Heute Nacht irgendwo im Norden

Als ich heute früh so unerklärlich froh aufwachte, erinnerte ich mich. Eben noch saßen wir gemeinsam in Deinem alten verblichenen roten Golf, von dem ich nicht weiss, ob Du jemals einen solchen besessen hast.

Irgendwas hattest Du verändert, denn das Fahrzeug konnte über ganze Baumstrünke fahren, ohne dass der Fahrzeugboden aufriss. Erinnerst Du Dich? Waren wir dort heute Nacht? Oder sind es nur meine Hirngespinste, aus denen ich mir meinen ganz privaten fliegenden Teppich webe, während Du irgendwo in Ostasien Reis isst?

Nein, wir fuhren querfeldein durch eine nordische Landschaft windgepeitschter flacher Bäume. Was davor war, erinnere ich kaum. Ein Hochtal. Eisbedeckte Berge und schwierige Kletterpassagen. Oder war ich da allein? Oder war das ein anderes Mal?

Auch unsere leise Unterhaltung kann ich nicht mehr hören, ich saß auf dem Beifahrersitz. Ich war nicht nur glücklich. Ich verspürte eine leichte Beklemmung, da ich mir unserer Freundschaft nicht mehr ganz sicher war. Nach all den Jahren und all den Briefen.

Das letzte Mal traf ich Dich in Deutschland, Du saßt unter eine Linde, aber Du hast geschwiegen und meine Hand fasste durch Dich hindurch. Viele Jahre davor besuchte ich Dich im Dschungel. Mein Bruder und ich fuhren damals auch querfeldein, mit seinem roten Traktor (auch verblichen), wir fanden Dich, herzlich lachend in der Tür einer Hütte. Mein Bruder ließ mich nicht aus den Augen, es gab Kämpfe zwischen Gut und Böse, Tote und Verletzte. Es ist lange her, was wirklich geschah, weiß ich nicht mehr. Ich hoffe nur, dass Du auch dort warst. Wir könnten morgen weiter fahren, irgendwo den Campingkocher anschmeissen und Bratkartoffeln essen.

Duft zum Traum: "Fou d'Absinthe"