Bratkartoffeln in Puerto Natales

Eigentlich sollte es ein schöner Abend werden. Ich war eingeladen. Meine Herberge ein paar Strassen weiter. Ich hatte mich so chic gemacht, wie es mit zwei Hosen eben ging. Meine Herbergsmutter hatte es wohl bemerkt und mir annerkennend und wissend zugenickt und zugezwinkert.

Es war ein kleines Hüttenhaus in Puerto Natales. Hinter der unbekannten Tür stand er so überraschend vertraut wie schon die letzten zwei Tage immer wieder unverhofft auf der Route bergab vom Gletscher. Wir saßen am Tisch einer kleinen ärmlich eingerichteten Gemeinschaftsküche. Der Geruch nach Holz, nach Rauch und vergangenen Zeiten wie es auch bei meiner Oma immer in der Küche roch. Es war schon dunkel draussen und ihn schien etwas zu bekümmern. Sein Kopf schweigsam in die Hände gestützt auf der jahrezehnte dunkelgenutzten Tischplatte. Das Haar hing ihm ins Gesicht und die Augen hatten aufgehört blau zu blitzen. Ich wollte seine Hand nehmen doch ich rührte mich nicht. "Anna, hast Du Hunger?" Er klang leise heute. Nah. Es klang als ob wir uns schon viel länger kannten als diese beiden Tage am Gletscher.

Im Flur stritten andere Reisende um die Route der folgenden Tage und er machte mir schweigend Bratkartoffeln auf dem alten Gasherd. Letzte Erinnerung an sein liebevoll bereitetes Abendessen. Schwarze schwere Pfanne. Vertrauter Duft der Kartoffeln und sein vertrauter Dialekt. Ich verabschiedete mich bald, ja floh (ewig bereut der Moment) und er brachte mich schweigsam zur Tür. Seinem Kuss wich ich aus.