD Anbieter „Fragranzeezer“ bot auch ein Premium-Upgrade an, mit dem man alle Düfte auch in einem verlustfreien BeastM+ Format streamen konnte. Die Hardware, also das Synthesegerät das bei Fragranzeezer „ScentBlaster“ hieß, konnte man sich an einem der vielen Counter kostenlos implantieren lassen, sofern man bereit war direkt ein Jahresabonnement abzuschließen.

Diese bahnbrechende Methode des Duftkonsums brachte viele Vorteile mit sich. Zum einen lag die Nachhaltigkeit im Fokus. Durch die Synthese von Düften auf Abruf (FoD) und den Verzicht auf physische Flakons konnten Ressourcen geschont werden. Es gab keine Verschwendung von Glas und Verpackungsmaterialien mehr, und der ökologische Fußabdruck der Parfumindustrie wurde reduziert. Lokale Parfümerien wie auch Parfum-Shops im Internetz verschwanden mit dem Aufkommen dieser neuen Technologie schneller als die Bibliotheken und Buchläden in den Dreißiger Jahren.

Die Hersteller konnten ihre Formeln einfach in die Cloud des Diensteanbieters hochladen und sofort war ein neues Release weltweit verfügbar. Eine artifizielle Intelligenz entwickelte parallel dazu voll automatisiert dutzende Flanker des zuletzt entwickelten Duftes, indem es die verschiedenen Facetten beliebter Streams zu einem neuen Stream verknüpfte.

Die Protagonistin dieser Geschichte, Emma, war eine leidenschaftliche Duftliebhaberin und hatte sich für ein solches Duftabonnement entschieden. Sie war begeistert von der endlosen Auswahl an Düften, die sie nun mit nur einer Geste in ihrer App oder mit einem Sprachkommando erleben konnte. Das kleine Gerät unter ihrer Haut war ständig mit dem Quantencomputer des Diensteanbieters „Scenty-Fi“ verbunden und konnte jederzeit neue Düfte erzeugen.

Emma hatte eine Vorliebe für grüne und eher ungewöhnliche Düfte aus der Independent-Scentlist ihres Duftdienstes. Eines Tages, als sie in ihrer Redaktion saß und konzentriert arbeitete, beschloss sie, ihre Scentlist zu durchstöbern. Sie war auf der Suche nach einem neuen Duft, der ihre Sinne anregen würde. Als sie durch die verschiedenen Genres und Optionen scrollte, stieß sie auf eine Scentlist namens „âme et nature“.

Fasziniert wählte Emma diese Scentlist aus die ihr der Empfehlungsalgorithmus als relevant vorgeschlagen hatte und begann ihre Duftreise. Von der frischen Meeresbrise der Malediven über den orientalischen Zauber von Marrakesch bis hin zum erdigen Duft des Regenwaldes in Südamerika - Emma konnte die Essenz dieser Orte in ihrem Büro spüren. Jeder Duft war wie eine kleine Geschichte für sich, die ihre Fantasie beflügelte und ihre Stimmung beeinflusste.

Emma entschied sich schließlich für einen Duft namens "Au coeur du monde". Es war ein einzigartiger Mix aus warmen Gewürzen, blumigen Noten und einem Hauch von frischer Bergluft. Keine für Emma typische Duft-DNA, aber sie experimentierte auch gerne. Als sie den Duft aktivierte, umhüllte er sie sanft und ließ sie für einen Moment den Alltag vergessen. Es war, als würde sie an einem magischen Ort stehen und den Sonnenaufgang über einer idyllischen Landschaft erleben.

Die Tage vergingen, und Emma experimentierte weiter mit verschiedenen Düften. Sie entdeckte immer neue Kombinationen, die ihre Sinne erfreuten und ihre Stimmung beeinflussten. Der Duft-Streaming-Dienst war für sie wie eine Reise in eine Welt voller Möglichkeiten und Emotionen. An das kleine Gerät unter ihrer Haut hatte sie sich schnell gewöhnt.

Obwohl die Technologie des Duft-Streamings sie in eine faszinierende Welt entführt hatte, war diese enorme Vielfalt auch sehr anstrengend und frustrierend. Emma fühlte sich immer öfters mit der riesigen Auswahl überfordert. Tief in ihrem Inneren spürte sie eine Leere, die sich nicht durch die synthetischen Kreationen füllen ließ.

Die Welt der Düfte war tief in die Abgründe der Technologie vorgedrungen. Die einstige Romantik und Magie des Parfums waren einem algorithmischen und seelenlosen Prozess gewichen. Parfümeure gab es nicht mehr und das Wissen um diese traditionelle Kunstfertigkeit begann zu verblassen. Die Duftabonnements hatten die Menschen gefangen genommen, und die Synthese von Düften wurde zu einer austauschbaren, berechenbaren Routine.

Eines Abends, als der Regen gegen die Fensterscheiben prasselte und ein kalter Wind um das Haus strich, wagte Emma einen Blick in die Vergangenheit. Sie griff nach einem alten Buch auf ihrem Regal, das verstaubt und vergessen war. Es war eine Ausgabe von H. G. Wells' Geschichten, von den düsteren Visionen eines Mannes, der die Konsequenzen des Fortschritts erahnt hatte.

Emma begann zu lesen und fand sich in den Zeilen gefangen. Sie wurde von den Worten mitgerissen und spürte, wie das Gefühl der Melancholie in ihr wuchs. Wells' Geschichten waren von einer tiefen Einsicht in die menschliche Natur geprägt, von der Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Fortschritts und den verlorenen Träumen einer vergangenen Zeit.

In der folgenden Nacht schlief Emma unruhig. Ihre Träume waren von düsteren Visionen geprägt, von einer Welt, die von mechanischer Kälte und einem Verlust der Menschlichkeit durchzogen war. Sie erwachte mit einem Gefühl der Beklemmung und einer unausgesprochenen Frage: Was war aus der Magie der Düfte geworden?

Die Düfte hatten ihre Seele verloren und waren zu bloßen Produkten einer maschinellen Effizienz geworden. Verzweifelt versuchte Emma, die verlorene Magie wiederzufinden. Emma beschloss, ein Parfum Museum der International Perfume Bottle Association in Illinoise, USA zu besuchen.

Da das Museum nicht mehr für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich war, akkreditierte sich Emma als Journalistin auf der Internetzseite des Museums: https://perfumebottles.org/

Nach einem sehr angenehmen, zweistündigen Direktflug mit der Concorde II von New Munic nach Chicago, ging es mit dem Cyberloop weiter in Richtung Illinois. Als Emma am Museum angekommen war und sich dort mit ihrem Presseausweis zutritt verschaffte, stieß sie im hinteren Teil des Museums auf einen Raum, in dem alte Flakons und Parfümflaschen aufgereiht waren. Sie wählte ein verstaubtes Fläschchen aus, öffnete in einem Moment als sie sich unbeobachtet fühlte den Verschluss und hielt es an ihre Nase. Doch der einst betörende Duft war verflogen. Was blieb, war ein Hauch von Vergänglichkeit und Verlust.

Mit Tränen in den Augen und einem schweren Herzen erkannte Emma die Tragödie ihrer Zeit. Die Menschen hatten die wahre Schönheit der Düfte durch die Gier nach technischem Fortschritt und automatisierter Bequemlichkeit verloren. Die Welt war gefangen in einer endlosen Suche nach dem nächsten großen Duft, ohne jemals die wahren Schätze der Vergangenheit zu würdigen.

Und so verließ Emma das Museum, voller Trauer über das, was verloren gegangen war. In ihrem Herzen trug sie die Erinnerung an eine Zeit, als Düfte noch Geschichten erzählten und eine handwerkliche Kunst in sich trugen. Das alles war lange vor der maschinellen Invasion der Scent-Streamer, wie sie international bezeichnet wurden.

Emma blieb als einsame Wächterin der verlorenen Träume zurück und ihr Herz blieb gefangen in einem Schleier der Melancholie, der sie an die düstere Zukunft erinnerte, die H.G. Wells so treffend vorausgesehen hatte.

Die Bilder in diesem Blog-Artikel wurden vom AI-System DALL-E generiert: https://openai.com/ 

Diese Kurzgeschichte aus dem Tech-Noire Genre ist fiktiv und basiert auf der persönlichen Reflektion meiner eigenen Gedanken, Eindrücke und Überlegungen zum allgemeinen Zeitgeschehen.
21 Antworten
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
Diesen interessanten Artikel zur 'Digital Scent Technology" habe ich noch gefunden:
https://en.wikipedia.org/wiki/Digital_scent_technology
Die technischen Vorläufer dieser Entwicklung entstanden bereits in den 1950er Jahren.
Somit bleibt nicht die Frage offen ob so eine Technologie die ich hier fiktiv aufgegriffen habe irgendwann in unserer Gesellschaft ankommt, sondern wann.
In den frühen 80er & 90er Jahren konnte sich auch noch kein Mensch vorstellen das wir irgendwann alle mit kleinen Computern durch die Gegend rennen (mit denen auch noch telefoniert werden kann) und ständig mit dem Internet verbunden sind. Heute ganz normal und für viele unvorstellbar, wie sich Menschen früher informiert und verabredet haben, oder den Weg in eine andere Stadt mit einer Land- oder Straßenkarte fanden :-)
JosefkaJosefka vor 2 Jahren
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Sehr interessante Fiktion und Gedanken. Ja, wir leben noch in der besten aller Duftwelten, inmitten von zukünftig schwer vermissten Vintages!
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
@Josefka Ja das stimmt. Nicht alle (Parfümeure) ergeben sich dem aktuellen Zeitgeist. Oft sind sie aber machtlos, wenn ihr Auftraggeber entsprechende (absatzorientierte) Vorgaben macht. Ehre denen die an ihren Grundsätzen festhalten, Ehre allen *.fraîche Kreationen. Hoch lebe das Eau de Saucisse! 🤪
JosefkaJosefka vor 2 Jahren
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Ich habe ja das Gefühl, dass die ersten Parfümeure wieder wegwollen von den Brechern und extra wieder leisere Düfte kreiieren. Also so Moustard legère und so.
Fresh21Fresh21 vor 2 Jahren
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Haha, ganz genau 😆
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
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@Fresh21 OK, verstehe. Jetzt schmunzeln wir drüber und nächste Woche heißt es: "NEU bei Parfumo: "Moutarde Aoud" von Montale, oder "Mustard" von Rochas 😅
Fresh21Fresh21 vor 2 Jahren
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@DuftFlasher ... Korrekt, und nach der Performance kommen dann eben noch extremere Duftnoten, weil immer etwas Neues her muss. Daher habe ich auch kein aktuelles Beispiel für dich, aber stelle dir z.B. eine (an sich sehr ungewöhnliche) Kombination aus Erde, Himbeere und Senf vor, doch die drei Noten jeweils so synthetisch verfremdet, dass man sich zunächst fragt, welche diese sein könnten. Und zudem würden sie sich im Verlauf nicht zu einer Note vermischen, sondern wären permanent einzeln herauszuriechen. Man hätte also zwei Effekte, extreme neue Noten, die in jedem Fall Aufmerksamkeit erwecken, und zusätzlich eine starke Spreizung/Separierung der drei Noten. Eine solche Gesamtkomposition wäre sicherlich einzigartig... So in dieser Richtung 😉
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
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@Fresh21 Ja, da könntest Du recht haben. Aber sag mal, das was Du mit diesen neuen Synthetik-Noten geschrieben hast, hört sich interessant an. Hast Du ein Beispiel? Ich gebe Dir recht, der Trend ist im Moment (leider) stark, stärker, Brecher und der eigentliche Duft steht manchmal hinten an. Ich habe auch das Gefühl, das wenn ein Duft hier nicht mindestens eine 8er Performance hat, dieser dann direkt abgewertet wird. Sehr seltsam und sehr schade. Quantität statt Komposition?
Fresh21Fresh21 vor 2 Jahren
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@DuftFlasher ...glaube schon, dass wir einige heutige Düfte in Zukunft als Vintage Klassiker bezeichnen werden. Denn ich habe das Gefühl, das Parfums immer extremer werden, wie z.B. zwei oder drei sehr kontrastierende und sehr ungewöhnliche/neue (Synthetik)Noten über den gesamten Verlauf NICHT vermischt wahrzunehmen. Dann wird man sich vielleicht gerne den ein oder anderen deutlich homogeneren Vintage aus 2023 aufsprühen 😉
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
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Vielen Dank! 😃
Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, welche Düfte, die jetzt gerade neu herauskommen, in 20 oder 30 Jahren von uns "Klassiker" genannt werden. So wie wir heute einige Vintage-Düfte als Klassiker bezeichnen. Haben die Düfte die heute rauskommen noch das Zeug dazu, 20 oder 30 Jahre zu überleben und zum Klassiker zu werden?
BloodxclatBloodxclat vor 2 Jahren
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Ganz grosse Klasse, tolle Arbeit. Passende Bilder dank KI.
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
Hey, vielen lieben Dank! 😊
LG
SpatzlSpatzl vor 2 Jahren
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Da wird mein Herz ganz schwer...Trotzdem danke! Demütig genieße ich nun meinen heutigen Abendduft.
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
Noch hat es die Menschheit selbst in der Hand. Noch ist es Fiktion. Herzlichen Dank 💙
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
😃 Danke für Eure vielen Rückmeldungen! 💙
ParfümleinParfümlein vor 2 Jahren
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Tolle Gedankenanregung am Abend, die mich meine echten Flakons wieder wertschätzen lässt.
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
Hey Parfümlein, vielen Dank! 😃
Mir ging es ähnlich wie Dir als ich mit der Geschichte fertig war. 🧠
LG
Fresh21Fresh21 vor 2 Jahren
Einfach wunderbar, deine Retrospektive von Ende der 40er Jahre. Ganz großes Kino, danke schön 👍 Und falls du noch ein paar Jahrzehnte weiter vorspulen möchtest
https://www.parfumo.de/Benutzer/Fresh21/Blog/Eintrag/Von_Parfums_der_Liebe_und_uns___in_50_Jahren_
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
Hey, vielen Dank mein lieber, das freut mich sehr! 😊
Und danke auch für Deine Leseempfehlung. 👍
LG
PollitaPollita vor 2 Jahren
Wunderschön geschrieben und toll bebildert. Auch wenn es ein trauriger Text ist und ich die Ansätze selbst schon ein bisschen sehe, habe ich das sehr gerne gelesen. Ein Hoch auf die Klassiker, die erst nach jahrelanger Feinstarbeit auf den Markt gekommen sind. Und ein Hoch auf das Parfumeurshandwerk, das uns hoffentlich noch lange erhalten bleiben wird.
DuftFlasherDuftFlasher vor 2 Jahren
Danke Pollita, es ist schön zu hören das Dir mein Blogeintrag gefallen hat. 😊 Ich kann mich Deinem Statement nur anschließen! 👍
LG und noch einen schönen Abend.

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