Imel

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11 - 15 von 44
Imel vor 13 Jahren 9 4
10
Haltbarkeit
9
Duft
Vom Papa und seiner Jungfräulichkeit
Ich kann das Papa-Feeling unbeschwert nachvollziehen. Nicht weil es mich an meinen Vater erinnert. Denn der trägt kein Parfum und auf seiner Abreit riecht es nach Dzing!
Nein, dieser Duft vermittelt Männliche Jungfräulichkeit. Natürlich ist ein Papa nur in den seltensten Fällen noch Jungfrau. Aber Anvers ist so unbeholfen unbefleckt.
Faszinierend ist schon die Kopfnote. Eine perfekt ausbalancierte Kräuter-Zitrus Mischung (Danke an DeGe) vermittelt Gemütlichkeit und Ruhe. Hier ist mal nichts mit Aufmerksamkeitsheischender Imposanz oder verrückt inszenierter Hölzer. Auch keine süffisanten Zitronenschalen wie sie einen Herrenduft einläuten mögen. Nein Nein. Langsam nun gleitet dieser Akkord in die Herznote über und vermittelt eine stärker werdenden Saubere-Wäsche-Charakter. Hier mal kein synthetisch wässriger, der sich vor lauter, gepresster Haltbarkeit kaum noch auf der Haut halten kann. Es riecht auch nicht nach Reinigungsmittel. Nein Nein. Anvers riecht wie saubere Luft durchzogen von einem Hauch Natur.
Es ist endlich einmal ein Duft der mich an Meer denken lässt. An tiefes klares Wasser, den Geruch von Salz und grünen Algen, den frischen Wind im Haar. Deshalb riecht dieser Duft auch so natürlich, rein und unverdorben und vermittel nicht weniger als eine klare Tiefe mit einer interessanten Abgehobenheit. Irgendwo ein Papa. Aber kein Matrose oder so. Eher der Papa der im Nordseeurlaub mit mir eine Sandburg baut und auf den Fotos völlig unbeteiligt in die Ferne schaut. Kein Papa der um die Welt reist und ferne Länder sieht, schon gar kein draufgängerischer Abendteurer sondern einer der mich heil vom Urlaub wieder nach Hause bringt. Solche Papas braucht die Welt und ich diesen Duft.
Zurück zu Hause, äh... beim Duft sind die Bienen gemolken und eine cremige Honignouance zeichnet sich schwungvoll durchs Duftbild. Die Blumen sind nicht unbedingt herauszuriechen aber ich denke sie nehmen dem Duft viel, nämlich seine Verkrampftheit. Die Blumen lockern diesen Duft etwas auf, hohlen ihn ein Stückchen aus seinen grünen Kräutertiefen, lassen Anvers etwas gefälliger wirken. Sowie ist er ein Duft der absolut nichts falsch macht. Ein echtes Kultobjekt.
So langsam wird man selbst älter und man erfährt mehr über Geschlechtsverkehr und nun haut die Theorie vom jungfräulichen Papa nicht mehr hin. Ein erwachsener Holzakkord mischt sich unter. Vorbei ists mit den Urlauben am Meer. Nun wird zusammen gezeltet, nicht in tiefen Wäldern sondern unter irgendeiner langweiligen Baumgruppe und von da an wirds auch olfaktorisch langweilig.
Der Papa ist doof und macht mit mir nichts mehr, lümmelt nur rum und wird wohl zu alt zum spielen. Wie schade.
So auch der Duft. Nach einer wundervollen Herznote entwickelt sich Anvers nun so wie es kommen musste. Es wird holziger und mir langweiliger. Hier fehlt es mir einfach nur an Kreativität. Mein Vorschlag wäre es ja, dem Ambra einen stärkeren Akkzent zu geben, aber auf mich hört ja sowieso niemand. Am wenigsten mein Papa.
Einige Jahrzehnte, äh... Stunden später ist die Faszination am Duft vielleicht vergessen, "Papa wurde entthront" (Turandot).

Wer nichts mit Guave anfangen weiß der kann sich an Myrthe orientieren oder weiter googlen.

Anvers ist ganz sicher ein Duft für Männer. Er ist mal ganz anders, orientiert sich nicht an Klischeebilder imposanter Männlichkeit und ist trotzdem so authentisch und liebenswürdig. Ein Papa der sich auch in den Arm nehmen lässt.
4 Antworten
Imel vor 13 Jahren 9 4
10
Haltbarkeit
9
Duft
Der Anarchist
Um hier einiges richtig zu stellen. Ein Anarchismus ist kaum einer Regellosigkeit gleichzusetzen. Vielmehr setzt der Einzelne nur Regeln für sich selbst fest, angehalten an Moral und konstruktive Werte. Er lässt sich die regeln nicht geben sondern nimmt sie sich. In der Utopie ist der Anarchismus die wohl ordnungsliebenste Gessellschaft, auch weitaus freiheitsliebender als das, was wir heute im perversen Maße als Demokratie bezeichnen, welche letzterenendes doch nur vom Kapitalimus überschüttel worden ist, und der Mensch kaum noch luft bekommt, sich kaum freischaufeln kann.
In dieser Utopie hält sich auch Carons Anarchist. Er ist sicher eigen, löst Unverständniss aus und viele werden nicht drum herum kommen ihn mit einem Lächeln beiseitezuschieben. Dabei ist L´Anarchiste eine handwerklich perfekt ausbalancierte Aneinandereihung freundlicher Akkorde. Beginnend mit einer frischen Note die die reife Frucht dahinter schon etwas durchscheinen lässt, bettet sich der Duft auf einem Altar aus Moschus. Einfach anbetungswürdig.
Der Anarchist ist vielseitig.
Im Begriff, den Menschen um mich herum etwas Verständniss abzugewinnen, verwerfe ich diese Idee alsbald ich der Erkenntniss, ihrer Dummheit anheimfalle. Die meisten Menschen versthen Vielseitigkeit nicht, sie erleben den Genuss ihres Lebens in der Einfachheit eines Schubfachdenkens, verbingen wenig Zeit mit der aktiven Auseinandersetzung oder Selbstkritik. Somit ist eine Vielseitigkeit oft unbegreiflich für ihn. Es ist nicht so das der Mensch sie nicht sehen will, noch schlimmer, er ist noch gar nicht bei dieser Entscheidung des Wollens angelangt. Er übersieht das meiste einfach.
Somit ist der Duft auch anspruchsvoll.
Carons Anarchist, ist eine durchweg gelungene Ausgabe meiner Vorstellung eines Anarchisten in seiner utopischen Gesellschaft. Die anarchistische Gesellschaft verneint nämlich das, was wir heute im politischen Maßstab zur Notwendigkeit festsetzten, was wir dann wiederum verschweigen. Sie verlangt Veränderung, Vielfalt und Komplexität. Wer LeBons Psychologie der Massen gelesen hat, erfährt darin die wissenschaft fundierte Entdeckung, dass Große Völker, die sich der Kultur und den Fortschritts rühmen dürfen, sehr Vielfälltig als Gesellschaft ausgeprägt war. Pysisch wie auch Psychisch. Heutzutage erleben wir das Gegenteil, auch olfaktorisch.
Der Duft zeigt diese Komplexität, in sinnlicher Tiefe ohne experimentell zu sein, sondern ist durchdacht und organisiert.
Wem das jetzt zuwenig mit dem Duft an sich zutun hat dem sei gesagt das es nicht meine Absicht war. Vielmehr eröffnet einem der Duft, mitsamt Namensgebung, den Raum für die Frage was ein Anarchist ist.

Schon die Kopfnote, verspricht nicht aber eröffnet einem, eine große olfaktorsiche Vielfalt. So entspringen den sanft milchigen Frischenote, leichte Anklänge pudriger Blumigkeit und eine Ahnung von milden Früchten. Es ist einer der Art Düfte denen sich eine Erinnerung zuordnen lässt, trotzdem ist er abstrakt und gelungene Duftmalerei.
In der weiteren Entwicklung kommt der Moschus immer mehr zum tragen. Er verbindet die einzelnen Noten und erschafft ein natürlich wirkenden Gesamtbild. Irgendwie schafft es dieser Duft, sich an einem Kontrast oder einem Wiederspruch vorbeizumogeln. Man erwartet ihn, sucht ihn, meint ihn gefunden zu haben nur um zu erkennen das sich dieser Gedanke schon wieder in der Idee Richard Fraysses nach einer komplexen Homogenität verliert.
Ich persönlich rieche hier rein gar nichts würziges. Das lässt den Duft etwas weiblich erscheinen obwohl ich sagen würde das er von einem Mann getragen werden sollte. Ich weiß es nicht zu erklären aber L`Anarchist erfordert einen Stich männlicher Ironie. Dennoch hat der Duft einen geschlechtslosen Charakter. Er steht so ein bisschen daneben, will sich bewusst nicht einordnen und verneint jeden Versuch des Trägers ihn zu erfassen. Zwar erkennt man die einzelnen Noten recht deutlich aber untereinander gibt eine den Duftnoten um sie herum einen anderen Charakter. So wie es sein sollte.
Mehr und mehr eröffnet sich mir die Seifigkeit von der vor mir gesprochen wurde. Allderdings empfinde ich sie als sehr erfrischend, sie gibt unserem Anarchisten ein Stück Reinheit und bewahrt ihn womöglich vor der Vorstellung des Trägers, Anarchisten wären ungewaschene Punks in der Fußgängerzone. Der Duft bettelt auch nicht um Wohlgefallen. L´Anarchist steht eben für sich, und wenn er allein ist, das ist ihm egal.
Ein kleines Stück ist der Duft auch Idealist. Die heile und saubere Welt die er verspricht endet dann spätenstens in der Dusche. Trotzdem, ein Duft, anstrebenswert und märchenhaft. Welcher Idealist wäre nicht Romantiker will er sich nicht in Weltschmerz an der Lebensfreude vorbeivegetieren.
In der Basis steht der Duft nun zu sich selbst und eine gebieterische Moschusnote steht nun alleine da. Ich glaube sie schwitzt ein wenig so im Scheinwerferlicht denn sie wirkt irgendwie verlaufen.
Ein wenig melancholische und altertümliche Gelassenheit verbreitet dieser Duft nun weit im Raum, aber dezent. Nicht aber diesen postmodernen Lifestylecharakter von Coolness. Eher den der selbstbewussten Art, die Gelassenheit mit sich selbst austrahlt.

Für diese Entdeckung danke ich Igraine!
4 Antworten
Imel vor 13 Jahren 10 4
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Von Engeln und Orangen
Der Kopf ist eine umschmeichelnde Duftmalerei von Rose und Orange. Der Gegensatz beider ist gleichzeitig die Symbiose. Die Rose nimmt der Orange die Schärfe und andersherum gibt die Orange der Rose etwas peppiges. So gestaltet sich der Übergang wundervoll. Der Pfeffer nimmt sich dankender Weise zurück ohne aber in den Rausch der Vergessenheit zu geraten möchte man sich nur dem beherzten Liebesakt von Muskat und Nelke. Die Rose schmiegt sich weiterhin frivol an die Orange, wird dann aber leid bald brüst weggeschubst.
Es riecht, alles zusammen in seiner homogenen Aura, wie Weihnachten, wenn man als kleiner Junge der Oma selbstgebastelte Duftsäckchen geschenkt hat. Liebevoll in der Schule gezimmert, gefüllt mit getrockneter Orangenschale, Rosenblüten, Muskatnuss und einigen Nelken. Im Hintergrund der Geruch des Weihnachtsgebäck und die Orangenschale am Weihnachtsbaum. Das Wohnzimmer ist druchwoben von einem warmen mildfruchtigen muffigen Duft eingelullt. Man hört draußen die Engeln singen... Oh Tannenbaum, Oh Tannenbaum...
Oh... nun steigt mir ein erdig holziger Geruch in die Nase, balsamisch und warm. Wenn das mal nicht der Tannenbaum ist, oder das Sandelholz.
Und die Orangenschalen Baumeln und Baumeln. Sie hällt sich ungeahnt lange und erzählt entspannt und fröhlich die Weihnachtsgeschichte weiter.
Das Ende vom Lied der Engel ist kein ungewöhnlicher. Es klingt leise hernieder und die Engel empor. Die Orange verflüchtigt sich und was sie zurücklässt ist und bleibt nicht weniger als ihr Nachhall, getragen vom Großmut einer erdig mümmelnden Patchoulinote und viel, viel trockenem aber warmen Holz.
Dem Duft nahelegen muss ich eine seltsame Erfahrung. Die Noten verlieren sich zur Basis hin. Ist im Kopf die großräumige Vielfalt des Duftes offenbar verduften die Noten nur noch. Ich gewinne nicht den Eindruck das danach noch etwas hinzukommt was vorher nicht zu bemerken war.
Noir Epices versteht es allerdings einen darüber hinwegzuhelfen. Die Orange verspricht mitsamt der Rose zu Anfang noch einen jauchzend frohlockenden Charakter, wie Bach es sagen würde. Solches überhitztes Gemüt wird eine Weile geduldet aber im Späteren mit milderen Gewürzen gebändigt und erhält eine gut gelaunte aber sittlich sinnliche Ausstrahlung. Zum Ende hin wird Noir Epices zum kleinen Ausreißer, denn exotisch modriges Patchouli und ernste dunkle Hölzer verbergen sich schließlich hinter der einst so fröhlichen Orange. Umso sensinler wird zum Ende hin der sanft milchige Ausklang, Engelsgleich schön.
4 Antworten
Imel vor 13 Jahren 11 5
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Sag mir wo die Blumen sind
Vor mir sitzt dieser alte Mann. Jetzt sieht er schäbig aus, früher mochte er guten Wein, schöne Frauen und all den anderen Quatsch den eigentlich niemand braucht. Jetzt hat ihn all das vergessen.
Andere würden sagen er lümmelt. Ich aber sage, dieser Mann steht solz zu dem Rest was ihm geblieben ist und zeigt in seinem Dasein Verachtung für all den Unnutz dieser lieblich süßen Welt. Er sagt nicht nur, nein danke, er wirft dir auch alles wieder zurück an den Kopf. Er hat sich einen Sessel mitgebracht. Darauf sitzt er und starrt in die Gegend. Keiner würde diesen zerknautschten Sesselrest für einen Tron halten. Ich meine, dieser Mann trauert um die Einfälltigkeit seiner Mitmenschen. Aber er kann dabei lächeln.
Ich kann ihm jetzt zusehen wie er zusehends älter wird, von einer Stunde zur nächsten. Nach der nächsten Dusche wird er leider tot sein, aber ich werde mich an ihn errinnern. Und wenn mir wieder einmal nach einem Mann ist der nach Sellerie riecht möchte ich das du bei mir bist Yatagan. Ich frage mich wieso man dich so nennt. Vielleicht weiß es die Maus.
5 Antworten
Imel vor 13 Jahren 5 2
10
Haltbarkeit
8
Duft
Heimleichkeit - ein Wortspiel
Alter Schwede, hier hast du dir dein ganzes Holzhaus zimmern lassen. Mitsamt wärmendem Kamin, lässig bequemen Sofa und massiven Bett. Massiv muss es sein denn anosonsten passt es nicht zur stämmigen breitschultriegen Figur und der Wucht die du in der Nacht, äh an den Tag legst. Trotz der harmonisch, gut sortierten Einrichtung fehlt es nicht an häuslicher Gemütlichkeit. Es ist auch mal kein Ikeafabrikat dabei. Alles nur vom Feinsten hast du dir da ausgesucht.
Eine feucht fröhliche Saune wartet beständig auf dich bedarfst du an manche Tagen einsamer Losgelöstheit.
Wunderst du dich manchmal, wie ruhig und entspannt du wirst, voll Inspiration, gutmütiger Lebenslust und dem Hauch sinnlicher Erotik? Warum dir die Welt abseits erscheint du nur den Gesang deiner Gedanken vernimmst?
Es ist der Geruch von Wonderwood.
2 Antworten
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