Lollipop445

Shalimar war eine ganz besondere Erfahrung für mich. Als eines der Urgesteine der klassischen Parfumkunst hat mich dieser Guerlain damals dermaßen von den Socken gehauen, dass ich seitdem anders durch die Welt gehe. Ich hab den Glauben verloren und wiederentdeckt.

Aber auf Anfang.

Wer Parfumo-kundig ist, dem wird schnell die ewige Nummer eins unter den Damendüften aufgefallen sein: Shalimar, das Extrait. In den Hochgenuss dieses goldenen Elixiers durfte ich leider noch nicht kommen (30ml ca. 300€ -aua-), das „normale“ Shalimar lässt einen aber erahnen, was einen erwartet.

Da saß, und das war den Umständen geschuldet das Douglas die „Klassiker“ unten ins Regal stellt als würde sie niemand kaufen wollen, ich also vor dem Guerlain Regal und sah mir diesen wunderschönen, eleganten, orientalischen Flakon an. Macht Freude auf mehr.

zum Duft:

Aufgesprüht - bäh. Nein, zu diesem Zeitpunkt kam meine ungeübte Nase nicht mit der orientalischen Gewürz-balsam-Bombe zurecht. Ich war enttäuscht, schließlich hat das EdT auf Parfumo eine stattliche 8.6, eine Wertung, die mich nachdenklich zurückgelassen hat, ich hatte meinen Glauben verloren.

Die Erleuchtung kam auf dem Rückweg, man gibt dem Ganzen ja doch noch eine zweite Chance. Und dann, wie durch ein Wunder, befand ich mich im Orient Express. Ich rieche eine Gottesgleiche balsamische Vanille, die mich in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt - oder bin ich es, der nicht mehr loslassen kann? Wir haben es hier mit einem genderlosen Charmeur zutun, der alles in seinem Umfeld erregt. Erinnert ihr euch an die Endszene in das Parfüm? Wo Jean-Baptiste aufgefressen wird, weil er riecht wie ein Engel? Nun, mit Shalimar könnt ihr wie Gott riechen. Wenn er/sie/es so riechen sollte, geh ich gern durch die Himmelspforte!

na gut, ein Montale - Rose, Oud, Opulenz, schwitziger Schreihals, oder?
Montale kann auch anders!
Neben allerlei mehr oder weniger gelungenen Rose Oud Düften aus dem Hause hat Montale mit Arabians Tonka einen wirklich schönen Kuschler präsentiert, der ja auch ziemlich gehyped wurde.
Absolut zurecht!

zum Duft:
Subtile Montale Rose umringt von einer sanften Tonkabohnenmauer - Süß, üppig, exotische Argumente liefert der wilde Hengst, der einen einkreist und umwirbelt. Bildlich ein schwarzer Hengst in der kahlen Wüste, eine wunderschön unwirkliche Symphonie!

Heute mal ein Designer, weil warum nicht.
Mr. Gaultier hat es ja irgendwie mit Süßkram - Durchweg sind sie es alle. Ich bin ganz ehrlich, diesen Le Mâle hab ich mir damals nur aufgrund seines Aussehens geholt, hatte zwar mal kurz am Zerstäuber gerochen und dacht mir joa, könnte passen, aber der eigentliche Grund war der wunderbar maskulin geschnittene Flakon.

zum Duft:

Warmes Leder gepaart mit Vanille und Mandel, manchmal blitzt ein bisschen Kirsche auf, lassen diesen Gaultier ziemlich anziehend (oder ausziehend -hust-) wirken. Dank der ganzen Synthetik sind Projektion und Haltbarkeit im grünen Bereich, sie lässt den Le Mâle aber hintenraus auch ein wenig dumpf erscheinen.

Netter Flak, netter Duft, Fazit: Ganz Nett.

Molecule 01 dürfte den meisten ein Begriff sein, hat vor ein paar Jahren die Welle gemacht aufgrund seines einzigen Duftstoffes Iso E Super.

Ist er denn auch so super? Kommt drauf an. "Das kann man bei allem sagen 'Kommt drauf an', natürlich kommt's drauf an." Auf was denn nun?
Auf dich, genauer gesagt auf deine Haut. Viel mehr als bei anderen Düften ist der Hauttyp hier sehr entscheidend für den Ausgang des Duftes, und das ist ganz wunderbar!

Den Molecule hab ich bis jetzt an den Menschen an den ich ihn gerochen hab immer unterschiedlich wahrgenommen, alle haben jedoch die leicht hölzerne, warme Basis an sich. Die ist wirklich sehr angenehm und projiziert auch ganz ordentlich. Der Rest ist Glückssache! Wirklich schief gehen kann dabei allerdings nichts, bis jetzt ist mir der Molecule nie negativ an jemanden aufgefallen.

Wer ihn noch sinniger einsetzen möchte, sollte ihn mal mit den Düften die man zuhause hat layern. Einfach mal querbeet alles mit dem Molecule als Basis ausprobieren!

Im Endeffekt weiß der Molecule nicht so richtig was er sein will, und das ist auch gut so:

Jeder der ihn trägt macht ihn zu etwas besonders einzigartigen, und das ist mehr als lobenswert!

Ach Aventus, was ist nur aus dir geworden. Wie so viele hier wurd auch ich damals durch einen gewissen Ex-Boygroup Sänger im weißen Anzug inspiriert, mir das Aushängeschild von Creed zu kaufen. Blindbuys sind verrufen, können aber auch Glückskäufe werden, hab ich mir gedacht.

Erwartungen hab ich mir damals folgende formuliert:

Aventus, ich hoffe du bist so edel wie das was ich für dich bezahlt hab. Ich hoffe du riechst distinguiert, erwachsen und zuvorkommend, nicht einschüchternd aber präsent, bildlich wie ein Ritter in seiner glänzenden Silbernen Rüstung, Stolz und ehrwürdig.

Das war er - irgendwann mal - gewesen.

Aventus ist ein Lebendbeispiel, wie sich eine Duft-DNA wortwörtlich abnutzen kann. Es sind nicht die zahlreichen Reformulierungen, die dazu geführt haben, dass ich niemanden mehr guten Gewissens Aventus empfehlen kann. Es ist seine schiere Popularität.
Jeder mit Geld und dem Nischentunnelblick, den ich damals hatte, riecht danach.

Typische Situation:
Alsterhaus, drei Herren mit derselben Bauchtasche von Gucci treten ein, Tom Ford, ja ne, kennt man. Sie wollen was neues, außergewöhnliches. Creed, schonmal gehört von „Brüdern“, schaut man sich mal an. Die Dame am Creed Tresen verweist auf sofort auf Aventus, alle riechen gleichzeitig dran - „mhh der ist voll geil Digger, den nehm ich mit!“ kennt man. Drei mehr, oft wirds der Signature.

Und so gehts weiter bis dann alle infiziert sind.

Er hat das nicht verdient, und dann doch, ein Gegensatz der schwierig ist und ihn hierher gebracht hat.

Aventus, du tapferer Ritter. Es ist Zeit, loszulassen. Vielleicht sieht man dich in neuem Gewand, mit neuem Sein. Bis dahin.