Minou

Minou

Rezensionen
Minou vor 5 Jahren 50 15
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Kaufgewohnheiten des „gemeinen Parfumo“ (lat. Parfumus normalus), oder: "wie ich langsam duftverrückt wurde"
Bei mir gibt es vier Arten von Parfüm-Käufen – und ich bin sicher, dass ihr euch in der einen oder anderen Art wiederfindet.

Da wären zum einen die Spontankäufe. Aufgesprüht und eingesteckt. Man, war der lecker! Und dann noch gar nicht mal so teuer. Ob der wohl haltbar ist? Wird man ja sehen. Und gefällt wohl auch die Basis noch? Bestimmt, wenn der Kopf schon so lecker ist. Die Erfahrung zeigt, dass ich für diese Art von Käufen überhaupt kein Händchen habe. Die Spontankaufdüfte haben ihren Platz bei mir schnell ganz hinten im Parfümschrank, sodass solche Käufe mittlerweile bei mir eigentlich nicht mehr vorkommen.

Als zweites zu nennen sind die Wiederholungskäufe. Du bist immer scharf auf neue Düfte, aber da sind diese zwei, drei Düfte, die IMMER nachgekauft werden, sobald der Inhalt des Flakons sich dem Ende zuneigt. Sind wir nicht alle Wiederholungstäter? Ist doch auch logisch: Der immer wieder getragene Duft wird ja beinahe schon Teil der Identität, nunja, zumindest des „Outfits“, des persönlichen Stils. Einen lieben Gruß an dieser Stelle an l’Ambre des Merveilles. Ich werde immer einen Platz in meinem Parfümschränkchen für dich haben.

Die dritte Art, und zweifelsfrei die spannendste, ist der Blindkauf! Mal wieder den halben Nachmittag auf Parfumo gesurft und die Merkliste gefüllt? Dann die Onlineshops und den Souk gecheckt? Oh, da ist ja dieser Duft im Angebot, der in der Bewertung wirklich gut wegkam. Und die Duftpyramide klingt echt vielversprechend. Kosten und Nutzen werden abgewogen. Das sind die Düfte, deren Ankunft ich am wenigsten abwarten kann. Dieser Nervenkitzel kurz vorm ersten Sprühen! Ambre Impérial, ich schiele schon auf dich.

Kommen wir zur letzten Kategorie: Die Sehnsuchts-Käufe. Ich teste einen Duft, sei es aus einem kleinen Probenröhrchen oder direkt aus der Parfümerie, und ich verliebe mich in ihn. Ganz langsam. Immer wieder komme ich in der Parfümerie auf diesen Duft zurück und test-sprühe. Die Sehnsucht wird immer größer. Aber er ist ziemlich teuer, da will ich mir vor dem Kauf schon absolut sicher sein! Wenn der Duft dann endlich ersteigert wird, dann kenne ich ihn schon so gut, dass es ist, als kaufte ich einen alten Freund. Es ist unglaublich befriedigend, den Duft schlussendlich zu Hause aufsprühen zu können.

Angélique Noire gehört für mich in die Kategorie „Sehnsuchtskäufe“. Bereits seit einem Jahr schiele ich auf diesen Guerlain. Wann immer ich den mal auf den Handrücken bekomme, stellt sich bei mir so eine Art Arm-Fehlfunktion ein: Ständig beugt sich der Arm und hält die beduftete Hand unter die Nase. Wenn ich ihn dagegen auf den Hals sprühe, habe ich eine so wunderbare, warm-würzig-süße Aura um mich herum, dass ich mich absolut geborgen fühlte.

Diese Woche habe ich endlich eine 20ml-Abfüllung ersoukt und bin ganz selig, dass ich nun ausführlich testen kann.

Angélique Noire startet nicht leise, sondern verlangt einen würdigen Auftritt mit rotem Teppich und Paukenschlag! Der würzige, aromatisch-süße Kopf mit gepfeffertem Engelwurz wird begleitet von einer warmen, cremig-würzigen Vanille, die absolut zum Anbeißen ist! Bei mir dominiert die würzige Vanille den Duftverlauf. Entgegen mancher Kritik kann ich bei mir gar keine Birne wahrnehmen, aber vielleicht bin ich für die Note ja auch „duftblind“. Angélique ist edel und sehr haltbar, was ich von einem Guerlain und dieser Preiskategorie aber auch erwartet hätte. Gute 6-7h ist der Duft intensiv wahrnehmbar, danach wird er leiser.

Dieser Duft wärmt mich, er kuschelt mich ein. Die Abfüllung hält bestimmt nicht lange durch. Der hohe Preis ist leider ein Dämpfer, aber durchaus gerechtfertigt, schätze ich. Aber wieso müssen manche Düfte eigentlich hierzulande so schwer erhältlich sein? Vielleicht, damit der Frankreich-Urlaub noch spannender wird.

Keine Angst, liebe Angelika, dein Flakon wird bald sicherlich auch in meinem Schrank stehen.
15 Antworten
Minou vor 5 Jahren 13
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Bienvenue chez l’amour fou
Es ist Spätsommer an der Küste im Norden Frankreichs. Am Strand liegen keine Gäste mehr, nur Schiffsleichen. Niemand lässt sich hier von der Nebensaison verführen.

ER steht auf dem Balkon der Ferienwohnung und wartet auf seine Liebe. Sie haben sich hier verabredet, in 400 km Entfernung, für ein langes Wochenende. Das Abendessen hat er schon vorbereitet. Der Weißwein, ein Franzose, kühlt noch. Er hat das Bett bezogen, aber er ist sich nicht sicher, ob sie wirklich kommen wird.

SIE sitzt im Wagen, es dämmert schon. Sie hat Angst, auszusteigen und die Wohnung zu suchen, denn sie ist sich nicht sicher, ob er da sein wird. Für alle Fälle muss sie den Duft nochmal nachlegen. Aus dem Handgepäck kramt sie „Noix de Tubéreuse“ aus dem britischen Hause Miller Harris. Je einen Spritzer auf’s Handgelenk. Das Dekolleté bekommt auch einen Sprühstoß ab. Der Duft sagt: Nur Mut. Geh zu ihm. Sie sind jetzt zur dritt. Zur Linken der jungen Frau steht das Mädchen, brav und verliebt, und zu ihrer Rechten die Dame, eine femme fatale, ein Luder. Eingehüllt in ihr Duftkleid tippt die Frau den Zugangscode der Apartmenttür ein.

Die beiden riechen sich – er trägt übrigens Ambre Sultan – und wissen schon, der Mut hat sich gelohnt. Sie sind sich einig: Das hier ist verrückt, und das Beste sowieso.

Noix de Tubéreuse ist eine Romanze, eine amour fou, eine Liason dangereuse – die dominierende Tuberose vereinigt sich mit den anderen Duftnoten der Pyramide zu einem großen Ganzen. Ich kann hier keine Einzelnoten herausfiltern. Als die duftende weiße Blume den Raum betritt, ist eigentlich schon alles klar. Das ist ein Duft, den man(n) mit ins Bett nimmt.

Die Liaison ist sehr haltbar und ein Duftverlauf für mich kaum wahrzunehmen. Einzig wird der Duft mit der Zeit wärmer und hautnäher. Die Tuberose will dann nur noch kuscheln, bevor sie sich leise verabschiedet. Was in Frankreich passiert, bleibt in Frankreich. Aber Miller Harris ist ja die Tochter einer Britin, die kommt mit nach Hause.
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