10.12.2010 - 10:53 Uhr
Profumo
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Profumo
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44
Vom Tiger zum Schmusekater
Seit nunmehr 12 Jahren arbeitet sich Jean-Paul Guerlain an dem Versuch ab einen klassisch proportionierten Chypre-Duft für den Herren zu kreieren, der im Bezugsgeflecht des Guerlain´schen Kosmos seinen Platz zu finden und behaupten vermag. Sozusagen ein ‚Mitsouko pour Homme’. Seinen Bemühungen war bisher unterschiedlicher Erfolg beschieden, aber mit Arsène Lupin Dandy scheint ihm endlich dieses Kunststücke gelungen zu sein.
Zunächst kam 1998 Coriolan auf den Markt – ein feiner und leichter Chypre-Duft mit einer etwas säuerlichen Immortellen-Note im Fond. Der Duft lag meilenweit neben damals gängigen Modetrends, wurde aber vermutlich auch aus einem anderen Grund ein Misserfolg – er kommt nämlich etwas statisch und altväterlich daher. Schon ein Jahr später nahm er mit Chamade pour Homme einen erneuten Anlauf - ein Duft, der stark an Coriolan angelehnt ist (manche haben Mühe zwischen ihnen zu unterscheiden), der aber mit einer Hyazinthen-Note im Herzen einen Bezugspunkt zu einem 60er Jahre Klassiker des Hauses Guerlain knüpft, zu Chamade. Im Vergleich zu Coriolan hatte der neue Duft etwas mehr Fleisch auf den Knochen: eine größere Dosis Guerlinade-typische Kräuter im Herzen, einen stärker ausgeprägten harzig-bitteren Chypre-Fond, nebst einer delikaten und dezenten Ledernote. Alles in allem eine Steigerung zum eher halbherzigen Coriolan, aber Chamade pour Homme ist doch auch sehr ‚sophisticated’, wenn nicht gar übermäßig kompliziert.
Dass mit diesem Duft auf dem Markt schwerlich zu reüssieren sei, war den neuen Herren im Hause Guerlain – der Patriarch hatte an Moët Hennessy Louis Vuiton (LVMH) verkauft – nach dem Fiasko mit Coriolan wohl bald klar, und so lancierte man Chamade pour Homme nur als kleine limitierte Edition, und bald war es völlig verschwunden – ebenso wie sein enger Verwandter Coriolan..
Vor ein paar Jahren wurden die beiden Düfte dann in die neu geschaffene Reihe ‚Les Parisiennes’ aufgenommen und fristen seither ein leider etwas abseitiges Dasein. So wurde den Werken des alternden Jean-Paul Guerlain aber wenigstens der Respekt erwiesen der ihnen sicherlich gebührte, wenn sie auch zur Erfolgsgeschichte des Hauses Guerlain im Grunde nichts beitrugen.
Der alte Herr hätte es dabei bewenden lassen können, doch er wollte offenbar mehr. Mit Arsène Lupin Dandy nahm er den Faden, den er mit Coriolan zu spannen begann und mit Chamade pour Homme weiterführte, noch einmal auf, und so wie in Chamade pour Homme viel Coriolan steckte, ist in Arsène Lupin Dandy viel Chamade pour Homme zu finden: das ausladende Guerlinade-Bouquet, eine feine Ledernote, nur diesmal etwas deutlicher prononciert und ein dunkler Chypre-Ton, der allerdings eine etwas andere, neuartige Nuance enthüllt: die für ein Parfum dieses Genres typische Bitterkeit wird ganz ähnlich wie im Falle Mitsoukos mit einer fruchtigen Note kombiniert die dem Duft ein mehr an Delikatesse und Sinnlichkeit verleiht. Nur dieses Mal ist es nicht der Pfirsich, bzw. dessen ledrige Schalen (Aldehyde C-14), es sind die Schalen der herb-frische Bitterorange, auch Bigarde-Orange genannt. Sie steuern aber nicht nur einen fruchtigen Aspekt bei, sondern übernehmen obendrein einen entscheidenden Part des in diesem Duft absenten Eichenmooses – sie verleihen dem Duft einen bitteren Akzent – allerdings nur zu Beginn. Denn im Gegensatz zu Mitsouko verändert Arsène Lupin Dandy seinen Charakter im weiteren Duftverlauf fast völlig. Zunächst tritt uns das besagte dunkel-fruchtige Chypre entgegen - Mitsouko winkt von Ferne, vor allem aber Sous le Vent, dessen mineralische Trockenheit allmählich hinter der Bigarade-Orange hervor scheint, und selbst Vol de Nuit steuert noch ein ganz wenig zu diesem Chypre-Reigen bei und leiht dem Duft etwas von seinem dunstig-grünem Galbanum. Diese grüne Facette leitet über zu den zentralen Herznoten des Duftes: grasig-grünes, dabei blumiges Veilchenblatt und eine feine, nur ganz leicht animalische Ledernote, die aus Derby entlehnt scheint. Aus dem fruchtigen Chypre-Beginn entwickelt sich zunehmend ein Leder-Chypre mit grün-floralem Akzent.
In der Geschichte des Parfums ist die Kombination Veilchen und Leder keineswegs unbekannt – man denke nur an Germaine Celliers berühmtes Jolie Madame für Balmain, oder an Diors Fahrenheit. Der blumige, trocken-grüne Veilchenakkord harmoniert sehr schön mit den zum Harschen und Rauen neigenden Ledernoten. Hier könnte man tatsächlich Arsène Lupin, den französischen Meisterdieb, in dandyhaftem Auftritt vor Augen haben, denn nun flirtet der Duft ganz ungeniert mit den großen ledrigen Duftkreationen der 20er und 30er Jahre. Der Auftritt einer Diva aber liegt ihm fern, und so kommt er eher auf samtenen Pfoten angeschlichen – ein Meisterdieb eben.
Leider ist der Duft in dieser Phase arg zurückgenommen, nachdem er zu Beginn den Raum recht vehement mit einem dunklen Chypre-Aroma erfüllt hat. Das anfänglich volle Duftvolumen wird abrupt gedrosselt und der Duft zieht sich auf die Haut des Trägers zurück, um dort allerdings ziemlich lange zu verweilen.
Stunden später enthüllt er schließlich eine cremige, leicht rauchige Patchouli-Sandelholz Basis, die entfernt an den Ausklang von Héritage erinnert. Der Duft hat nunmehr beinahe sämtliche Chypre-Nuancen verloren und ist unversehens ein gutes Stück auf das Gelände der benachbarten Orientalen gelangt. Diesen an polierte hölzerne Antiquitäten erinnernden Epilog vermag man allerdings nur noch mit Mühe zu entdecken.
So trumpft der Duft zunächst mit großer Verve auf und vertändelt dann ins Blasse, Verhauchende: als Tiger gestartet, als Schmusekater geendet - schade eigentlich!
Kräftigere Herz- und Basisnoten, bei einem weniger kraftmeierndem Auftakt wären mir lieber gewesen.
Alles in allem ist Arsène Lupin Dandy aber ein schönes und großes Werk – ein Werk der Rückschau, das voller Bezüge auf vergangene Großtaten steckt. Es zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit was Guerlain jahrzehntelang ausgemacht hat und wozu das Haus in der Lage war. Ebenso deutlich aber, was es heute leider nicht mehr zu leisten vermag (zieht man die zuletzt lancierten Kreationen als Vergleich heran).
PS: Vielen Dank an Apicius für die Probe - sie hat mich endgültig darin bestärkt mir den Duft trotz seines exorbitanten Preises zuzulegen!
Zunächst kam 1998 Coriolan auf den Markt – ein feiner und leichter Chypre-Duft mit einer etwas säuerlichen Immortellen-Note im Fond. Der Duft lag meilenweit neben damals gängigen Modetrends, wurde aber vermutlich auch aus einem anderen Grund ein Misserfolg – er kommt nämlich etwas statisch und altväterlich daher. Schon ein Jahr später nahm er mit Chamade pour Homme einen erneuten Anlauf - ein Duft, der stark an Coriolan angelehnt ist (manche haben Mühe zwischen ihnen zu unterscheiden), der aber mit einer Hyazinthen-Note im Herzen einen Bezugspunkt zu einem 60er Jahre Klassiker des Hauses Guerlain knüpft, zu Chamade. Im Vergleich zu Coriolan hatte der neue Duft etwas mehr Fleisch auf den Knochen: eine größere Dosis Guerlinade-typische Kräuter im Herzen, einen stärker ausgeprägten harzig-bitteren Chypre-Fond, nebst einer delikaten und dezenten Ledernote. Alles in allem eine Steigerung zum eher halbherzigen Coriolan, aber Chamade pour Homme ist doch auch sehr ‚sophisticated’, wenn nicht gar übermäßig kompliziert.
Dass mit diesem Duft auf dem Markt schwerlich zu reüssieren sei, war den neuen Herren im Hause Guerlain – der Patriarch hatte an Moët Hennessy Louis Vuiton (LVMH) verkauft – nach dem Fiasko mit Coriolan wohl bald klar, und so lancierte man Chamade pour Homme nur als kleine limitierte Edition, und bald war es völlig verschwunden – ebenso wie sein enger Verwandter Coriolan..
Vor ein paar Jahren wurden die beiden Düfte dann in die neu geschaffene Reihe ‚Les Parisiennes’ aufgenommen und fristen seither ein leider etwas abseitiges Dasein. So wurde den Werken des alternden Jean-Paul Guerlain aber wenigstens der Respekt erwiesen der ihnen sicherlich gebührte, wenn sie auch zur Erfolgsgeschichte des Hauses Guerlain im Grunde nichts beitrugen.
Der alte Herr hätte es dabei bewenden lassen können, doch er wollte offenbar mehr. Mit Arsène Lupin Dandy nahm er den Faden, den er mit Coriolan zu spannen begann und mit Chamade pour Homme weiterführte, noch einmal auf, und so wie in Chamade pour Homme viel Coriolan steckte, ist in Arsène Lupin Dandy viel Chamade pour Homme zu finden: das ausladende Guerlinade-Bouquet, eine feine Ledernote, nur diesmal etwas deutlicher prononciert und ein dunkler Chypre-Ton, der allerdings eine etwas andere, neuartige Nuance enthüllt: die für ein Parfum dieses Genres typische Bitterkeit wird ganz ähnlich wie im Falle Mitsoukos mit einer fruchtigen Note kombiniert die dem Duft ein mehr an Delikatesse und Sinnlichkeit verleiht. Nur dieses Mal ist es nicht der Pfirsich, bzw. dessen ledrige Schalen (Aldehyde C-14), es sind die Schalen der herb-frische Bitterorange, auch Bigarde-Orange genannt. Sie steuern aber nicht nur einen fruchtigen Aspekt bei, sondern übernehmen obendrein einen entscheidenden Part des in diesem Duft absenten Eichenmooses – sie verleihen dem Duft einen bitteren Akzent – allerdings nur zu Beginn. Denn im Gegensatz zu Mitsouko verändert Arsène Lupin Dandy seinen Charakter im weiteren Duftverlauf fast völlig. Zunächst tritt uns das besagte dunkel-fruchtige Chypre entgegen - Mitsouko winkt von Ferne, vor allem aber Sous le Vent, dessen mineralische Trockenheit allmählich hinter der Bigarade-Orange hervor scheint, und selbst Vol de Nuit steuert noch ein ganz wenig zu diesem Chypre-Reigen bei und leiht dem Duft etwas von seinem dunstig-grünem Galbanum. Diese grüne Facette leitet über zu den zentralen Herznoten des Duftes: grasig-grünes, dabei blumiges Veilchenblatt und eine feine, nur ganz leicht animalische Ledernote, die aus Derby entlehnt scheint. Aus dem fruchtigen Chypre-Beginn entwickelt sich zunehmend ein Leder-Chypre mit grün-floralem Akzent.
In der Geschichte des Parfums ist die Kombination Veilchen und Leder keineswegs unbekannt – man denke nur an Germaine Celliers berühmtes Jolie Madame für Balmain, oder an Diors Fahrenheit. Der blumige, trocken-grüne Veilchenakkord harmoniert sehr schön mit den zum Harschen und Rauen neigenden Ledernoten. Hier könnte man tatsächlich Arsène Lupin, den französischen Meisterdieb, in dandyhaftem Auftritt vor Augen haben, denn nun flirtet der Duft ganz ungeniert mit den großen ledrigen Duftkreationen der 20er und 30er Jahre. Der Auftritt einer Diva aber liegt ihm fern, und so kommt er eher auf samtenen Pfoten angeschlichen – ein Meisterdieb eben.
Leider ist der Duft in dieser Phase arg zurückgenommen, nachdem er zu Beginn den Raum recht vehement mit einem dunklen Chypre-Aroma erfüllt hat. Das anfänglich volle Duftvolumen wird abrupt gedrosselt und der Duft zieht sich auf die Haut des Trägers zurück, um dort allerdings ziemlich lange zu verweilen.
Stunden später enthüllt er schließlich eine cremige, leicht rauchige Patchouli-Sandelholz Basis, die entfernt an den Ausklang von Héritage erinnert. Der Duft hat nunmehr beinahe sämtliche Chypre-Nuancen verloren und ist unversehens ein gutes Stück auf das Gelände der benachbarten Orientalen gelangt. Diesen an polierte hölzerne Antiquitäten erinnernden Epilog vermag man allerdings nur noch mit Mühe zu entdecken.
So trumpft der Duft zunächst mit großer Verve auf und vertändelt dann ins Blasse, Verhauchende: als Tiger gestartet, als Schmusekater geendet - schade eigentlich!
Kräftigere Herz- und Basisnoten, bei einem weniger kraftmeierndem Auftakt wären mir lieber gewesen.
Alles in allem ist Arsène Lupin Dandy aber ein schönes und großes Werk – ein Werk der Rückschau, das voller Bezüge auf vergangene Großtaten steckt. Es zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit was Guerlain jahrzehntelang ausgemacht hat und wozu das Haus in der Lage war. Ebenso deutlich aber, was es heute leider nicht mehr zu leisten vermag (zieht man die zuletzt lancierten Kreationen als Vergleich heran).
PS: Vielen Dank an Apicius für die Probe - sie hat mich endgültig darin bestärkt mir den Duft trotz seines exorbitanten Preises zuzulegen!
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