MariellaMmmh
Mari's matter
vor 4 Jahren - 26.10.2020
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Herbstluft

BÄMM. Plötzlich lag ich da, wo ich gerade noch auf dem Fahrrad saß. Mein Gesicht in etwas Nassem, kleine Steine und etwas Dorniges in die Haut gedrückt. Na prima. Ich öffnete die Augen und betete nun, dass das Braune wirklich nur Schlamm war. Ich blickte nach oben, der Schnauzenausdruck meines Hundes voller Mitleid. Sofort begann sie mit liebevollem Trost.

Ich muss aber etwas früher ansetzen:

Ich LIEBE den Herbst. Ich gebe es gerne zu. Die anderen Jahreszeiten sind ja auch alle ganz schön, und jede bringt so ihre Vor- und Nachteile mit sich. Aber der Herbst hat etwas von Entschleunigung. Sich etwas zurückziehen, es sich gemütlich machen auf dem Sofa mit einem Heißgetränk und einem guten Buch.

Ich mag Hitze überhaupt nicht, und wenn ich „Hitze“ sage, dann meine ich alles über 25 Grad. 20 bis 22 sind meine absolute Wohlfühltemperatur, da laufe ich zur Höchstform auf. 22 bis 24 Grad sind warm. Ab 26 Grad fängt bei mir das tropische Wetter an. Im Nachhinein weiß ich nicht, wie ich die 48 Grad im Schatten im Sommerurlaub überlebt habe, aber mit einem Schirmchengetränk im Pool lässt sich einiges aushalten. (Wobei ich von da an dem Begriff „Würstchenwasser“ eine neue Bedeutung zugeordnet habe.)

Im Herbst liebe ich den Duft sehr. Wenn das Laub sich verfärbt, die Sonne aber noch die letzten warmen Sonnenstrahlen zu uns schickt, die Erde die gespeicherte Wärme abgibt, da riecht es ganz besonders toll, vor allem im Wald. Auch Regen riecht dann toll, zumindest die ersten paar Male. (Wie Regenduft genau entsteht könnt ihr in dem Blog unserer Vorsitzenden des Begrüßungskomitees Frau Süchtig nachlesen.) Wenn es dann jedoch immer öfter und heftiger regnet, riecht es immer modriger, und das Nasskalte mag ich dann nicht mehr so doll.

Als ich heute überraschend früher Feierabend hatte, schnappte ich mir meinen Hund und ab ging die Post mit dem Fahrrad. Sie rannte, ich fuhr. (Andersrum mögen wir nicht so.)

Nun habe ich einen Australian Shepherd erwischt, der recht genügsam ist, was Bewegung angeht. Wobei, nein, toben und einem Ball hinterher rennen kann sie stundenlang, neben dem Fahrrad rennen braucht sie nicht so für sich. So ist sie stets sehr kreativ dabei, neue Abkürzungen zu finden. Da sie ziemlich sprungfreudig ist, mein Fahrrad aber nicht, erlebe ich immer wieder Abenteuer mit ihr. Die Unlust am Fahrrad zu laufen gilt jedoch nur für die ersten 50% der Strecke. Bis dahin muss ICH sie antreiben, aber danach zieht sie mich wie eine Irre durch die Gegend. Als in einer Straße mal so ein Geschwindigkeitsmesser hingestellt wurde, konnte ich ablesen, dass wir mit über 30 Stundenkilometern unterwegs waren. Na ja, wir wechseln uns halt ab mit der Motivation. Wenn sie so gar nicht rennen möchte und ich fast rückwärts fahre, muss ich nur kurz KATZE! rufen, und ab geht die Post. Katzen sind ihre Todesfeinde, seit der Kater des Bösen aus der Nachbarschaft sie eines Abends angriff. (Und es ist wirklich eine fieses Ding! Es hockt im Dunkeln und wartet auf potenzielle Opfer!)

Da Chilli heute nicht so recht Lust auf Laufen durch Pfützen hatte und auch der Nieselregen sie nicht unbedingt anspornte, rief ich KATZE! Tja. Aber: Da war wirklich eine! Diese jedoch nicht in der Richtung, die ich anvisiert hatte. Chilli fühlte sich nun aufgefordert, die Ausgeburt des Bösen zu vertreiben, während ich in einem wunderschönen Bogen über die Böschung geschleudert wurde, als ich mit der Leine an einem Baum fest hing. Wenn man da so fliegt, vergeht die Zeit ja ganz anders. Dieser winzige Mini-Augenblick, in dem man jedoch Zeit hat, sehr vieles zu überdenken. Ich sortierte in meinem Kopf meine noch anstehenden Aufgaben für die Woche, überlegte mir den Kochplan und verfasste ein paar Balladen. Auch fiel mir eine neue Nuance meines Tagesduftes auf. Man muss wirklich mal seinen Blickwinkel ändern. Ich betete, da möge etwas Weiches meinen Aufprall dämmen. Ich bin ja kein Anfänger und das war nicht mein erstes Mal, wo ich vom Fahrrad geschleudert wurde. Nicht schön war, als ich letztes Jahr die Böschung des Mittellandkanals samt Fahrrad runter fiel. Auch nicht schön war, IN den Kanal zu fallen. Gut war, als ich mal in einem Blätterhaufen gelandet war. Aber dieses Mal hatte ich kein Glück. Nur Steine, Matsch und, oh, Disteln.

Das Braune, vor dem ich echt Angst hatte, erwies sich als ungefährliche Matschepampe. Ich rappelte mich auf und merkte, dass, hä, kann nicht, sein, diese Pfütze, die wie Jauche aussah, wunderbar roch! Also rückte ich meine Nase in die Nähe, ich war ja eh schon beschmiert. Meine Hündin setzte sich geduldig neben mich und gab mir fortwährend das Pfötchen.

Hm. Was roch denn da so gut? In der Regel schnüffele ich nicht an Pfützen, schon gar nicht im Nahkampf. Diese roch aber … wirklich gut! Blumig, herb, krautig und, logo, etwas erdig.

Hat jemand einen Flakon fallen lassen? Oder hat eine Parfuma sich hier drüber eingedieselt? Oder ist das der Rest einer Sharingabfüllorgie? Wäre sinnvoll, das Abgefülle unter freiem Himmel zu machen.

Ich werde es wohl nie erfahren. So rappelte ich mich auf, bog das Fahrrad zurecht und radelte nach Hause.

Nun trocknen die Sachen, ich bin frisch geduscht und Chilli pennt als ob nichts wär'.


Vielleicht aber hat ein Nachbar ja eine Duftschnitzeljagd für mich ausgelegt. Can? ;)

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