Josch

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11 - 15 von 31
Josch vor 9 Jahren 11 4
5
Flakon
5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
3
Duft
Reste-Essen
Im Gegensatz zu einem eigenständigen Gericht hat Reste-Essen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass man sich nichts Eigenes ausdenken muss. Man nimmt einfach, was eh schon da ist und sich bereits mehrfach bewährt hat. Salami und Schinken, dazu den Rest Gemüse, alles auf einen Pizzateig / wahlweise einen Berg Nudeln – Hauptsache es ist ordentlich Käse drauf. Und dann ab in den Ofen.

Meine Theorie: Mit "L'Homme Idéal" war ebenfalls nie etwas neues, eigenständiges geplant. Es sollte von Anfang an nur eine Mischung altbekannter Duftakkorde werden, die sich bei der Konkurrenz bereits als äusserst lukrativ bewährt haben. Um mit möglichst großer Schnittmenge die bereits geöffneten Türen der Kundschaft einzurennen und der Konkurrenz Käufer abzuwerben. Ein Mega-Flanker, der sich mit Tonkavanillekakao-Süße mächtig bei Dior-Homme anlehnt (schließlich schon viel zu lange der Kassenrenner anderer) und von Dsquared²-Potion die zimtig-süßen Kunstholz-Noten übernommen hat. Der sich mit gebrannten Vanille-Mandeln des Herrn Hermès schmückt (L'Ambre des Merveilles) und den Rest mit einem Mix verschiedener Rasierwässer auffüllt, damit die Flasche voll wird. Das sollte keine Neu-Kreation werden, das war Reste-Essen nach Plan: Mit möglichst geringem Aufwand – und den Zutaten anderer. Für die schnelle Mark, bevor der Je-süßer-je-besser-Trend vielleicht vorbei ist.

Zeitgeist hin, Geschmack her – was mich wirklich irritiert: Nicht einmal rein handwerklich zeigt sich in diesem Best-Seller-Gemisch der Anspruch, den man von einem Traditionshaus hätte erwarten dürfen. Als wäre die übersüße Beliebigkeit des Dufts nicht schon genug, knickt er (zumindest bei mir) trotz kräftigem Auftakt nach sage und schreibe 2-3 Stunden so ein, dass ich schon nach etwa vier Stunden kaum mehr etwas von dem idealen Mann rieche. Auch das muss man erstmal hinbekommen.

Ob man den Duft mag oder nicht (und ja – warum soll man ihn nicht mögen, wenn einem die Machart gefällt): In Hinblick darauf, wofür Guerlain bislang stand, mag LHI nur ein Einzelfall sein, der sich in Gefilden verirrt hat, die bislang eher von anderen bedient wurden. Schwamm-drüber.

Wenn man aber "L'Homme Idéal" im Zusammenhang mit z.B. "Guerlain Homme" und "Homme L'Eau Boisée" sieht, war diese Entwicklung und sein Erscheinen – zumindest rückblickend – fast absehbar. Ein hausinterner Strukturwandel, der schon vor Jahren begonnen hat und dessen Auswirkungen immer deutlicher zu erkennen sind. Ob begründet in tatsächlichen Umsatzschwierigkeiten oder dem Umstand, dass sich der Vorstand chronisch unterbezahlt sieht: Wenn sich ein Unternehmen zur Gewinnoptimierung "neu am Markt positionieren" will, sollen nicht nur neue lukrative Marktsegmente erschlossen, sondern im Gegenzug auch alte, weniger lukrative abgebaut werden.

Dass man mit fast 200-jähriger Firmengeschichte über die weltbesten Bezugsquellen erlesenster Rohstoffe verfügt, einen unermesslichen Fundus an Wissen und Erfahrung besitzt und bislang einen Ruf genossen hat, der sich durch höchste Qualität, Eleganz und vornehme Zurückhaltung ausgezeichnet hat, interessiert da nur wenig – wie bei "L'Homme Idéal" nicht nur an der untypisch platten Namensgebung zu erkennen ist.

Falls "L'Homme Idéal" als finanzielles Zugpferd das weitere Aussterben (wirklich unnachahmlicher) alter und moderner Guerlain-Klassiker aufhalten kann, soll er und alle weiteren, die da ganz sicher noch folgen werden, gerne parallel und erfolgreich weiterverkauft werden – alles gut! Aber ich fürchte, das war erst der Anfang. In beide Richtungen.
4 Antworten
Josch vor 9 Jahren 18 6
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Die Zeitreise
Der "Alte Friedhof" in Freiburg – 1683 errichtet, 1872 stillgelegt. Die schiefen Grabsteine aus verwittertem, von Wind und Wetter glatt geschliffenem rotem Sandstein. Verziert mit den damals üblichen Insignien wie Totenkopf und gekreuzten Knochen, großteils mit kaum mehr zu entziffernden Inschriften. Mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist das Grab einer gewissen => Caroline Christine Walter, die Mitte des 19. Jahrhunderts mit 17 Jahren gestorben ist. Geehrt mit einer nahezu lebensgroßen Sandstein-Skulptur in Form einer schlafenden jungen Frau, die, mit einer dünnen Decke bedeckt, auf ihrem Bett liegt. Der Kopf ist zur Seite geneigt, die Augen geschlossen. Sie lächelt, ein aufgeschlagenes Buch in der Hand. Als wäre sie nur beim Lesen eingeschlafen, als würde sie etwas Schönes träumen. Damals wie heute findet sich immer ein frischer Strauß Blumen an ihrem Grab. Seit über 150 Jahren.

Da wir unweit vom "Alten Friedhof" gewohnt haben, war dieser Ende der 60er Jahre der erste „Spielplatz“, auf den ich im Vorschulalter auch mal alleine gehen durfte, um Fahrradfahren ohne Stützräder zu üben – bekanntermaßen sind Friedhöfe ja eher verkehrsberuhigte Zonen. Klar.

Mir war seine Atmosphäre nie unheimlich, er hatte für mich eher die Anmutung eines großen und etwas skurrilen Parks: Mit abenteuerlichen Figuren, sonnigen Wiesenflächen und zahlreichen alten Eichen- und Platanenriesen, so hoch und weit, dass sie mit ihrem Blätterdach das weiße Sommerlicht nicht ausgesperrt, sondern nur sanft auf Hellgrün heruntergedimmt haben.

Die Verbindung zu "Encens Flamboyant" bildet die zum Alten Friedhof gehörige, tagsüber stets verschlossene kleine Kapelle, die nur zu besonderen Anlässen, bei abendlichen Gottesdiensten, genutzt wurde. Zu Zeiten also, an denen ich (als Atheistenkind sowieso) nicht an solchen Orten unterwegs war.

Und so stand ich tagsüber des Öfteren in der frei zugänglichen Vorhalle, unter den Fresken des Totentanzes, um meine Nase durch die glaslosen, aber mit massiven Eisengittern geschützten Fenster zu drücken. Zu sehen gab es nicht viel: Es war darin so dunkel, dass man lediglich einige wenige Holzbänke und dahinter einen spartanischen Altar erahnen konnte. Aber dafür gab es etwas zu riechen. Egal wie warm oder kühl es draussen war: Aus dem Inneren der Kapelle wehte einem stets ein noch kühlerer Luftzug entgegen, der den Duft von Feuchtigkeit, Staub, Kerzenwachs und kaltem Weihrauch mit sich trug – geheimnisvoll, ungewohnt, etwas unheimlich, trotzdem anheimelnd und gut.

Wenn ich "Encens Flamboyant" rieche, ist es ein Leichtes, sich diese Bilder wieder vor Augen zu führen. Neben dem Hauptthema „Weihrauch“ ist die einzige Komponente, die sich zusätzlich in den Vordergrund traut, das harzig-herbe Nadelgeäst: Wahrnehmbar, aber dem Weihrauch in jeder Phase untergeordnet. Kaum "wörtlich" zu erriechen, aber wenn es fehlen würde, wäre der Duft sicher deutlich kälter und schroffer: Das würzige Grundgerüst aus Pfeffer, Kardamon und Muskataromen. Es stellt der sakralen, trockenen Rauchigkeit von "Encens Flamboyant" eine wohltuend weltliche Wärme an die Seite.

Wer Weihrauch mag, sollte diesen nahezu monothematischen, ungruftig-hellen und freundlichen Weihrauchduft unbedingt testen. Wie so manch anderer Goutal-Duft kann er zaubern.
6 Antworten
Josch vor 9 Jahren 10 5
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Sensibler Charakterkopf
Ja - der ist einfach etwas Besonderes. Weil er gefällt oder nicht. Er hat Charakter und Rückgrat – und dem entsprechend scheiden sich an ihm oft die Geister. Yatagan ist kein Nasenschmeichler mit anbiederndem Profil und kein Everybody's Darling aus lauwarmen Halbheiten zugunsten massenkompatibler Allgefälligkeit.

Ein Ausdruck, der sich mir bei "Yatagan" immer wieder aufdrängt, ist das Wort "straff". Ob bei der sehr fordernden Kopfnote, während der ungewohnt herbe Estragon- und bitter-kampferartige Galbanumnoten dominieren – ob in der ungleich wärmeren Phase der Herznote, in der Yatagan schon deutlich sanfter einen angenehmen nadelbaumigen Touch bekommt – oder der sehr weichen Basis aus ambratischem-waldhonigweichem Labdanum: Er bleibt in allen Stadien "straff", d.h. bestimmt, geradlinig, geht seinen eigenen und dadurch auch polarisierenden Weg.

Kein Zweifel, dass er eher männlich ausgelegt ist, aber das ur-männliche, markige Ungetüm, als das er zum Teil beschrieben wird, sehe ich eigentlich zu keinem Zeitpunkt in ihm. Vielleicht wurzeln da manche der hinein interpretierten Attribute nicht nur im Parfum selbst. Für mich ist er einfach nur "straight" – ein nicht flachgelutschter Vertreter aus vergangenen Zeiten, als noch der Parfumeur bestimmt hat, was wie warum gemacht wird - und nicht die Marketingabteilung.

Fast widersinnig bei so viel Eigensubstanz und Charakter: Bei aller "Kante", die Yatagan hat, finde ich, dass er sich ausgesprochen gut zum Layern im Sinne von "Aufherben" artverwandter Düfte eignet.

So eigenständig er ist: Er hat die große Fähigkeit, sich bei entsprechend ausgewählten Parfums nicht nur gewinnbringend anzuschmiegen, sondern bei überlegter Dosierung auch problemlos und unerwartet sensibel unterzuordnen. Zum Beispiel bei dem wundervollen, deutlich weicheren und weiblicheren Vol de Nuit (Extrait), das man sich damit nach Tageslaune etwas anrauen kann. Oder bei vielen wesensverwandten, aber zu lieb geratenen Düften, für die vielleicht ursprünglich mal eine ähnlich kantige Richtung vorgesehen war - die aber aus umsatztechnischen Gründen auf halbem Weg stehen bleiben mussten, so dass von ihrer geplanten dunkel-herben Auslegung nur noch ein verheissungsschwangerer Name zeugt (z.B. "Chambre Noire" von Olfactive Studio, das dem Namen nach wohl ursprünglich als düster-schwarzer Duft geplant war, aber letztendlich nur hellgrau geworden ist). Einfach probieren: Da geht mehr, als man für möglich halten würde.

Ob man sich mit ihm anfreundet oder nicht: Schön, dass es solche Klassiker wie Yatagan, Knize Ten usw. noch gibt – ohne sie wäre die Parfumvielfalt um einige Facetten ärmer, da ähnlich kompromisslose Charakterköpfe bei den zeitgenössischen Nachfolgern sehr rar sind.
5 Antworten
Josch vor 9 Jahren 10 3
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft
Das Harz-Oud
Im Vergleich zu seinen Geschwistern Oud Velvet Mood und Oud Silk Mood ist Oud Cashmere Mood für mich der kühlste und erdigste Duft in der MFK-Oud-Trilogie. Der Oud-Anteil scheint mir hier nochmals etwas höher zu sein, zudem wird das balsamische Holz durch eine große Portion Labdanum und Benzoe verstärkt, die einen sehr harzigen Eindruck, wie frisch geschnittenes Sandelholz, vermitteln: saftig, würzig, leicht bitter. Gut!

Oud Cashmere Mood hat durch den hohen Harzanteil eine sehr kühle und frische Ausstrahlung. Im Vergleich zu seinen beiden Geschwistern gibt es hier keine besänftigende Wirkung von Zimt oder Rosen. Hier tropft viel öliges, ambra-artiges Harz den Stamm herunter, so frisch und saftig, dass es fast die Anmutung einer Spur Eukalyptus hat. Auch wenn es sich vielleicht nicht so anhört: Es ist sehr gut tragbar - keine Spur von den übertriebenen Ausdünstungen anderer Oud-Düfte, die einem die Tränen in die Augen treiben.

Bei aller Dunkelheit und Kraft bleibt er weich und anschmiegsam - fast schon zu weich und anschmiegsam: Im Gegensatz zu seinen Geschwistern OVM und OSM vernehme ich hier nämlich einen deutlichen Schwapp weichspülend-einschmeichelndes „Cashmeran“, ein industriell billig herzustellender Holz-Ersatzstoff mit geschmacksverstärkenden holzig-würzigen Duftnoten - ähnlich wie schon beim „Colonia Oud“ von Acqua di Parma beschrieben. Vielleicht bezieht sich ja der Namensbestandteil "Cashmere" in Wirklichkeit darauf - und gar nicht (wie wohl zu erhoffen gewesen wäre) auf den weich-kuscheligen Eindruck von Kaschmir-Wolle.

Angesichts des Preises von Oud Cashmere Mood für mich eine echte Frechheit, die mir den Spass an diesem Duft versauen würde, wenn ich ihn denn haben wollte. Aber so macht mir Oud Cashmere Mood - den ich im allerersten Moment nicht nur für den dunkelsten und stärksten, sondern auch für den besten in der Reihe empfunden habe - keine schlaflosen Nächte.

Kühler und puristischer als das eh schon kühle Zimt-Oud „Velvet Mood“ und das etwas morbide Rosen-Oud „Silk Mood“ liegt die Haltbarkeit auch hier bei guten 10 Stunden. Hochwertig: Ja, ohne Zweifel. Aber für mich bleibt da ein schlechter Beigeschmack. Schade drum - da war mehr drin.
3 Antworten
Josch vor 9 Jahren 3
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Das Zimt-Oud
Auf Oud bezogen innerhalb der Trilogie Oud Silk Mood, Oud Velvet Mood und Oud Cashmere Mood das Mittelgewicht dieser drei Düfte. Trotzdem verdient er seinen Namen, denn trotz samtiger Anmutung (Velvet = Samt) empfinde ich ihn durchaus als straff, herb und erdig. Die Assoziation zu schwerem, tief dunkelrotem Samt würde also sehr gut passen.

Bei aller kühlen Oud-Herbheit empfinde ich Oud Velvet Mood als balsamisch, hier braucht sich niemand vor fäkalen Noten oder anderen Unsäglichkeiten fürchten. In der Mitte seines straffen Oud-Gerüsts besitzt es ein vergleichsweise warmes Zentrum, das durch unsüße Zimt- und Safrananteile hervor gerufen wird, die eine leicht orientalische, trockene Wärme vermitteln. Das Kopaiva-Balsam, ein aus Südamerika stammendes und ursprünglich für medizinische Zwecke verwendetes Harz der Flügelfruchtgewächse (Familie der Malvenartigen), sorgt neben dem Oud für eine frische und leicht bittere Würze, die „Oud Velvet Mood“ bei aller Dunkelheit (Anthrazit) sehr tragbar und angenehm macht.

Mit einer Haltbarkeit von gut 10 Stunden und seiner warm-trockenen Anmutung für alle zu empfehlen, die einen hochwertigen, aber gemäßigt starken frischen Oud suchen. Im Vergleich zu Oud Silk Mood und Oud Cashmere Mood die goldene Mitte: wärmer als der kühle „Cashmere Mood“, herber und trockener als der leicht süße Rosen-Oud „Silk Mood“.
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11 - 15 von 31