Mamski

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Mamski vor 9 Jahren 13 5
10
Flakon
7.5
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10
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9
Duft
Durch Raum und Zeit ...
... katapultiert mich dieser Duft, schon lange bevor er in feinem Nebel aus der Flasche strömt. Die Reste, die noch an Sprühknopf und Deckel kleben und auch von weitem wahrnehmbar sind, lassen erste Ahnungen aufkommen: Dies wird eine ungewöhnliche Duftreise werden! Bitte anschnallen!

Ich schließe die Augen, sprühe. Im selben Augenblick werde ich in den Stuhl gedrückt, der Geruch beißt in der Nase und unweigerlich nehme ich etwas Teerartiges wahr, jedoch keinen Straßenteer, sondern es muss etwas ähnliches sein. Es riecht älter. Pech? Pechfackeln? Aber nicht nur das, dazu gesellt sich etwas, dass ich in Verbindung mit Paraffin bringe? Oder Kerosin? Ich hab keine Ahnung … es riecht synthetisch und nicht sonderlich naturverbunden, es vermittelt mir den Eindruck, ich sitze in einer Maschine. Einer Zeitmaschine? Denn so schnell dieser Eindruck gekommen ist, so viele Assoziationen er auch in einem kurzen Augenblick gebracht hat, der sich jedoch wesentlich länger anfühlte, so schnell ist der Spuk auch schon wieder vorbei.

Der Duft schreitet weiter voran und ich mit ihm weiter zurück in die Vergangenheit. Weihrauch tritt in den Vordergrund. Ein schmutziger, dunkler Weihrauch. Vielleicht hängen noch Drecksklumpen getrockneter Erde in den Harzen. Der Duft ist überwältigend, mächtig, dicht und scharf. Messerscharf? Nein, es ist kein Messer, es ist die lange, im Laufe der Zeit stumpf gewordene Klinge eines Schwertes. Eine einzelne kleine Rose ist am Ende der matt schimmernden Waffe eingraviert, weit weg vom Leder, welches um den Griff gewickelt wurde.

Plötzlich sehe ich ihn: Im Schein der vielen dicken, weißen Kerzen, die durch seine Bewegungen hektisch hin und her zucken, die im ganzen Gewölbekeller verteilt sind und diesem etwas Wärme verleihen, kämpft der Ritter im weißen Gewand mit rot besticktem Kreuz auf der Brust wild um sein Leben. Den metallenen Helm mit dem Nasenschutz hat er längst in eine Ecke gepfeffert. Verwegen wirbeln seine dunkelbraunen, halblangen Haare umher. Seine Gesicht ist braungebrannt. Die lederne Scheide des Schwertes baumelt umher, gehalten von einem Ledergürtel, die Hände stecken in Handschuhen aus Leder, die Füße in ausgetretenen Lederstiefeln. Ein Sack mit frisch geerntetem, unbehandeltem Cumin steht in einer Ecke des leicht patchouly-geschwängerten Raumes, durch einen Riss quellen die getrockneten Früchte auf den blanken Boden, Moos blitzt zwischen den einzelnen Steinen hervor. Er ist alleine, im Kampf mit dem Geist in seiner geschundenen Brust, sein Schwert gleitet schwer und bestimmt durch die orientalische Luft, seine Kraft wirkt ungebrochen, zäh.

„Gott will es!“ knurrt er leidenschaftlich, sich windend. Um so näher ich dem Duft komme, um so unbändiger wird er. Ziehe ich mich zurück und lasse in auf mich zukommen, beruhigt er sich nicht nur, sondern wirkt fast geschmeidig und wachsweich. „Wer will es?“ hauche ich ängstlich in den Raum hinein.

Der ungezügelte Geist einer anderen Zeit vermischt sich und teilt verborgenes Wissen mit, weiht in die Geheimnisse eines neuen Testamentes ein. Sein Augen weiten sich. Erst ungläubig, dann zweifelsfrei erkennend und letztendlich verständnisvoll und demütig. Die Läuterung, die Wandlung ist vollbracht, das Schwert in der Hand wandert in den Mund, in die Sprache.

Stundenlang lausche ich seinen Worten, die mit der verstreichenden Zeit zwar leiser, jedoch nicht weniger kraftvoll werden. Viel Zeit verbringen wir gemeinsam und lernen uns kennen. Dabei brennen die weißen Kerzen sacht und stimmungsvoll vor sich hin, immer wieder nehme ich mal mehr, mal weniger den wachsigen Geruch wahr, den sie verströmen. Irgendwann sinke ich in den Schlaf und am nächsten Morgen wache ich in meinem Bett auf. Noch immer hängt ein leichter Schleier des Duftes auf meiner Haut, weich, ambratisch angehaucht. Ich lächele.

Ich mag diesen Duft, was er mit mir macht und wo er mich hinführt SEHR und danke von ganzem Herzen den zwei (eigentlich drei) edlen Spendern, die mir diese Erfahrung ermöglicht haben. Und das für eine lange Zeit! Wieder lächele ich dankbar vor mich hin.

„Was ist?“ werde ich gefragt. „An was denkst du?“
„Ach, an… nichts! Es ist wirklich nichts!“ antworte ich.
5 Antworten
Mamski vor 9 Jahren 48 7
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7.5
Haltbarkeit
10
Duft
Die Königin ist tot! Lang lebe … nun wer?
Nach jahrelanger Trauer, unbändigen Bemühungen, unsäglichen Bettelbriefen an Issey Miyake, dauerhaft finanziell schmerzhaften ebay-Aktionen und anschließend einer ergebnislos ewiglangen Geisterjagd nach einem Duftzwilling habe ich Le Feu d‘Issey etwa vor einem Jahr unter vielen Tränen zu Grabe getragen! Zu Grabe tragen müssen!

Diese Symphonie aus Ingredienzien hat sich dermaßen in meiner Dufterinnerung eingenistet, dass sie niemals wieder verschwinden wird. Und das war ein Dilemma über etliche Jahre hinweg!

Le Feu d’Issey war meine erste Parfumerfahrung, meine erste große Liebe. Hatte ich mit Parfums nie viel am Hut und eher eine riesige Abneigung gegen den gesamten Duftschmus, der mich in meiner Umgebung umhüllte, blieb ich stur bei meinen winzigen Vanille-Ölparfum-Glasflakons, mit denen ich mich einmal im Jahr auf dem hiesigen Weihnachtsmarkt eindeckte. Manchmal durfte sich auch ein Fläschchen Sandel dazu gesellen. Was anderes ließ meine Nase an mir nicht zu.

Bei einem Arztbesuch blätterte ich im Wartezimmer gelangweilt durch eine Illustrierte und erwischte mich dabei, wie ich einen kleinen Artikel über den neuen Duftrelease von Issey Miyake las. Der Name war mir mitunter nicht unbekannt, trugen einige meiner Freundinnen L’Eau d’Issey, was ich damals als sehr erträglich und gefällig empfand im Vergleich zu all den anderen Scheußlichkeiten, die mich umzingelten.

Schon beim Lesen der Duftpyramide war klar: Ich werde zum ersten Mal in meinem Leben in eine Parfumerie gehen und einen Duft gezielt riechen wollen! Meine Neugier war geweckt, doch erwartete ich nicht allzuviel!

Gesagt, getan. Schon beim ersten Aufsprühen war ich überraschender Weise angenehm betört. In den nächsten Stunden wanderte mein Handgelenk immer öfter Richtung Nase, bis ich bemerkte: ich bin fast am sabbern und es muss recht amüsant wirken, wie ich mit geschlossenen Augen versuche, mein Handgelenk durch meine Nasenlöcher zu schieben! Ich war verzückt! (Verzeihung, weil ich nicht in der Lage bin, zum Duft und Duftverlauf usw. zu schreiben, dafür fehlt mir die Erfahrung. Lediglich so viel dazu: Guajak & Sandel, Vanille und ein winziger Hauch von … ist es wirklich Kokos? In Verbindung mit Milch? die mich so anturnt?... dieses rote, tiefe, feurige, opulente Zusammenspiel ist ein tiefgreifendes Dufterlebnis und besonders Sandel & Holz hat sich bei mir eingeprägt.) Vom ersten Moment an war ich diesem Duft verfallen! So etwas hatte ich noch nie niemals nicht annähernd irgendwo gerochen. Das war’s! Die Flasche war mein.

JEDER sprach mich auf mein Parfum an. Einfach jedermann und jede Frau. Der Duft polarisierte. Entweder man hasste oder liebte ihn abgöttisch! Für mich war der Duft perfekt, beschützte er mich doch auch vor Menschen, die mich nicht riechen mochten und konnten und es hat immer gepasst! Ich benutzte es nicht täglich und auch nicht bei jeder Gelegenheit, Le Feu war für mich ein Rausch, den ich an speziellen Tagen, Abenden oder Nächten genießen wollte und so war ich sparsam im Gebrauch mit meinem Zauberelixier, welches mir mentale Höhenflüge verpasste und mich in einer Art & Weise komplementierte, wie ich es bisher nie wieder erfahren durfte. Nach einiger Zeit kauften sich meine Schwester und eine meiner Freundinnen ebenfalls diesen Duft. Ca. ein Jahr später waren diese beiden angebrochenen Flakons ebenfalls in meinem Besitz, weil beide ihn an sich nicht mochten und meinten, dieser Duft wäre doch zu sehr mit Assoziationen an mich verbunden, eben MEIN Duft.

Dann wurde ich schwanger und bekam einen Sohn. In den ersten beiden Jahren benutze ich nun noch weniger mein Zauberelixier und hatte mit drei noch fast vollen Flaschen einen für meinen damaligen Begriff riesigen Bunkervorrat.

Lange Rede, kurzer Sinn: Bis ich bemerkte, dass MEIN Duft discontinued war, war alles zu spät! Nirgendwo schien es mehr etwas davon zu ergattern zu bekommen, außer man griff bei ebay tief in die Tasche und ich war nicht nur entsetzt, sondern wie vor den Kopf geschlagen! Mein heißgeliebtes Feu? Nicht mehr auf dem Markt? Produktion eingestellt? WIESO? Ich konnte es nicht glauben, verstehen erst recht nicht!

Aus heutiger Sicht und nach dem Erschnuppern vieler, vieler Parfums mittlerweile muss ich sagen: Le Feu d’Issey war seiner Zeit weit, weit voraus! Jacques Cavallier kreierte meiner Meinung nach sein Meisterwerk und es fand nicht genug Beachtung auf dem Mainstream-Markt. Diese außergewöhnliche Duftkomposition war damals eine kleine Revolution und zu ungewöhnlich, um breiten Anklang und Anhänger zu finden, so dass die Kassen für Issey Miyake wohl nicht genügend klingelten!
Ich bin überzeugt davon: würde dieser Duft heute ein Release erleben, würde Le Feu d’Issey wahrscheinlich ein Kassenreißer werden! Es gibt nichts Vergleichbares! Der Duft ist einzigartig, unique und so wunderbar zusammengesetzt, dass mir noch heute das Herz unbändig schmerzt, weil ich ihn nie wieder riechen darf!

Seit über einem Jahr verbiete ich mir, ihn immer wieder über ebay zu ergattern, damit meine Dufterinnerung endlich verblassen kann, damit ich mich gänzlich von der Vergangenheit lösen und von Tag zu Tag offener für Neues werden kann. Nachdem mich eine Parfuma mal lange angesehen hat und ganz ernst zu mir meinte: „Sie MÜSSEN diesen Duft vergessen, sonst wird das mit einem Neuen nie was!“, habe ich mir das erst bockig, dann weinend, und schließlich bejahend zu Herzen genommen. Ich habe sogar den letzten Flakon, in dem noch etwas Zauberelixier drin war, schwermütig entsorgt und beschlossen: Die Königin ist tot! Akzeptiere es! Die Zeit ist gekommen, sich endgültig zu verabschieden!

Die Königin ist tot! Lang lebe die Königin!

Doch bisher gibt es keine ebenbürtige Nachfolgerin. Der Thron ist leer, unbesetzt und in meinem Duftpalast tanzen mittlerweile einige Kandidaten, die um die Herrschaft buhlen. Bisher ist noch niemand bis zu dem Thron vorgedrungen, doch gewährt meine Nase mittlerweile so mancher Komposition immerhin Einlass und hofft, irgendwann einem neuen Signaturduft die Krone aufsetzen zu dürfen!

R.I.P., geliebtes Feu! Ich werde dich nie vergessen!
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