FadeToGrey

FadeToGrey

Rezensionen
FadeToGrey vor 5 Jahren 8 1
7
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Dunkle französische Eleganz mit Internatsausbildung
Nachdem ich mich nun lange mit Probe und Teststreifen begnügen musste, ist er nun endlich da! Der Duft, den von mir geschätzte Rezensenten als eine der besten Erscheinungen des letzten Jahres bezeichnet haben! Er kam heute morgen im Paket verspätet endlich auch bei mir an! Ich feiere es!

Vor einiger Zeit machte ich mich auf die Suche nach einem Parfüm für die gediegeneren Anlässe. Als mir dann Gentleman Givenchy zum ersten Mal unter die Nase kam, war der erste Gedanke: „Gefunden!“ ; der zweite: „So möchte ich an Weihnachten riechen!“ Nicht falsch verstehen, der hat nix mit Zimt oder Lebkuchen zu tun! Ich finde ihn nur irgendwie „feierlich“! Warm, elegant und feierlich! Deswegen der spontane Gedanke an Weihnachten!
Er ist sicher vielseitiger, aber ich möchte ihn mir – feierlich – für besondere Momente aufsparen. Für Hochzeiten und wenn man mit lieben Menschen richtig chic Essen geht. Im profanen Alltag werde ich ihn kühl, dunkel und geschützt in der Kommode belassen und mich nur manchmal freudig daran erinnern, dass es ihn gibt!

Es ist sicher kein Zufall, dass GG spontan mein Gefallen gefunden hat, denn Nathalie Lorson (EN-Reihe, Bentley Intense, u. a.) gehört definitiv zu meinem Lieblingsparfümeuren!
Es gilt auch hier, was wohl für viele ihrer Männerparfüms gilt: Sie geht zum Parfümmachen in den Keller! Und in diesem Keller wird nicht gelacht! Just-fun-Düfte sind jedenfalls irgendwie anders!
Am Ende der Entwicklung stehen dann etwas ernstere, etwas dunklere und in jedem Fall äußerst geradlinige Düfte! Larifari ist nicht ihr Ding! Eine oder - wie im Fall von GG - einige wenige Duftnote(n) werden genommen, ins Zentrum gestellt und eigenwillig interpretiert. Alles sehr – neudeutsch - straight! (Siehe auch Encre Noir!)

Givenchy hat wohl erst sehr spät den von DHI, VUI und Prada gesetzten Trend erkannt und ist in gewisser Weise ein Nachzügler! GG steht also keineswegs allein auf weiter Flur! Vielmehr tief im Iriswald! Dank Nathalie Lorson jedoch in einer recht schattigen Ecke, die zur Melancholie einlädt!
Für mich hat der Duft dadurch doch Eigenständigkeit und auch einen Wiedererkennungswert! Ich empfinde ihn als weniger süß und weniger aufdringlich als seine Kontrahenten. Er gefällt, ohne zwanghaft gefallen zu wollen! Auch an anderer Stelle kann man - dankenswerter Weise - lesen, dass er nicht unbedingt Mainstream ist!

Damit wären wir auch beim Duft:
Neben nach und nach aufsteigendem „Vanillig-Cremigen“ bildet pfeffrige Würze den Auftakt und bleibt im gesamten Duftverlauf dezent wahrnehmbar. Keinesfalls besteht Niesgefahr! Der Pfeffer ist noch stärker runtergeregelt als beim auch schon gemäßigten Prada L’Homme (Auch nur allenfalls entfernte Verwandtschaft!). Lavendel liefert ein bisschen männliche Frische ohne erkennbare Akzente zu setzen! Mit Tolubalsam kenne ich mich nicht aus, es liefert wohl einen Teil der balsamische Süße des Duftes.
Zentrale Herznote bildet – oh Überraschung - die Schwertlilie = Iris. Ich finde sie wesentlich dezenter als bei Dior Homme Intense bzw. nehme ich bei Dior irgendeinen „Störfaktor“ wahr, den ich nicht genauer benennen kann; eine Nuance in der Irisnote, die mir nicht gefällt. Hier ist jedoch alles sehr schmeichelnd!
Den lang anhaltenden Drydown von GG dominiert die Vanille, begleitet von Patchouli. Die Vanille wurde hier – wohl aus Marketinggründen – „schwarz“ genannt! (Ist nicht jede fermentierte Vanilleschote schwarz?) Ganz abwegig ist der Name aber dennoch nicht. Denn auf mir unbekannten Wegen hat man es geschafft, die tendenziell eher als „feminin“ begriffene Note ins Maskuline zu wenden! Ich kann es nicht erklären: Ganz ganz weit im Hintergrund riecht es leicht nach verrauchter Lederjacke. Vielleicht ist es das!

Die Sillage entspricht einem Gentleman! Ein Gentleman spricht laut und deutlich, mit Bestimmtheit, aber niemals unangenehm auffallend! Ich finde das nur zeitgemäß! Man sollte niemanden zwingen, vor die „Wand“ des eigenen Duftes zu laufen! Das ist schlicht unhöflich!
Die relativ lange Haltbarkeit habe ich schon in einem Statement besungen! Es ist auch im mittleren Preissegment nicht mehr wie richtig, dass, wenn man einen bestimmten Betrag Geldes bezahlt hat, auch eine gewisse Qualität erhält. Ich erwarte das von einem N.Lorson-Duft! Im Grunde erwarte ich es auch von einem Givenchy-Duft.

Zusammenfassend:
Gentleman Givenchy ist ein eleganter, leicht melancholischer, französischer Bourgeois! Er wurde mutmaßlich in einem erstklassigen britischen Internat zu Ausdauer erzogen und mit Manieren ausgestattet. Er ist deswegen nicht zu einem zwanghaften, südländischen Verführer, sondern zu einem wahren Gentleman geworden!
1 Antwort
FadeToGrey vor 5 Jahren 19 6
5
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Marketingopfer auf Umwegen
Eine L’Occitane Boutique in einem größeren Einkaufszentrum lässt mich in der Regel kalt! Unnötige Wegmeter auf dem Weg zum eigentlich anvisierten Geschäft. Das gilt erst recht für meine Vor-Parfumo-Zeit. Das ein bisschen auf Vintage, ein bisschen auf Natürlichkeit getrimmte Image sprach / spricht mich irgendwie wenig an. Und überhaupt ist L’Occitane nicht so ein Frauen-und-ihre-kleinen-Lädchen-Ding?!

Ach, hab ich erwähnt, dass ich die Flakons...äh die Apothekerfläschchen hässlich finde?

Wie kann also - bei diesem dicken Päckchen an Vorurteilen - Eau de L'Occitane pour Homme zu meinem aktuell meist geliebtesten Alltagsduft werden?

Auf Umwegen!
Vor drei Jahren zu Weihnachten wohl mal die dazugehörige Seife geschenkt bekommen. Eigentlich der klassische Marketing-Haken, an dem man zappelt, bis man das passende Parfüm erworben hat. Damals dachte ich nur, was soll man mit einem Stück Seife, wenn ein Zehnjahresvorrat Flüssigseife im Spind steht. Also die in Papier verpackte Seife als Frischespender in die Wäscheschublade gesteckt. Tat da auch immertreue Dienste, war aber auch bald vergessen.
Vor ein paar Monaten hatte ich dann ein einschneidendes Erlebnis. Es muss in etwa zur selben Zeit gewesen sein, als ich Parfumo entdeckte. (Zufälle gibt’s?) Eines Morgens konnte ich mein DuschZEUG (telling name!) einfach nicht mehr riechen! Nicht mehr ertragen! Ich hätte es durch das Zeugs von Nivea, Adidas, Fa, Duschdas oder was auch immer ersetzen können, aber eine göttliche Eingebung verriet mir, dass das nicht helfen würde! In meiner Not erinnerte ich mich an die Seife zurück! Und was war es wieder für eine Wohltat morgens zu duschen! Ich liebe die Seife, sie hinterlässt einen wunderbaren ganztägigen Dufthauch auf der Haut. Aber kommen wir zurück zum Parfüm.
Die ausgelegte Marketingfalle schnappte zu und der Wunsch, das passende Parfüm zu testen / kaufen wuchs. Auch die Verkäuferin wollte den Sack schnell zu machen: „Sie kennen die Seife, das Parfüm riecht genauso!“ Allerdings schreckte mich die prominente Stellung der Lavendelnote ab. Die Angst vor der „Mottenkugel“! Es gibt wirklich nichts Schlimmeres als eine billig-stechende Lavendelnote! Daher war ich sehr tapfer und vertröstete die Verkäuferin auf später, um mir wenigstens ein bisschen Testzeit einzuräumen. Vorweg: Ich hab LOpH dann am selben Tag noch gekauft!
Der Lavendel ist, wie auch schon geschrieben wurde, wirklich sehr fein, dezent und frisch! Sollte ein Rest stechenden Charakters übrig geblieben sein, so wird dies perfekt ausbalanciert durch die würzigen und warmen Noten des Parfüms. Überhaupt scheint mir der Begriff „Wärme“ das Parfüm am besten zu beschreiben. Trotzdem fehlt auch seifige Frische (=Kälte?) nicht.
Die Note von verbranntem Holz fügt sich wunderbar in die Harmonie des Duftes. Untermalt seine Würze und Wärme! Gleichzeitig gibt er ihm eine kleine Kante! (Klingt paradox!?) Ohne die dezente rauchige Note könnte das seifig-frische Lavendelgrundgerüst auch wieder leicht an „Duschgelfrische“ erinnern, was ich ja nicht mehr wollte.

Es wurde verschiedentlich geschrieben, dass man die Brennholznote nicht riechen könne! Ich kann das nachvollziehen. Meine aktuellen „Forschungsergebnisse“ gehen dahin, dass auf warmen Hautstellen die frischen Nuancen dominieren und auf kühleren Hautstellen das Rauchige besser zur Geltung kommt! (Vielleicht schreibe ich auch Blödsinn und mal riecht man den Rauch und ein anderes Mal halt nicht!)

Trotz der kurzen Zutatenliste ist der Duft überraschend facettenreich. Es war stürmisch die Tage und ich erwischte mich beim Stadtgang verschiedentlich, dass mir eine „unbekannte“ Duftnuance in die Nase wehte. Hatte mich schon umgeblickt, wer da wie riecht, als ich feststellte, dass ich es wohl selbst bin! Es gibt also auch noch was zu entdecken und ich bin definitiv noch nicht fertig mit diesem tollen Duft!

Ist LOpH – wie die Länge der Rezension nahelegt – ein Superlativ-Duft? Nein, ist er nicht!

Ist LOpH ein liebenswerter, grundsolider Alltagsduft? Ja, das ist er!

Schmeichelt LOpH dem Massengeschmack? Ja, das tut er!

Ist er dabei eigenwillig und kreativ genug, um wenigstens ein bisschen vom Mainstream abzustehen? Ja, das ist er definitiv!

6 Antworten
FadeToGrey vor 5 Jahren 6 1
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Sweet 80s dreams are made of this
Genauso wie man sich beim Autofahren manchmal die Yazoo&Co Synthiepop Playlist reinknallt, wenn das Radio mal wieder nur Max Giesinger spielt, muss Cool Water im Sommer manchmal einfach sein!

Mit Cool Water dürfte ich meine ersten Begegnungen überhaupt mit Parfüm gehabt haben. Daher hierzu auch mein erster Parfumo Kommentar. Als halbes Kind dem Vater flux aus dem Badschrank entwendet und heimlich still und leise ins eigene Badezimmer überführt! (Dass die Enteignung stillschweigend akzeptiert wurde, sagt mir, dass Cool Water schon damals zu den erschwinglicheren Düften gehört haben muss.)
Zum Duft nur kurze Anmerkungen: Cool Water gehört deswegen in eine (aufzubauende) Sammlung, weil er eine Schnittstelle bildet. Die allgemein als neu aufgefasste synthetische Aquatik hat Cool Water zu einem Gründervater werden lassen. Aber interessanter ist doch, dass er ansonsten als relativ klassisches Fougere daherkommt. Revolution in kleinen Tropfen!
Wenn man also verstehen will, wie in der Parfümwelt Trends gesetzt und verschoben werden, eignet sich Cool Water als prima Studienobjekt. Besonders wenn man, wie ich, noch am Anfang steht.
Kulturgeschichtliche Ausführungen: Wer spätgeboren ist oder anderweitig am Kultstatus von Cool Water zweifelt, schaue sich die vollen 4 1/2 Minuten des (leider 90er) Werbevideos an: Künstlertyp-Schönling torkelt sinnfrei durchs Hafenviertel von Long Beach (Sonnenstich??), zwischendurch Schwimmen und Springen in den Wellen, Räkeln im Flachwasser! Ikonisch! In den blau unterlegten Oceansequenzen kann man Cool Water förmlich riechen!
Abschließend zu bedauern: Die Tatsache, dass (immer noch) regelmäßig bestenfalls mittelmäßige Flanker auf den Markt geworfen werden - ich besitze mit Night Dive m. E. noch einen der besseren - gefährdet den Kultstatus von Cool Water eher, als dass er ihn befördert!
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