Eyris

Eyris

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11 - 15 von 31
Eyris vor 4 Jahren 19 10
6
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Seichte Unterhaltung
Ab und an braucht man einfach so einen Duft: schmeichelnd, leicht zugänglich, einlullend anspruchslos. Letzteres soll nicht unbedingt ein negatives Qualitätsmerkmal darstellen. Es gibt eben Düfte, die sind irgendwie kompliziert, tiefgründig, geheimnisvoll und in dieser Kompexität wunderschön. Und dann sind da solche wie Rouge Smoking: man muss sie sich nicht erst erschließen, nicht über sie philosophieren, kann sie einfach auf Anhieb mögen und genießen. Obwohl ich zugeben muss, dass mich die erste Parfümkategorie mehr reizt und mir die umfangreichere Inspiration für Kommentare liefert, hat auch die zweite sicherlich ihre Daseinsberechtigung - denn auch ich möchte nicht jeden Tag in einer Weihrauch-Amber-Wolke wandeln, die existenzielle Fragen aufwirft.
Heute also mal ein völlig unphilosophischer und bodenständiger Kommentar für dieses appetitliche Duftwerk.

Theoretisch lässt sich Rouge Smoking schon ziemlich gut als "Amaretto-Kirsch" zusammenfassen. Aber beginnen wir von vorn!
Die ersten Minuten kommt der Duft federleicht angetänzelt in einem rosa Kleidchen aus noch nicht vollends reifen Kirschen, getragen von einem Hauch erfrischender Bergamotte mit feiner Würze. Daran könnte man sich vielleicht gewöhnen, wenn nicht bereits kurz darauf die Tonkabohne explodieren würde. Das tut sie jedoch sehr stilvoll, denn ihr Marzipanherz vereinigt sich mit der Kirsche zu etwas, das mich sofort an Amaretto mit Kirschsaft denken lässt. Plausibel, schließlich wird Amaretto aus Bittermandeln hergestellt, was für den marzipanartigen Geschmack sorgt. Vanille steuert hier noch ein wenig heimelige Süße bei, versteckt sich aber eher hinter der edlen Tonka. Und das gefällt mir richtig gut, denn so ist der Duft zwar angenehm süß, wirkt aber keinesweg überzuckert und behält eine gewisse Tiefe bei. Die restlichen Basisnoten bleiben mir weitestgehend verborgen.
Zu diesem Zeitpunkt erreicht nun auch die Sillage ihren Höhepunkt und beglückt uns die nächsten Stunden mit einer gut wahrnehmbaren Portion des leckeren Kirschlikörs. Aufdringlich oder übermäßig präsent ist er dabei aber keinesfalls, ich sehe ihn daher auch weniger als Ausgehduft, sondern eher für gemütliche Abende im kleinen Kreise oder kuschlig zu zweit.
Im Verlauf geht die Kirsche leider ein wenig verloren, wodurch der Duft an Saftigkeit und den letzten Rest Frische einbüßt. Spätestens jetzt liegt hier aus meiner Sicht ein reiner Gourmand-Duft vor, der zwar immer noch hübsch, aber nicht mehr sonderlich abwechslungsreich und spritzig ist - für das ruhige Ausglühen auf dem Sofa aber dennoch sehr angenehm.

Wer einen natürlich anmutenden, außergewöhnlichen Duft sucht, ist mit Rouge Smoking sicher weniger gut bedient. Gerade zur Basis hin merkt man dann doch die künstliche Herkunft einiger Inhaltsstoffe, z.B. der Vanille und des Ambroxans. Wer hingegen ein wenig seichte Unterhaltung mit einem schmackhaften Wohlfühl-Gourmand gebrauchen kann, kann mit einem Test absolut nichts falschen machen und sich gefahrlos in eine Amaretto-Kirsch-Wolke hüllen.
Prost!
10 Antworten
Eyris vor 4 Jahren 16 12
5
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Lichterchor
Es ist düster, so düster, dass ich die Bewegungen derjenigen um mich herum nur noch als winzige Luftzüge und leises Rascheln wahrnehmen kann. Die Geräusche hallen seltam laut von den hohen, kalten Steinwänden wider, die Dunkelheit verstärkt meine Sinne. Schließlich kehrt eine eigenartige Stille ein, wie sie nur geschaffen werden kann von einer Vielzahl an Menschen, die voller Spannung auf etwas Gemeinsames warten.
Plötzlich flammt ein Licht in der Mitte des Saals auf, dann noch eines und immer mehr, bis ich in einem Meer aus Kerzenschein sitze. Zugleich setzt hinter mir ein Gesang ein, ein heller, voller Chorus aus viel verschiedenen Stimmen.
Alles singt, alles leuchtet.
Intuitiv schließe ich mich dem Lied an, kenne den Text nicht einmal, doch das ist bedeutungslos. All die menschlichen Stimmen und jeder Kerzenschein fügen sich zusammen zu einem strahlenden Lichterchor, der jeden noch so kleinen Raum der Luft erfüllt.
Als unser Gesang endet, fällt der erste Strahl der aufgehenden Morgensonne durch die großen Glasfenster, als hätten unsere Stimmen sie entzündet.

Dies sind meine ersten Assoziationen zu "Voix Humaine" und bitte lasst mich gleich zu Beginn erwähnen: ich bin kein religiöser Mensch, glaube nicht an Gott im kirchlichen Sinne und war seit Jahren in keinem Gottesdienst mehr. Dennoch gab es in diesem Zusammenhang ein recht eindrückliches Erlebnis: Kurz vor meiner Konfirmation mit 14 Jahren besuchte ich zum ersten und einzigen Mal einen Ostergottesdienst. In unserer Gemeinde gab es einen Frühgottesdienst, der vor Sonnenaufgang stattfand und mit Sonnenaufgang endete. Die ganze Kirche wurde nur von Kerzen und den Stimmen der Menschen erleuchtet - eine Atmosphäre, die auch eine Agnostikerin wie mich zutiefst faszinierte.

Gewissermaßen erinnert mich "Voix Humaine" nicht nur von seiner Stimmung, sondern sogar von seinem Aufbau her an diesen Moment. Im Kirchengesang kommen verschiedenste Stimmen zusammen, hohe, tiefe, schiefe, quitschige, kratzige, sonore, kurzum, das ganze Klangspektrum des menschlichen Stimmorgans. Dennoch ergeben sie gemeinsam einen wunderschönen, warmen Gesamtklang, aus dem nicht einmal meine krächzende Stimme unangenehm hervorsticht. Genauso ausgeglichen ist dieser Duft.
Weihrauch - die kalten, schroffen Steinwände, die Dunkelheit - gibt andächtige, geheimnisvolle Tiefe.
Harze, Vanille und Ambrette - der Menschenchor, das Lichtermeer - spenden Wärme, Licht und Hoffnung.
Diese beiden Seiten des Duftes sind so wunderbar miteinander verwoben, wie ich es selten erlebt habe. Mir kommt es sogar vor, als würde dieser Duft gerade die schönsten Seiten einer jeden Duftnote perfekt ausbalanciert zur Geltung bringen.
Der Weihrauch ist kühl und trocken, aber nicht erstickend rauchig. Der Amber ist würzig und süß, aber nicht muffig. Die Vanille ist hell und leicht, aber nicht pudrig. Die Harze sind balsamisch und warm, aber nicht quitschig.

Ich sehe "Voix Humaine" dabei keinesfalls als religiöse Botschaft, sondern als Hommage daran, wie sich die menschlichen Stimmen erst im Zusammenspiel entfalten und Licht und Wärme spenden.
Ein Parfüm, das im Dunkeln leuchtet wie Kerzenschein und Chorgesang.

Vielen, vielen Dank an Serafina, die mich mit dieser Probe beglückt hat!
12 Antworten
Eyris vor 4 Jahren 29 10
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Warum liegt hier eigentlich Stroh rum?
Dienstag Nachmittag, schlechte Laune, Langeweile: das Setting meines heutigen Dufttests ist schnell beschrieben. Doch welche Probe soll dafür herhalten? Klar, es muss zur Stimmung passen, und so stoße ich schließlich auf "The Dark Side" - ohne zu melodramatisch werden zu wollen.
Tatsächlich merke ich schon beim Aufsprühen: Fehler! Vielleicht kennt es der ein oder andere, man ringt sich nach einer gefühlten halben Stunde endlich eine Entscheidung für den Duft des Tages ab, merkt aber schon direkt nach dem Sprühen, dass man nach reichlichem Nachdenken gezielt den falschen Duft gegriffen hat. Aber wieder abwaschen ist nicht drin, und schon hat die unerwünschte Reise begonnen.

Der erste Atemzug schaltet sofort das Kopfkino an und beschert mir ein überraschend klares Bild: Heu! Kein völlig trockenes, altes Heu, sondern die etwas jüngere Variante, wenn die Halme noch einen Hauch Grün in sich tragen.
Darauf mit Honig benetzte Haut, an der das Heu kleben bleibt, pieksig und warm. Aufgestaute Sommerhitze und Wollust auf dem Heuboden.
Eine leichte Stallfetisch-Animalik schwinkt mit und verdunkelt den Duft wie bei einer Sonnenfinsternis den Tage. Denn wirklich düster erscheint der Duft nicht, eher dämmrig, spannungsgeladen.
Die gelisteten Duftnoten erklären diesen Gesamteindruck auf den ersten Blick nicht unbedingt, sodass ich von dem komplexen Zusammenspiel durchaus fasziniert bin.

Nach einiger Zeit bestäuben Iris und Veilchen Heu und Haut mit einem feinen Puderhauch, stickig und lüstern. Ja, "The Dark Side" erzählt eine Geschichte von Lust, Geheimnissen und Abgründen, und spätestens jetzt wird mir bewusst, dass ich mich auf keine leichte Reise eingelassen habe. Dieser Duft ist anstrengend, anspruchsvoll und außergewöhnlich.
Im weiteren Verlauf kommen warme, süße Harze, Hölzer und ein Hauch Amber hinzu. Auch die Vanille tut sich stärker hervor und macht alles etwas runder, kuschliger und wohlwollender. Kurzum: im Abgang wird die dunkle Seite doch ein wenig gezähmt und sanfter, bleibt dabei jedoch weiterhin ungewöhnlich und irgendwie schräg.
Als der Duft schließlich verglüht ist, bin ich einerseits erleichtert, andererseits auch bereichert von seiner mitreißenden Art.

Nachdem ich mittlerweile beinahe alle Bianchi-Parfüms testen durfte, ist "The Dark Side" für mich der schönste und auch tragbarste aller Düfte, Animalik und Schwülstigkeit halten sich in Grenzen. Wobei "tragbar" hier eher relativ gemeint ist, auch dies ist mitnichten ein Duft für die Arbeit oder fürs Kaffeetrinken mit den Großeltern - eher für ein Schäferstündchen auf dem Heuboden.

P.S.: Sorry für den Titel... Ich konnte nicht anders und es passte so gut, bitte seht es mir nach! :D
10 Antworten
Eyris vor 4 Jahren 38 18
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Jedem Ende wohnt ein Zauber inne
Den Herbst habe ich noch nie gemocht: den ersten Raureif auf Laub und Wiesen, die kürzer werdenden Tage und die Zugvögel am Himmel lösen in mir die Angst vor Verlust aus, der Verlust des Sommers, der Lebensfreude und Wärme. Mir schießen Bilder von all den Dingen durch den Kopf, die ich im Sommer erleben wollte, von Nächten, die ich durchtanzen, Bergen, die ich besteigen und Länder, die ich bereisen wollte. Die Reue, etwas im Leben versäumt zu haben - wenn auch nur für dieses Jahr. Sind nicht die Jahreszeiten eine Allegorie der Natur auf den Lauf des Lebens? Der Herbst ist Vergänglichkeit, ein Abschiednehmen.
Und so senkt sich die Melancholie des Herbstes wie herabfallendes Laub schwer und klamm auf mein Gemüt, als sei es ein Abschied für immer.

Doch es gibt auch Momente, in denen mir die Natur einen anderen Blickwinkel gewährt.
Der leuchtend rote, in Abendsonne entzündete Herbstwald rankt einer Flamme gleich in den düsteren Sturmhimmel empor.
Die Blätter wirbeln im Wind gleich einem unsichtbaren Tanz umeinander, werden in einer Spirale in die Luft gehoben, um sogleich wieder flach über den kalten Boden zu tänzeln.
Der Nebel, der sich morgens wie ein Leichentuch über Felder und Wiesen senkt und den die geschwächte Herbstsonne noch gerade eben zu vertreiben vermag.
Ich erkenne: der Vergänglichkeit wohnt eine melancholische, aber würdevolle Schönheit inne, die mir einen Hauch von Besinnlichkeit verleiht. Beinahe möchte ich Hermann Hesses Verse umschreiben: auch jedem Ende wohnt ein Zauber inne!
So wie die Eichhörnchen, sich für den Winter wappnend, zwischen den Bäumen hin und her huschen um Nüsse zu sammeln und zu vergraben, so wappne auch ich mich innerlich für die kalte Jahrszeit mit einer kleinen Inventur der Seele. Welche wärmenden Erinnerungen nehme ich mit, wofür bin ich dankbar? Was tut mir gut, wie kann ich anderen guttun?
Büchervorräte werden angelegt, die Wohnung duftet nach Tee. Man kuschelt sich eng aneinander, der nahende Winter verleiht der Nähe eine ursprünglichere, ja fast archaische Bedeutung.

Mit diesen Gedanken trage ich "Autumn Nocturne". Er symbolisiert für mich genau dieses: den Zauber und die Schönheit der Vergänglichkeit.
Zimt, Tabak und getrocknete Früchte zeichnen das Bild einer leuchtenden Herbstlandschaft, die noch die Spuren des Spätsommers wie eine wohlige Erinnerung in sich trägt. Wenn man genau hinhört, verbirgt aber auch bereits der Herbst die leisen Vorboten des nächsten Frühjahrs: eine Andeutung von Rose und Orangenblüte, nur ganz zart, jedoch gerade genug, um Hoffnung aufkeimen zu lassen. Es ist eben doch kein Abschied für immer, die Natur bereitet sich lediglich darauf vor, im nächsten Jahr in all ihrer Pracht zurückzukehren.
Irgendwann verblasst die Erinnerung an die Früchte des Sommers immer mehr und wir müssen uns auf das Wesentliche besinnen. "Autumn Nocturne" wird ruhiger, dunkler, wärmer. Eine würzig-holzige, süßliche Ambrabasis umhüllt und schützt mich vor der Kälte.

Ja, eine gewisse Melancholie und Sehnsucht nach dem, was war, verbleibt.
Aber nun bin ich gewappnet und geborgen.
18 Antworten
Eyris vor 4 Jahren 13 5
5
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
Waldboden
Ich muss zugeben: der erste Flügelschlag des schwarzen Raben haut mich ganz schön um - stechend, holzig, erdig, kurzum: eine Wucht von Nadelwald. Der schwarze Pfeffer verleiht diesem Auftakt eine unangenehme Schärfe, die zum Glück jedoch schnell verfliegt und Platz macht für einen authentischen Waldbodenakkord. Dieser besteht für meine Nase vor allem aus leicht angeharztem Holz, staubig-trockener Erde und grünem Vetiver.
Riecht so der russische Nadelwald? Ich vermag diese Frage leider nicht zu beantworten, aber zumindest mutet der Duft sehr natürlich an. Doch möchte ich riechen wie ein Waldboden?
Bevor ich dieser Problematik näher auf den Grund gehen kann, vollzieht der Rabe eine interessante Wendung.
Die Staubigkeit der Erde wird aufgeweicht in einer feucht-grünen, irgendwie modrigen Noten, als habe es vor kurzem geregnet. Die Feuchtigkeit steigt dampfend vom nadelübersähten Boden und den Ästen auf. Kurze Zeit später wandelt sich der Duft erneut: aus dem Matsch tut sich der Vetiver in hellgrüner, fast frischer Pracht hervor, als sei er gerade der nassen Erde entsprungen. Krautig riecht er, und sogar ein wenig süß, was den schwarzen Raben ziemlich zahm und freundlich stimmt.
Eine spannende Wendung, die ich diesem Parfüm zu Anfang niemals zugetraut hätte. Lugt da unter all dem jungen Grün nicht sogar ein schüchternes Veilchen hervor?
Der schwarze Rabe trocknet sich auf einem Baumstumpf sitzend das feuchte Gefieder in der zarten Sonnenwärme, schüttelt die letzten Tropfen ab und fliegt von dannen.
5 Antworten
11 - 15 von 31