DuftJunkie

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DuftJunkie vor 10 Jahren 12 5
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Duft
Der Junge Mann ... Den Gefühlen Freien Lauf
-
Horizont

Wir war'n zwei Detektive - die Hüte tief im Gesicht
Alle Strassen endlos - Barrikaden gab's für uns doch nicht
Du und ich das war - einfach unschlagbar
Ein Paar wie Blitz und Donner
Und immer nur auf brennend heisser Spur

Wir war'n so richtig Freunde - für die Ewigkeit, das war doch klar
Hab'n die Wolken nicht gesehen - am Horizont, bis es dunkel war
Und dann war's passiert - hab' es nicht kapiert
Ging alles viel zu schnell
Doch zwei wie wir, die können sich nie verlier'n

Hinterm Horizont geht's weiter- ein neuer Tag
Hinterm Horizont immer weiter - zusammen sind wir stark
Das mit uns ging so tief rein - das kann nie zu Ende sein
Sowas Grosses geht nicht einfach so vorbei
-

Der junge Mann war sehr aufgeregt. Eine Flugreise stand ihm bevor. Nein, er hatte keine Flugangst. Es war viel mehr Aufregung vor Freude. Nach langer, langer Zeit würde er seine Lieben wiedersehen. Zuletzt hatte er sie vor zehn Jahren gesehen. Damals war er noch ein Kind von 13 Jahren. Diverse Umstände wollten es, daß er so viele Jahre fern der Heimat bleibt. Würde er seine ältere Schwester (die einmal seine "Ziehmutter" war) wiedererkennen? Seine Brüder und all' die Anderen? Und, würden sie ihn denn überhaupt wiedererkennen?

Der Flug bis zum Zwischenstopp in Istanbul war wenig aufregend. Vielmehr regte ihn "Nightflight" auf, den er passenderweise zum Nachtfug trug. Die Synthetik machte ihm zu schaffen. Deshalb schaute er sich beim mehrstündigen Aufenthalt in der Duty Free Zone nach einem neuen Parfum um. Seine Wahl fiel auf "Horizon". Den Duft kannte er seit der Neuerscheinung einige Wochen zuvor. Es sollte ihn in Zentral-Anatolien und später an der Ägäis begleiten. Er roch an dem Teststreifen, den er mitnahm und der Weiterflug gen Osten wurde angesagt.

Der Flieger startete und zog mehrere Kreise über Istanbul. Der junge Mann dachte sich, daß auch sein neuerworbener Duft zum Start solche luftigen Höhen erreichte. Wenn auch nicht mit Triebwerken, so doch mit aldehydisierten??? Zitrusfrüchten und luftigem, kühlem Menthol. Was nichts anderes bedeutete, als daß künstliches Menthol und Aldehyde eine gewisse Synthetik beisteuerten. Es regte ihn aber nicht auf. Vielleicht weil sie eine gute Ergänzung zu den Zitrusfrüchten waren. Und einigen anderen Noten, wie er später herausfinden sollte.

Plötzlich wußte der junge Mann im Flieger nicht, wie ihm geschah. Er roch etwas, was er nicht beschreiben konnte. Es war nicht "Horizon" oder gar das längst abgestandene "Nightflight". Es war die Heimat. Eine Gefühlswoge übermannte ihn. Er ließ "den Gefühlen freien Lauf". Sein Sitznachbar bemerkte seine Tränen und fragte, ob er Flugangst hätte. Noch bevor der junge Mann antwortete, kam die Durchsage des Flugkapitäns: »Verehrte Fluggäste: Wir haben den Luftraum über Ankara erreicht. Wir setzen zur Landung an. Bitte schnallen Sie sich an!«

In der Heimatstadt endlich angekommen, wollte der junge Mann seine Schwester überraschen. Er setzte sich in ein Taxi und fuhr in Richtung Ziehmutter. Unterwegs schnupperte er hin und wieder an dem Teststreifen. Er hoffte auf RAKI-Gelage mit seinen Brüdern (Beifuß und Fenchel?). Er freute sich auf die Kräuter in Schwester's Küche (Lorbeer und Oregano?). Doch während der gesamten Fahrt durch die Stadt umgab ihn ein ständiger Hauch von Gewürzen aller Art, die aus den öffnenden Lokalen am Straßenrand früh morgens herüberwehten. Er liebte Pfeffer & Co.

Vor dem Haus der Schwester angekommen, sah er wie sie auf der Veranda stand. Sie brach in Tränen aus, als sie ihn erkannte. Als sie ihn umarmte, stammelte sie jedoch nur die Worte: »Mein Junge. Komm erst mal rein und 'wasch dir Gesicht und Hände'«. Ja, auch eine "Ziehmutter" kann nie raus aus ihrer Haut. Wußte sie doch, daß er als Kind schon sehr gern mit Erde, Staub, Schlamm und Laub spielte. Vielleicht war es aber auch nur ein Hauch von Patchouli und Moos, der sie an Staub denken ließ. Den Teststreifen hielt ihr Bruder nämlich noch fest in seiner Hand.

Eine Woche Glück pur ob des Wiedersehens, und der junge Mann fuhr weiter an die Ägäis. Dort warteten andere Lieben (mit RAKI) sehnsüchtig auf ihn. Am Meer erkannte er, daß die aquatische Seite von "Horizon" die stärkste war. Er hatte sie zwar bemerkt, aber immer unterschätzt. Nun aber wußte er, daß die anfänglichen Aldehyde auf allen Ebenen wirkten und sogar holzigen Bestandteilen einen 'treibenden' Charakter verliehen. Auch maritime Noten wie Tang und Algen gewannen nunmehr an Gewicht. Dabei deutete der Flakon von Anfang an darauf hin.

Seit jenem Urlaub sind mittlerweile 21 Jahre vergangen. Der aufmerksame Leser kann sich ausrechnen, daß aus dem jungen Mann von damals heute ein alternder Mann geworden ist. Ein alternder Mann, der seine vielen Flakons von jenem Duft anschaut. In einem Anflug von Nostalgie und schönen Erinnerungen hatte er sich mehr als reichlich damit eingedeckt. Ihm ist bewusst, daß selbst wenn er diesen Duft jeden Tag benutzt, er diese bis zu seinem Lebensende nicht ganz aufbrauchen wird. Aber: wer weiß, wer weiß? Um es mit den Worten Udo Lindenberg's auszudrücken:

Manchmal sieht man die Wolken nicht
Am Horizont, bis es dunkel ist
Und dann geht Alles
Viel zu schnell
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DuftJunkie vor 10 Jahren 9 2
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Duft
In Memoriam - Der Spiegel Der Seele
-
Neulich stand ich mittags vor dem Spiegel. Fertig gekleidet zum Ausgehen, ganz in grau mit einem Sakko in grau-braunen Erdtönen. Ich wußte nur nicht, welches Parfum ich tragen sollte. Deshalb fragte ich den Spiegel:

„Spieglein, Spieglein an der Wand,
Welchen Duft soll ich heute tragen?"

Kein Laut vom Spiegel.
Ich beschloss, den Spiegel ein zweites mal zu fragen, diesmal jedoch mit dem Zauberwort:

„Spieglein, Spieglein an der Wand,
Welchen Duft soll ich heute tragen, BITTE?"

Immer noch kein Ton vom Spiegel.
Ich wußte aber, daß mein Spiegel sprechen kann. Hatten wir doch so manche Nacht damit verbracht, über unsere persönlichen Probleme zu sprechen, die uns tief berührten. Na ja, eigentlich hatte nur ich Probleme, aber mein Spiegel war stets so taktvoll, es nie zu erwähnen. Also blieb ich hart und fragte meinen Spiegel abermals:

„Liebes Spieglein, Spieglein an der Wand,
Was trägt man heutzutag' im ganzen Land?"

Und siehe da, der Spiegel, mein Zauberspiegel sprach:

»Mein lieber Junkie. Du bist schon komisch. Normalerweise sprichst Du mit mir über tiefgreifende Emotionen. Und jetzt? Ein Duft? Wie banal. Aber egal. Du bist ja schließlich 'nur' ein Mensch. Hier also meine Geschichte zu dem Parfum, das heute perfekt zu Dir und Deinem Outfit passen würde. Diese Geschichte handelt von einem Mann namens Rob.

Rob ist ein lustiger Mann. Er bringt Menschen gern zum Lachen, und die Menschen lachen gern über ihn. Doch er selbst hat nicht viel zu lachen. Denn vor vielen Jahren mußte er einen Schicksalsschlag hinnehmen. Sein Kumpel starb. Er ist fortan so betrübt, daß er zwar das Erscheinen eines neuen Parfums registriert, aber entgegen seiner Gewohnheit der Sache nicht weiter nachgeht. Dabei ist es ein Duft einer von ihm geschätzten Marke. Dazu hat dieser Duft in der Kopfnote ein paar seiner bevorzugten Komponenten: INGWER, ZITRONE und noch ein paar FRÜCHTE. Doch ein weiterer Schicksalsschlag sorgt dafür, daß er gar nichts mehr für Düfte übrig hat. Bei ihm wird eine Krankheit diagnostiziert, unter dessen Symptomen er schon lange leidet. Eine Therapie schlägt zwar sehr gut an, doch er leidet 'innerlich' weitere qualvolle Jahre.

Zwischendurch gibt es für Rob auch mal gute Jahre. Wie es die alten Israeliten sagen würden: 'Die Fetten Jahre'. Er hat beruflich große Erfolge zu feiern. Durch diese freudigen Ereignisse gewinnt Rob an Selbstbewusstsein. Auch sein Interesse für Düfte findet er wieder. Doch das Parfum aus jenem Jahr geht irgendwie an ihm vorbei. Wenn er nur wüsste, daß eben dieses Parfum über eine besonders schöne und außergewöhnliche Variation seiner Lieblingsblume verfügte. Er liebt nämlich das VEILCHEN. Hier wurden diesem geschickt pfeffrige GEWÜRZE und KRÄUTER beigemengt, sodass in Verbindung mit Citrus und Ingwer der Eindruck einer frischen, aber dennoch feurigen BLUME erschaffen wurde. Doch die euphorischen, manischen Phasen Rob's enden jäh, als er nach einigen Monaten der Freude in ein Hospital eingeliefert wird.

Rob erleidet einen Rückfall. Seine Krankheit holt ihn ein und trifft ihn hart. Als er im Krankenhaus sich im Zimmer und im Bad umschaut, fällt ihm ein Flakon des besagten Parfums auf. Als er nachfragt sagt die Krankenschwester, daß ein früherer Patient es vergessen hätte. Er dürfe es benutzen und sogar behalten. Es sei ja kein Wertgegenstand. Als Rob's Frau abends ein paar seiner Parfums mitbringt sagt er ihr, daß sie diese wieder mitnehmen kann. Er hätte ja bei Bedarf eins im Bad stehen. Und so benutzt Rob dieses "L'Homme" von YSL tagein, tagaus im Krankenhaus. Ihm fällt auf, daß der Duft neben den bisher genannten Hauptnoten, über eine cumaringeschwängerte Süße im gesamten Verlauf verfügt. Dadurch wirken die Früchte eben waldmeisterlich nach APFEL. Und die HOLZNOTEN der Basis erinnern an süße Hölzer, wie SÜSSHOLZ.

Als Rob nach vielen Tagen das Hospital verläßt, nimmt er "L'Homme" nicht mit. Er möchte nie wieder beim Benutzen dieses Duftes an die sterilen, kalten und kahlen Wände eines Krankenhauses erinnert werden. Rob wird diesen Duft nie mehr benutzen. Er verläßt am 11. August 2014 diese Welt. Doch Du, mein lieber Junkie, kannst dieses Parfum noch benutzen!«

Das erste mal in meinem Leben mußte ich dem Spiegel widersprechen:

»Diesmal, mein lieber Spiegel, irrst Du Dich. Denn dieser Duft ist für mich nur allzu gewöhnlich. Für einen YSL zu schwach. "Kouros", "Opium", "M7". Und dann das? Dazu noch dieses verunstaltete, 'dreckige' Veilchen ohne einen aparten Grünton? Nein. Danke.

Veilchen ohne Grünnote! Das ist wie:
Carl Lewis ohne Beine,
Leonard Bernstein ohne Finger,
Luciano Pavarotti ohne Stimmbänder,
Boris Becker ohne (Tennis) Arm, oder eben:
'Veilchen' ohne eine charakteristische Grünnote.

Und außerdem, lieber Spiegel; wie kannst Du mir sowas überhaupt erst vorschlagen? Wo Du doch weißt, was ich damals im Krankenhaus durchlebt habe. Du warst doch immer so taktvoll. Liebevoll. Und so loyal. Aber egal. Du bist ja schließlich 'nur' ein Spiegel.«

In diesem Sinne:
Bleibt gesund. Genießt jeden Tag, als wäre es der Letzte. Carpe Diem!

In Memoriam:
Zum Gedenken an das stacheligste Kindermädchen aller Zeiten - Mrs. Doubtfire, alias Robin Williams.
2 Antworten
DuftJunkie vor 10 Jahren 18 10
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9
Duft
Der Alternde Mann Und Die Orientalische Teestube
-
Der alternde Mann saß auf seinem alten Sessel und öffnete eine Probe, die ihm ein Parfumo netterweise zukommen ließ. Er hatte zwar von der Marke gehört, aber dieser Duft des Hauses Miller Harris war ihm unbekannt. Der Name La Fumée Arabie ließ auf Räuchernoten aus dem Orient schließen. Nach dem ersten Auftragen verspürte er einen Drang, eine Kanne schwarzen Tee aufzusetzen. Und plötzlich merkte er, daß das Parfum ihn an seine persönliche Hausmischung schwarzen Tees erinnerte.
Für diesen Tee verwendete er luftigen türkischen Tee aus Rize und Ceylon-Hochland als Basis. Zusammen ergaben sie eine luftige, frisch-würzige Mischung, die wiederum mit dem Ahmad Tea Cardamom auf einer kräftigen Assam-Ceylon Grundlage noch bereichert wurde. Diese drei Komponenten waren der Ausgangspunkt für drei weitere Tees, die ihrer Intensität wegen niedriger dosiert wurden, aber dennoch die Hauptattraktion seiner Hausmischung darstellten.

Dazu gehörten zum Beispiel der Earl Grey Imperior, der mit edler Bergamotte doppelt stark beduftet war wie andere Earl Grey Blends, aber nichts Zitrisches an sich hatte. Weil er auf feinstem Darjeeling ruhte, wirkte er frisch-blumig und ging mit dem Ahmad Tea Cadamom eine tolle, blumig-würzige Verbindung ein.
Des weiteren kam der kernig-rauchige Tarry Lapsang Souchong hinzu. Dieser chinesische Schwarztee aus der Provinz Yunnan wird über brennendem Birkenholz geräuchert und riecht anschließend stark nach Rauch. Beste Voraussetzung also, um mit dem türkischen Rize eine luftig-rauchige Atmosphäre zu erzeugen.
Zum Schluss durfte natürlich der Pu Erh Tee nicht fehlen. Mit seiner starken, erdig-holzigen Note holte er den spritzigen Hochlandtee aus Sri Lanka wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn aus Erde waren sie alle gemacht und alles, auch der alternde Mann , würde einmal zu den Wurzeln zurückkehren.

Während der alternde Mann so über seine Hausmischung nachsann war ihm so, als ob das Parfum zufällig einen ähnlichen Verlauf nahm wie sein geliebter Tee. Es erinnerte ihn an verschiedene Etappen seines Lebens, die alle aufzuzählen hier nicht genug Platz wäre. Einige Erinnerungen jedoch wühlten ihn emotional dermaßen auf, daß es angebracht wäre sie hier in Zusammenhang mit dem Duftaufbau zu erwähnen.

Da wäre die feurige Kopfnote mit Gewürzen, die geschickt mit Cistus abgekühlt wird. So kompliziert war diese Kombination von Kardamom und Koriander, weil man anscheinend auf eine ausgeprägte Zitruskomponente verzichtete. Seinen geschätzten Kümmel hingegen vermochte der alternde Mann leider nicht zu vernehmen, was er bedauerte. Diese Noten erinnerten ihn an eine recht junge Episode in seinem Leben. Sein zweiter Sohn, der vor wenigen Jahren geboren wurde, war nämlich ebenso feurig wie diese Note. Er trug ja auch den entsprechenden Namen: Feuer.

Die eindeutig rauchige und leicht holzige Herznote entführte den alternden Mann in seine Kindheit. Damals wurden nämlich nicht nur im Winter die Öfen mit Holz angefeuert. Und zwar mit jeglichen Hölzern, die aufzutreiben waren. Nur eben keine Zedern. Die waren Mangelware. Oft war der Geruch von brennendem Holz das erste, was er morgens als erstes roch und was sein Kinderherz erwärmte. Als er nachmittags aus der Schule kam, stellte er auf dem Heimweg fest, wie die ganze Gegend nach Rauch duftete. Er liebte diesen Duft, wie es auch sein Schöpfer tat.

Die Basisnote war einerseits sehr lieblich, ja fast süß und weckte Erinnerungen an die große Liebe seines Lebens. Andererseits hatte die Note tatsächlich was von Asche, als wenn Holz abgebrannt ist, der Rauch sich verzogen hat und eben die Asche übrig geblieben ist. Dies ließ ihn an so manche Dinge denken, die er am liebsten verdrängen würde, was aber unausweichlich war. Wo's brennt, da ist Rauch und Asche. Wo Leben ist, da ist auch ... .
Den Gesamteindruck der Schlussnote empfand er aber als erdig. War da doch eine Spur Patchouli, Vetiver und/oder Moos mit im Spiel? Jedenfalls löste diese Erdnote bei ihm wahre Glücksgefühle aus. Schon als kleines Kind liebte er es über alles im Sand zu spielen. So tat es auch sein Erstgeborener und liebte es, sich heimlich Sand in die Hosentasche zu stecken, um es mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht liegt es ja nur an seinem Namen: Erde.

Während er in Erinnerungen schwelgte, hatte er seinen Haustee zubereitet. Als er den ersten Schluck nahm fiel ihm auf, daß der Tee etwas bitterer schmeckte als noch vor einigen Jahren. Ja, der alternde Mann war tatsächlich vergesslich geworden. Er hatte vergessen, den Tee zu süßen. Dafür kam kein schnöder Zucker infrage. Da eignete sich Rosenmarmelade am besten. Dafür wurden türkische Rosenblüten in Zuckergelee eingelegt, sodass im Laufe der Zeit eine Art Rosenabsolue in Honig entstand. Der Duft der Rose harmonisierte die ganze Mischung wunderbar.

In diesem Sinne: Lasst es Euch schmecken :-)

p.s.: Herzlichen Dank an Yatagan dafür, daß er mir mit einer Duftprobe so tolle Erinnerungen beschert hat.
10 Antworten
DuftJunkie vor 10 Jahren 13 7
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8
Duft
Der Sensenmann - Eine Philosophische Annäherung An Den Tod
-
Die Vorgeschichte:
Vor einiger Zeit wollte ich auf einer Internetseite, die mit i anfängt und mit parfumerie.de aufhört eine Bestellung aufgeben, was leider unmöglich war. Der Kundenbereich war anscheinend wegen akuter Geldüberfüllung geschlossen, kein Login möglich. Ich stöberte in der Hoffnung, die Tore zum Kundenbereich würden bald wieder öffnen, noch etwas weiter. Dabei fiel mir OUDI von Al Haramain auf. Es würde vom Preis her genau zum Erreichen des vorher persönlich gesetzten Limits passen. Da aber kein Warenkorb da war, nutzte ich die Zeit, um mich auf Parfumo über den Duft zu in formieren. Siehe da, ein gewisser Undo hatte kürzlich einen Kommi zu OUDI verfasst. Superkomisch auf der einen Seite, aber todernst auf der anderen Seite, konnte man den Duft schon fast riechen: "Mehr ein Experiment als ein Parfum." Da ich experimentelle Düfte sehr schätze, kam dieser Duft auch gen Morgen, als die Pforten wieder öffneten, in mein Warenkorb.

Das Experiment:
Bis das Paket ankam überlegte ich, was mich für ein Experiment (wenn überhaupt) erwarten könnte. Dem Namen OUDI (arabisch etwa: oudig, oudartig, oudähnlich etc.) nach müßte es etwas mit Oud zu tun haben, und Undo's Kommi zufolge etwas mit dem Tod oder zumindest grässlichen Gerüchen.
Und mein erster Eindruck von der Kopfnote war dann auch: o ja, ein Experiment, kein Duft zum Tragen. Der Duft erinnerte ein Stück weit an den Sensenmann. Um aber diese Note zu "verstehen", brauchte ich meinen imaginären Freund Cio, der aus der Zukunft kam (siehe "Eb?ne") und mir netterweise seinen Taschengaschromatographen (PGC 7000) zur Verfügung stellte. Die Auswertung zeigte, daß es sich um die Nachahmung der Kopfnote des naturreinen Oud handelte. Bemerkenswert, da es sich bei Oud um die Essenz eines Baumes handelt, der sich im Todeskampf mit irgendwelchen Pilzen befindet, die ihm den Garaus machen wollen.

Die Todesnote:
Dieses Gerät (PGC 7000) schlüsselte die einzelnen Komponenten dieser Todesnote folgendermaßen auf und zeigte, wie es Al Haramain gelang, die Oudnote ohne Verwendung von naturreinem Oud nachzuahmen. Denn bei diesem Preis sollte man wirklich kein Oud in naturreiner Form erwarten. War ja schließlich auch nicht Ziel des Experiments. Hier nun die Todesnote nach einzelnen Komponenten aufgeschlüsselt:
---Schwefelleber-Pastete (warum sollen immer nur Gänse daran glauben?)
---Tom Gerhardt's Unterhose aus dem Film "Voll Normaaal" (Ungewaschen destilliert)
---Babykacke (während der Umstellungsphase von Muttermilch zu fester Nahrung)
---Bier (schon mal getrunken, ausgeschieden, nochmals getrunken und ausgedünstet)
---Harzer Handkäse (ohne Wäscheklammer wohlgemerkt - als Absolue)
---Und als erotische Nuance: ... verrat' ich besser nicht (muß jeder selbst herausfinden)
Wer jetzt meint, sowas gibt es doch nicht - der kennt eben OUDI nicht.!

Die Hintergründe:
Zurück zum Ernst der Sache. So wahnsinnig es auch klingt, so "tödlich" beginnt auch die Essenz des Oud wirklich. Nur: die Wenigsten wissen es. Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis man endlich diese höllische Kopfnote weg-eliminieren konnte (M7, 2002). Zumal diese Note sich hartnäckig hält: 20-30 Minuten bei OUDI entsprechen durchaus dem realen Vorbild. Danach (und da sind wir auch schon bei der Herznote) entwickelt sich ein warmer Holzton. Dies ist die tiefe, holzige Note, die viele auch als sinnlich empfinden. Zur Zeit wird in der Haute Parfumerie diese Note bis zum Erbrechen in allen sinnigen und unsinnigen Varianten ausgereizt. Auf den Weltbestand der botanischen Gattung "Aquillaria ..." wird dabei keine Rücksicht genommen. Hauptsache: der Rubel rollt.! Nach einigen Stunden klingt OUDI (auch hier wie sein realer Vorbild) seichter und minimal kühler werdend aus. Dazu gesellt sich noch ein Hauch von erkalteter Kohle. Zurück bleibt nur die Erinnerung an einen atemberaubenden Todeskampf mit dem Sensenmann. Womöglich erreicht durch den Einsatz ätherischer Öle wie Baldrian, Zwiebel, Knoblauch und Asa Foetida (Stinkasant oder Teufelsdreck). Das war jetzt kein Scherz! Diese Öle gibt es wirklich, und sie riechen wie drei Müllhalden zusammen in konzentrierter Form.

Das Resümee:
Al Haramain hat mit OUDI etwas noch nie Dagewesenes versucht und auf geniale Weise umgesetzt: den Überlebenskampf eines Lebewesens gegen seinen Sensenmann. Das hat hier zur Folge, daß der Duft nur als ein Experiment verstanden werden kann. Was die Tragbarkeit angeht, ist dieser Duft ein absolutes "No Go". Es sei denn, man verkleidet sich beim Kölner Karneval als Sensenmann. Dann wiederum wäre OUDI die beste Wahl überhaupt. Für dieses Experiment vergebe ich gern 100%, weil es eben nicht alle Tage vorkommt, daß der Sensenmann an einem vorüberzieht; plötzlich ein Gesicht in Form eines Smiley hat und zuflüstert: „Irgendwann krieg' ich Dich noch, wenn auch nicht heute. Dann lad' ich Dich ein ins Paradies, wo kein Schmerz und Leid mehr ist ..." Mit anderen Worten: Wenn der Sensenmann erstmal ein Gesicht bekommt, verliert er seine Sense. Somit büßt er auch viel von seiner furchterregenden Gestalt ein. Alles andere ist eben nur ein schwarzer Umhang mit Kapuze.
Unter Berücksichtigung aller Faktoren (Haltbarkeit, Sillage, Tragbarkeit etc.), vergebe ich hier jedoch "nur" 80%.

In diesem Sinne:
„So lebt in Frieden, fürchtet Euch nicht!
Gibt dem Sensenmann ein Gesicht!
Auch wenn's nur ein Smiley ist!"
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DuftJunkie vor 10 Jahren 31 10
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Duft
Selbstfindung Eines Schwulen Türstehers
Die Geschichte:
Parfums sind häufig unmittelbar an Erfahrungen verknüpft, die wir im Leben machen mussten. Eine dieser Erfahrungen verdanke ich "Très Jourdan". Es war die Erfahrung, daß ich eben nicht so vorurteilsfrei war, wie ich immer dachte; daß ich, wenn auch nicht beabsichtigt, "Andere" in Schablonen presste und somit unbewusst ein Klischeenmuster unterstützte, das ich eigentlich hasste. Mit diesem Kommentar in Form einer kurzen Geschichte möchte ich verdeutlichen, daß weder Parfums noch Menschen so eine "Schablonenbehandlung" verdienen. Die Geschichte dreht sich um zwei Menschen, die TJ gern getragen haben und natürlich meine Wenigkeit. Das Paradoxe ist, daß diese beiden Personen Männer waren. An Frauen habe ich den Duft nie gerochen. Der erste Mann ist mein ehemaliger Friseur, der zweite ein ehemaliger Arbeitskollege.

Der Friseur:
Eros war ein sehr fähiger Friseur. Ich hörte von seiner Kunst und begab mich alsbald wegen meiner schwer zu bändigenden Haare in sein Salon. Doch bevor er sich an meine Haare ranmachte ging er kurz weg und griff zu einem Parfum auf einem Regal. Ich konnte erkennen, daß es TJ war. Wegen der auffälligen und gefälligen Flakonform war es leicht wiederzuerkennen. Als er zurückkam, konnte ich mir die Bemerkung nicht verkneifen und sagte, daß es doch ein Damenduft wäre. Er antwortete nur kurz und trocken: »Wen interessiert's? Ich mag eben diese Blumen!« Ich mochte diese trockene Art von ihm. Das war auch an seiner Arbeit zu erkennen: Nach relativ kurzer Zeit waren meine schier unbändigen Wirbel in den Haaren unsichtbar geworden. Er sagte, daß ich mir einen Pferdeschwanz zulegen sollte (nicht, was ihr denkt ;-). Dann könnt' ich auch besser mit den Wirbeln. Als treuer Kunde hab' ich diesen Rat befolgt und trage seit Jahren einen Zopf.

Auch wenn Eros damals sagte, daß er Blumen mag, so roch ich doch nur Früchte. Allen voran Johannisbeere, welche in der obigen Pyramide leider nicht aufgeführt ist. Ich kam auf den Trichter, als Jahre später "Opium pour Homme" von YSL erschien und eben genau diese exotisch anmutende, aber doch vertraute Fruchtnote aufwies.
Ich konnt' ja nicht ahnen, daß Eros von der Herznote von TJ sprach. Ich roch nur die Kopfnote.

Der Türsteher:
Ivan saß mir gegenüber bei dem Lehrgang, an dem wir beide neben drei anderen Kollegen teilnahmen. Weil er neu war, stellte er sich kurz vor und erwähnte, daß er Kampfsport betreibt und nebenbei als Türsteher arbeitet. Die Blicke, auch meine, beäugten ihn kritisch. Der erste Gedanke bei seinem Anblick war nämlich: schlanke, kaum mittelgroße Statur (keine 1,80), mehr Mr. Bean als Hulk Hogan. Der und Türsteher? Er bemerkte das und sagte: „Wie hat ein typischer Türsteher zu sein? Gibt es den?" Da gab es noch etwas, was zumindest mich irritierte: Ein überaus blumiger Damenduft hing in der Luft. In unserer Gruppe gab es nur eine Kollegin, und die hasste Blumen. Als Ivan in einer Pause direkt neben mir stand konnte ich riechen, daß der blumige Duft von ihm ausging. Gleichzeitig erinnerte der Duft mich an etwas. Ich kam nur nicht darauf, woran. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er nur: »Ich mag fruchtige Düfte. So wie die Honigmelone in "Escape for Men", das Du gerade trägst.« Was auch stimmte. Aber TJ verriet er nicht. Ivan kündigte nach einigen Monaten, als er ein Top-Angebot als Security-Chef in einer Nobel-Disco erhielt.

Ivan erzählte mir zwar von seiner Vorliebe für fruchtige Düfte, aber als er sprach war es so, als würde ein überdimensionaler Blumenstrauß zu mir sprechen. Ein Riesenbouquet aus weißen Jasmin und Tuberosen, wobei Rosen in knalligen Pinkfarben feminine Akzente setzten.
Ich sollte später herausfinden, daß Ivan von der fruchtigen Kopnote von TJ sprach. Was ich aber wahrnahm, war die Herznote.

Der Schwule:
Ich war damals ein Teefreak. Mein Spitzname war Tea-Time. Um den Nachschub für meine Oolongs und japanische Halbschattentees sicherzustellen mußte ich regelmäßig einen Teeladen mitten in der City aufsuchen. Auf dem Weg dorthin mußte ich an einem Laden in einer Seitengasse vorbeilaufen, der Anstelle von Schaufenstern dunkel verspiegelte Gläser hatte. Ich hielt es immer für ein Büro oder ähnliches, bis eines Tages just an dieser Stelle Ivan aus dem "Büro" herauskam. Als er mich sah lief er fast rot an. Als ich ihn fragte was er hätte, schaute er verlegen auf die verspiegelten Scheiben. Instinktiv richtete ich meinen Blick nach oben und konnte die gelbe Schrift lesen: "GAY SEX MESSE". Ich sagte, daß nix dabei wäre und daß auch diese Shops Security Fachleute gebrauchen könnten. Er schüttelte nur den Kopf und sagte: »Ich arbeite da nicht, ich bin Kunde.« Ich schlug vor, in ein Cafe zu gehen, weil er sichtlichen Gesprächsbedarf hatte. Auf dem Weg dorthin fiel mir sein Parfum wieder auf. Der gleiche Duft wie damals im Betrieb, nur schwächer und dezenter. Nicht mehr so feminin, aber doch zart.

Plötzlich nach diesem Outing Ivan's wußte ich, woran mich dieser Duft erinnerte. Es war TJ, den auch Eros benutzte. So etwa roch es nämlich im Salon von Eros, wenn er längere Zeit nicht nachgedieselt hatte. Ein dezenter Mix aus sonnigem Heliotrop und würziger Vanille, abgeschwächt durch kühlen Moschus haftete an Ivan. Man nahm es nur wahr, wenn man nah bei ihm stand.

Die Selbsfindung:
Als wir im Cafe saßen sprach Ivan so, als würde er sein Verhalten erklären wollen. Als ich ihm sagte, daß er niemandem eine Erklärung schuldig wäre entgegnete er, daß er es womöglich sich selbst erklären wolle. Was folgte, war ein triviales Gespräch aus Fragmenten seines Lebens: Schule, Familie, Beruf, Beziehungen zu Frauen (die Eine hätte er sogar fast geheiratet). Und sein erstes homosexuelles Erlebnis, das mit einer Zechtour mit einem Kumpel durch die Kneipen anfing und "irgendwie" mit einem Kuss auf die Lippen endete. Er erzählte, daß er bei diesem Kuss mit seinem Kumpel mehr Geborgenheit und Sicherheit empfand als bei irgendeiner Freundin, die er gehabt hatte. Dann fragte er sich, warum es so war; warum er so empfand, wie er empfand. Er sah den Wald vor lauter Bäumen nicht, so kam es mir vor. Er erkannte einfach nicht, daß er immer derjenige war, der stark sein mußte. Sei es in der Schule als Klassensprecher, im Elternhaus als Beschützer seiner jüngeren Schwester, später als Beschützer seiner Freundin oder als Türsteher einer Disco, wo er für die Sicherheit der Gäste sorgen mußte. Bei seinem Kumpel hingegen durfte er "der Schwache" sein.
Später hat Ivan diese Zusammenhänge erkannt, war befreit. Wollte sich aber dennoch nicht outen. Als Türsteher könne er sich das nicht leisten, meinte er. Ich habe ihn schon lange nicht gesehen, aber sollte ich ihn wiedersehen, würde ich ihn fragen: „Wie hat ein typischer Türsteher zu sein? Gibt es den?"

So wie Ivan und der Erklärung seiner Sehnsüchte geht es uns oft mit Parfums. Wir riechen nur Fragmente und sehen das große Kunstwerk als Ganzes nicht. Ich habe das erfahren, als ich auf diese Begegnung hin TJ öfter in Parfumerien getestet habe und mir sogar eine Phiole abfüllen ließ. Ich erkannte, daß TJ genauso fruchtig wie auch blumig war, und daß der sanfte Kern um Heliotrop und Vanille über längere Zeit das Gesamtbild bestimmte.

In diesem Sinne: „Verzettelt euch nicht an Einzelheiten, wenn es darum geht, Parfums als Ganzes zu verstehen." Parfums wollen nicht in Schablonen gepresst werden!

Gewidmet E.O., dem Friseur und I.K., dem Türsteher.

Anmerkung: Namen geändert.
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