LadyViolet

Als allererstes nehme ich eine schön runde, nicht stechende Grapefruit wahr. Das Rosenbett ist zwar da, aber sehr dezent im Hintergrund, um nicht zu sagen homöopathisch kaum vorhanden. Die oben beschriebene Pyramide ist auch sehr zutreffend, da sich in weiterer Folge holzige Gewürze dazu gesellen (Vetiver eher ja, Nelke bin ich mir nicht so sicher), auf weiterhin cremiger Basis ("Wildleder").

Über dem Duft schwebt eine ausgeprägte Retro-60er Jahre-Vibe mit Anflügen von Opas Rasierwasser. Das macht Dawn Rose für mich definitiv unisex bis männlich. Also irgendwie konträr zu seinem Namen, der mich eine Rose de Mai mit Tau benetzt erwarten hat lassen.

Hier wird Nichts neu erfunden, sondern Klassisch-Bewährtes weiter dekliniert. Man könnte auch sagen Chypre für Mad Men Agentur-Neulinge, die sich noch ins Management hinauf arbeiten müssen.

Normalerweise habe ich keine großen Erwartungen was Duty Free Shops betrifft. Snobistische Einstellung könnte man auch sagen. Nachdem aber die aktuellen Guccis alle so hübsche Verpackungen haben und ich nicht nur snobistisch, sondern auch oberflächlich bin *gg*, habe ich mich ans Testen gemacht.
Das Ergebnis hat mich positiv überrascht. Diverse Blooms sind erfreulich geraten und Mémoire d'une Odeur war die ganz große Überraschung. Er ist so gar nicht süß-fruchtig-rosa-lieblich-haarsprayig, dass ich mich frage, wie der es geschafft hat, im Mainstream Regal zu landen bzw. davor nicht in diversen Marketing-Panels zum seelenlosen Allerweltswasser niedergetestet wurde.

Trocken, pudrig und kamillig ist der. Ungewohnt und nicht um Gefälligkeit um jeden Preis bemüht. Und tatsächlich ist die Kamille so eingebettet, dass Mémoire insgesamt nostalgisch wirkt.
Ich vermute, dass diejenigen, die den Duft nicht mögen, den Kamillentee mit Kinderkrankheiten assoziieren und dementsprechend die Erinnerung eher schlimm ist. Für mich geht es sich glücklicherweise aus, dass ich nicht an verrenkten Magen und sonstige Kamillenanwendungen denken muss, die in den 70er und 80er Jahren in der Hausapotheke zur Anwendungen kamen:)
Mich umhüllt Mémoire in angenehmster Weise für einen entspannten Abend am Sofa mit einem feinen englischen Krimi am Schirm und ich erfreue mich seiner gekonnt komponierten Unüblichkeit.

.... mit frappantester Ähnlichkeit zu Chanel Nummer 5 in Extrait-Konzentration. Allerdings zu einem Bruchteil des Preises. Also Ladies, die Ihr den blumigen Aldehyden verfallen seid, ran an die Bottle! Bei soviel Geld gespart geht sich als Draufgabe dann doch locker das kleine Schwarze in der Rue Cambon aus:)-

Im weiteren Verlauf wird Topaze etwas pudriger und trockener als das Original, vielleicht weil mehr kostengünstiger Moschus verarbeitet wurde? oder weil meine Nummer 5 Extraits alle Vintage sind und daher irgendwie runder als die neueren Ausgaben? Wer weiß....
Jedenfalls eine freudvolle Entdeckung für mich, da ich genau dieser restlosen Klassik wie von Parfumo Yatagan beschrieben, verfallen bin. Für modernere Menschen ist Topaze dann wohl der Oma-Horror bzw. die Horror-Oma. Mich macht er seelig!

Ein wunderbar leichtfüssiger 2-in-1 Duft: Bouquet de Paris kann sowohl als Blumenstrauß als auch als Tee-Duft luftig beschwingt das Haus verlassen. Mit dieser Sichtweise könnte frau fast den exorbitanten Preis, den sie dafür zu bezahlen hat, rechtfertigen. Aber auch nur fast. Die Preisgestaltung ist schön langsam in keiner Relation mehr.
Aber genug davon, das verdirbt nur die Laune. Bouquet de Paris ist nämlich ein wirklich gelungener, femininer, eleganter, lichtdurchfluteter Duft. Im Gegensatz zu vielen Blumendüften, die schnell blümerant, abgestanden und penetrant wirken, hält dieser Strauß sein luftiges Gleichgewicht. Vielleicht, weil die Tee-Note ihn bei Laune hält und ihn weiter schweben lässt?
Jedenfalls trage ich ihn gerne an kühleren Tagen, da er mich zum Lächeln bringt und er durch seine Leichtigkeit die Schwere des bisweilen grauen Alltags mindert.
An dieser Stelle daher auch ein Dankeschön an alle Parfumas, die immer wieder Sharings zu ihm organisieren und mir so einen beständigen Nachschub ermöglichen. Vielleicht sollte ich mir aber auch einfach ein Sparschweinchen namens Bouquet zulegen, das dann beim nächsten Paris-Trip standesgemäß bei Guerlain nach allen Regeln der Kunst geopfert wird:)
Ein würdigeres Paris Mitbringsel gibt es wohl kaum!

In meiner Sammlung hat sich Jicky den einsamen Platz an der Spitze für absolute Büro-Untauglichkeit erobert. Außer ich wechsle in die Buchhaltung eines Stundenhotels, da ist er optimal am Platz. In meiner Vintage-Version kommt der nämlich sowas von unanständig und nicht jungfernhaft daher, dass ich beim ersten Auftragen direkt geschockt war. Im Gegensatz zum einschlägig vorbelasteten Duft von ELDO, den ich lieblich salzig fand und nicht X-rated, verbreitet Jicky das Aroma von ausgiebig und vor allem leidenschaftlich benützten Leintüchern und Betten... Glücklicherweise keine Zigarette danach, aber alles davor ist da drin... Da nützt der unschuldige Lavendel auch nix mehr:)
Angeblich hatten die Guerlain Düfte früher den Ruf für die Cocotten, Mätressen und sonstige Demi-Mondänen zu sein während Caron für die feineren Damen der Gesellschaft bestimmt war. Beim meinem Jicky glaube ich das auch sofort!