MrsGatsby

MrsGatsby

Rezensionen
Filtern & sortieren
1 - 5 von 6
MrsGatsby vor 2 Tagen
5
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
5
Duft
Mary Poppins' Seidenschal
Während gerade gefühlt die ganze Stadt das sommerliche Wetter genießt und ein unbeschwertes Leben führt, sitze ich mit einer unschönen und schmerzhaften Hautinfektion zu Hause. Ich will gar nicht weiter ins Detail gehen, aber die letzten Tage waren für mich nicht nur psychisch herausfordernd, sondern auch noch extrem langweilig.
Gestern kam ich mit einer weiteren Woche Krankschreibung vom Arzt, auf noch mehr Langeweile eingestellt. Achtlos und rein routinemäßig schloss ich meinen Briefkasten auf und plötzlich stach mir ein Luftpolsterumschag ins Auge. Ich kam ins Grübeln. Ja, natürlich habe ich von neuen Duftkäufen geträumt, aber ich hatte doch nicht wirklich etwas bestellt? Erst, als ich den Umschlag öffnete, erinnerte ich mich an das Gewinnspiel. Ich war mir sicher gewesen, nicht gewonnen zu haben und plötzlich kam mir die Probe von "Queen of Silk | Creed" entgegen. Was für eine schöne Überraschung, gerade wo ich aktuell eher wenig Grund zur Freude habe.
Bisher habe ich noch nicht viel Erfahrung mit Creed gesammelt. Ich rieche öfter mal "Aventus | Creed" an einem Freund, aber ansonsten konnte ich mir noch kein richtiges Bild von der Marke machen und fühlte mich auch nicht allzu sehr angesprochen. Dementsprechend war ich sehr gespannt, was mich erwarten würde.

Tja, was soll ich sagen, nach Seide riecht Queen of Silk auf jeden Fall nicht.
Als allererstes schlägt mir ein Schwall Desinfektionsmittel entgegen. Da ich in den letzten Tagen viel mit Desinfektionsmitteln hantiert habe, dachte ich zunächst, dass meine Nase mir vielleicht einen Streich spielt und etwas anderes aus der Umgebung wahrgenommen hat. Aber nein, auch beim zweiten Test schwingt im Kopf eindeutig der Geruch von Desinfektionsmittel mit. Ich bin mir nicht sicher, woran es liegt. Vielleicht ist es der Safran oder das Patchouli (oder soll es das Oud sein?)? Beides kann für mich leicht medizinische Anklänge haben. Dieser erste Eindruck rückt zwar sehr schnell in den Hintergrund, jedoch mischt er noch im ganzen weiteren Verlauf mit.
Anschließend wird der Duft von fruchtiger Süße dominiert, fast schon sirupartig. Ich rieche auf jeden Fall den Osmanthus und die Passionsfrucht heraus. Ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt und sehe mich Capri-Sonne trinken, die Sorte mit den tropischen Früchten. Im Drydown bringt die Weihrauchnote noch ein wenig Eleganz dazu. Ganz allgemein würde ich Queen of Silk aber als einen fruchtig-süßen Duft bezeichnen, welcher von erdiger Würze unterstützt wird (die meine Nase eben als Desinfektionsmittel interpretiert).

Vielleicht kann man aus meiner Duftbeschreibung schon herauslesen, dass Queen of Silk nicht unbedingt mein persönlicher Fall ist. Ich wünschte, ich könnte einige der anderen angegebenen Noten etwas mehr herausriechen. Eine etwas dominantere Tuberose hätte dem Duft sicher gut getan, ihm vielleicht ein bisschen Klebrigkeit genommen und diesen Arzneimitteleindruck ein wenig eleganter aufgefangen. Auch Oud nehme ich nicht wirklich wahr. Ein wenig holzige Anklänge gibt es zwar, aber die Tiefe, die es dem Duft geben könnte, fehlt für mich.

Trotzdem würde ich nicht per se sagen, dass es ein schlechter Duft ist. Auf gewisse Weise erinnert mich Queen of Silk tatsächlich ein wenig an Aventus, welcher ja offensichtlich von Vielen geliebt wird. Nicht, dass sie gleich riechen würden. Aber beide Düfte werden für mich von einer süßlich fruchtigen Note dominiert und mit holzig-rauchigen Elementen ausbalanciert.
Tatsächlich muss ich aber schon die ganze Zeit an einen ganz bestimmten Duft denken, der für mich sehr, sehr ähnlich zu Queen of Silk riecht: "La Belle | Jean Paul Gaultier" . Beide Düfte haben für mich diese medizinische Note, mit der ich nicht ganz warm werde und bei genauerem Nachdenken sind sich Birne und Passionsfrucht gar nicht sooo unähnlich. Zumindest wenn sie wie in diesen Düften auf diese aufdringliche Art interpretiert werden, wie man sie auch in Süßigkeiten findet. Auch La Belle ist so gar nicht mein Fall, aber ich weiß, dass er von Vielen sehr geliebt wird. Wer La Belle mag, könnte Queen of Silk also auch mögen. Ich habe gesehen, dass @Subprice auch eine Ähnlichkeit zur "Angel (Eau de Parfum) | Mugler" DNA angesprochen hat und würde dem zustimmen. Das Patchouli in Angel hat für mich denselben medizinischen Charakter, der mir hier nicht gefällt.
Tatsächlich kann ich mir gut vorstellen, dass der Duft vor allem von Männern als sehr attraktiv, vielleicht sogar sexy interpretiert werden könnte. Es ist etwas, was Jeremy in Dauerschleife in die Kamera halten könnte. Und sein wir ehrlich – oft wird seine Meinung durchaus geteilt, auch wenn es nicht unbedingt meinen persönlichen Geschmack trifft.

Was man positiv betonen muss, sind Sillage und Haltbarkeit. Der kleine Testsprüher hat gestern bestimmt zehn Stunden an mir durchgehalten und im Laufe des Tages stieg er mir immer wieder in die Nase.

Es mag auch ein wenig meiner zuvor beschriebenen aktuellen Situation geschuldet sein, aber dieses Parfüm lässt mich an Mary Poppins denken. Genauer gesagt habe ich die Filmszene im Kopf, in der sie „Ein Löffelchen voll Zucker“ singt. Tatsächlich hat Queen of Silk etwas Bittersüßes an sich, eben so wie ein Löffel Medizin mit Zucker schmeckt. Und auch, wenn es leider nicht mein neuer Lieblingsduft wird, hat er mir definitiv eine nicht so schöne Zeit versüßt und ich bin dankbar für die Probe, die ich gewinnen durfte!
0 Antworten
MrsGatsby vor 11 Monaten 11 1
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
6.5
Duft
Champagner im Plattenbau
Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment, in dem ich Mon Paris das erste Mal getestet habe. Es war noch recht weit am Anfang, als ich begann, mich mehr für Parfum zu interessieren und noch nicht sicher wusste, was mir gefällt. Lange Zeit habe ich mich nicht getraut, den Flakon in die Hand zu nehmen. Marke und Name des Duftes haben mich etwas sehr Erwachsenes erwarten lassen. Schwülstig-blütig vielleicht, einfach etwas, für das ich mich noch zu jung fühlte.
Aus einer Laune heraus habe ich ihn dann doch auf einen Teststreifen gesprüht, einfach nur um zu wissen, wie er riecht. Was mir dann in die Nase stieg, hat mich so sehr überrascht, dass ich kurz dachte, ich hätte einen falschen Duft erwischt. Fruchtig-süß, genau die Art von Duft, die ich bisher kopflos getragen und für gut befunden hatte. Eine so positive Überraschung, dass ich sofort in Erwägung zog, ihn zu kaufen.
Zu Hause kam auf dem Teststreifen dann das Patchouli durch. Es wirkte kratzig auf mich, ich hatte vorher noch nie wirklich bewusst Patchouli gerochen oder getragen. Das hielt mich von einem schnellen Kauf ab. Trotzdem ging mir dieser positive erste Eindruck nie aus dem Kopf, sodass ich irgendwann bei einem recht guten Preis dann doch nicht anders konnte, als zuzuschlagen. Seitdem gehen Mon Paris und ich immer wieder durch gute und schlechte Phasen.

Das Opening ist wirklich schön. Frische Erdbeeren, gemeinsam mit einer Note, die nicht gelistet ist und ich auch in keinem anderen Kommentar gelesen habe. Für mich ist sie aber eindeutig da: Champagner. Er bringt dieses prickelnde Gute-Laune-Gefühl mit und sorgt für eine leichte Säure.
Diese Kombination dominiert etwa ein bis zwei Stunden lang. Dann wird der Duft süßer, ich erahne den Jasmin und die Himbeere, die auch dabei sein soll. Die Pfingstrose ist für mich kaum präsent, aber ich kann mir vorstellen, dass sie zu einem weicheren, runden Gesamtbild beiträgt. Die Süße der Früchte steht für mich aber eindeutig im Vordergrund und ich würde Mon Paris definitiv nicht als einen blumigen Duft beschreiben. Die floralen Noten spielen wirklich nur eine unterstützende Rolle.
Das Patchouli, welches ich damals auf dem Teststreifen als so störend empfunden habe, ist auf meiner Haut tatsächlich eher dezent. Nach meinen heutigen Vorlieben könnte es ruhig etwas deutlicher durchkommen. Dafür ist da etwas Anderes in der Basis, was mir missfällt. Eine merkwürdig saubere Muffigkeit. Es muss der Moschus oder das Ambrox sein, vielleicht auch einfach nur, wie sie sich mit den anderen Noten (oder meiner Haut) vermischen. Ich nehme es zum Glück nicht immer wahr und dann meist auch nur einen kurzen Moment. Trotzdem stört es die Komposition für mich.

Tja, was soll ich sagen? Ich weiß nie so recht, ob ich Mon Paris wirklich mag oder nicht. Ganz objektiv betrachtet ist es kein schlechter Duft und ich habe wie gesagt wirklich Phasen, in denen ich ihn sehr gerne trage. Es ist ein schöner verspielter Duft für Frühling und Sommer. Irgendwie aber auch nicht viel mehr.
Ich glaube, mir fehlt ein gewisser Touch, der für etwas mehr Eleganz und Klasse sorgt. Ich denke einfach nicht an Paris. Der Inhalt passt nicht zum Namen.
Für mich persönlich ist Mon Paris dann manchmal doch einen Hauch zu jugendlich. Ich werde ihn definitiv nicht nachkaufen. Mein Flakon wird aber noch für einige weitere Jahre reichen und so lange werde ich ihn auch nutzen, für genau diese Momente, in denen ich diese beschwingte Leichtigkeit spüren möchte.
Eigentlich passt er auch ganz gut zu meiner aktuellen Lebenssituation. Ich wohne in einem Plattenbau. Natürlich würde ich mir schon eher einen hübschen Altbau wünschen, in dem ich aufgewachsen bin, aber es gibt auch Schlimmeres und alles andere ist in meiner Gegend unbezahlbar geworden.
Mon Paris ist wie Champagner im Plattenbau. Es ist dieser eine Duft, der einen einfach daran erinnert, das Beste aus dem zu machen, was man hat. Du sitzt auf deinem kleinen Balkon, ein Glas Champagner mit gefrorenen Erdbeeren in der Hand. Die Sonne scheint, du hörst Menschen lachen und auf dem Innenhof grillen die Nachbarn. Die Kamera zoomt raus und erst jetzt fällt der plumpe Beton um dich herum auf. Aber eigentlich spielt der auch gar keine Rolle.

Es ist kein Duft, der zu einer eleganten Dame gehört, die durch Paris schreitet. Viel mehr ist es die Art von Duft, mit der sich ein junges Mädchen oder eine junge Frau einen Hauch von Luxus erkauft, der in ihrem Leben fehlt. Er gibt einfach ein gutes Gefühl.

Das war jetzt natürlich ein sehr spezifisches Beispiel. Ansonsten passt Mon Paris auch super zu einer Gartenparty, zum Shoppen in der Stadt, zum Leben genießen mit den Freunden. Irgendwo auf einer Rooftop Bar sitzen und sich den Wind um die Nase wehen lassen oder einfach nur ein gutes Buch im Park lesen. Ihr wisst schon, was ich meine.

Die Haltbarkeit ist übrigens wirklich gut! An mir hält er über sieben Stunden und ich nehme ihn tatsächlich auch selbst etwa 2-3 Stunden aktiv an mir wahr, was bei mir eher selten vorkommt.

Zusammenfassend ist Mon Paris also wirklich kein schlechter Duft, es kommt einfach nur sehr auf die eigene Erwartungshaltung an.
1 Antwort
MrsGatsby vor 11 Monaten 16 4
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Casual Chic
Dieses Jahr haben sich meine Duftvorlieben stark verschoben. Es fing schon im Winter an, als mir plötzlich alle Düfte aus meiner Sammlung viel zu süß waren. Selbst die Düfte, die ich vorher gar nicht wirklich in diese Richtung eingeordnet hätte, waren mir zu viel. Es gab nur wenige, die ich noch ertragen konnte.

So kam es, dass ich meinen kleinen 20ml Flakon Nomade EdP wiederentdeckt habe, den ich eigentlich schon seit Ewigkeiten weggeben wollte, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass er je zu mir passen würde.
Nun, was soll ich sagen, laut Parfumo-Statistik ist er dieses Jahr eindeutig einer meiner meist getragenen Düfte und ich ziehe in Betracht, mir in Zukunft einen größeren Flakon zuzulegen.

Anfangs habe ich Nomade vor allem aus Mangel an Alternativen genutzt, weil er gemeinsam mit "Karl Paris 21 Rue Saint-Guillaume | Karl Lagerfeld" wirklich der unsüßeste Duft war, den ich besaß. Erst mit der Zeit habe ich ihn zu schätzen gelernt und seine Schönheit erkannt.
Und es ist wirklich ein schöner Duft! Das Eichenmoos ist die ganze Zeit über präsent, zu Beginn in Kombination mit der Freesie etwas herb. Im Opening hat man wirklich das Gefühl von rauer Natur, als säße man im Wald an einen Baum gelehnt auf moosbedecktem Boden. Vielleicht im Herbst, wenn es noch etwas Sonne gibt, die durch die Baumkronen scheint, aber auch schon etwas Feuchtigkeit in der Luft liegt.
Und dann kommt der Moment, den ich am allerschönsten finde, der mich immer wieder zum Lächeln bringt, wenn ich dieses Parfüm trage. Die Mirabelle mischt sich in das Eichenmoos, klar und hell, so unsüß, wie es einer Frucht eben möglich ist. Der Duft beginnt förmlich zu prickeln! Ich stelle mir dabei ein Glas Weißwein vor, das von der tiefstehenden Sonne angestrahlt wird. Man bekommt einfach nur ein gutes Gefühl!
Mit der Zeit wird die Mirabelle süßer und das Eichenmoos trockener. Zum Ende hin riecht es wie ein Obstkorb in einem getrockneten Moosbett, auf den der ganze Tag die Sonne geschienen hat und der Wind weht dir jetzt den leichten Duft zu.

Für mich ist es ein erwachsener Duft. Ich stelle mir eine Frau vor, die schlicht, aber sehr chic gekleidet ist. Weiße Bluse mit Jeans, mühelos hochgestecke Haare, dazu ein leichtes Makeup oder eine große Sonnenbrille. Sie trägt Nomade, um ihren Stil zu unterstreichen, nicht um Aufsehen zu erregen. Sie ist zu elegant für laute Töne.
Ich könnte mir jedoch auch eine junge Frau, gerade zwanzig vorstellen. Sie sitzt in einem hübschen Blümchenkleid auf der Wiese, ist so eine, die immer lächelt und du siehst sie gerade an, als die Sonne hinter ihr strahlt und die Konturen ihres Haars zum Glühen bringt.
An einer Teenagerin kann ich mir Nomade eher weniger vorstellen. Vielleicht passt er noch, wenn sie eine etwas sportlichere Ausstrahlung hat, aber allgemein fehlt der jugendliche Touch.

Vielleicht versteht ihr, was ich mit diesen Bildern ausdrücken will. Es ist eben ein Duft, den man nicht trägt, um einem Mann zu gefallen, oder einen bestimmten Eindruck zu erzeugen. Es ist ein Duft, der einfach nur die eigene Ausstrahlung betont, wie ein gut ausgewähltes Accessoire, das einfach zu einem gehört.
Nomade passt gut in den Alltag und ist ein perfekter Signature Scent, egal ob in der Freizeit oder auf der Arbeit. Ein typischer Ausgeh- oder Abendduft ist er sicher nicht, aber je nach Anlass könnte er durchaus formelle oder lässige Eleganz ausstrahlen. Man denke zum Beispiel an einen entspannten Barbesuch.
Ich finde auch, er ist das ganze Jahr über gut tragbar. Vielleicht passt er nicht ganz so gut in den Winter, aber ich für meinen Teil habe ihn gerade zu dieser Zeit lieben gelernt.

Die Haltbarkeit ist gut. Ich trage ihn jetzt seit etwa fünf Stunden, zwischendurch habe ich den Abwasch gemacht und ich kann ihn trotzdem noch ein wenig an meinem Handgelenk wahrnehmen. Meine Nase ist heute aber auch nicht ganz so feinfühlig und ich weiß, dass er an anderen Tagen auch länger bleibt.
4 Antworten
MrsGatsby vor 1 Jahr 5
9
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
Strahlende Vielseitigkeit
Ich kann verstehen, warum dieser Duft so beliebt ist. Obwohl ich nicht unbedingt sagen würde, dass er zu meinen Lieblingen gehört, ist er definitiv einer der meist getragenen in meiner Sammlung. Der größte Grund dafür ist wohl seine Vielseitigkeit.

Wenn ich ihn sprühe, nehme ich als erstes eine kühle Frische wahr. Das Zusammenspiel von Mandarine, Orangenblüte und Lavendel ist unglaublich schön. Ich liebe Lavendel, aber als Note in Parfum empfinde ich ihn schnell als etwas muffig, ein bisschen als würde ich an einem alten Duftsäckchen riechen (z.B. in Cloud oder REM von Ariana Grande). Die Spritzigkeit der Mandarine wirkt dem aber entgegen und unterstreicht ihn, sodass er wie frisch aus dem Garten riecht. Wunderschön!
Anschließend nimmt die Orangenblüte die Hauptrolle ein und der Jasmin wirkt unterstützend und bringt sie so richtig zum Leuchten. Zum Glück, möchte ich sagen, denn mit zunehmender Süße neigt Lavendel für mich zu besagter Muffigkeit, die ich hier jetzt zwar auch, aber nur ganz schwach wahrnehme. Die Orangenblüte erinnert mich etwas an jene in Classique EdT, welche ich zum Niederknien finde. Zusammen mit der Vanille und einem Hauch Amber wird sie wunderschön pudrig und warm.
Gegen Ende rieche ich ganz zart auch das Zedernholz heraus, vermischt mit einer allgemeinen Süße, die übrig bleibt. Moschus nehme ich nicht ganz bewusst wahr, aber es kann gut sein, dass er zu der Pudrigkeit beiträgt, die zwischendurch zum Vorschein kommt.

Für mich ist es der Verlauf und die gelungene Balance zwischen frisch und süßlich warm, der Libre zu einem so guten Allrounder macht. Es ist kein schwerer Duft, mit dem man im Alltag aufdringlich wirken könnte. Er passt genauso gut zur Arbeit, wie zu einem Tag mit Freunden. Trotzdem ist er speziell genug für größere Anlässe, egal ob zum Ausgehen oder in einem förmlicheren Umfeld. Meiner Meinung nach ist er auch das ganze Jahr über tragbar, egal ob es kalt oder warm ist. Ich kann mir auch durchaus verschiedenste Persönlichkeiten in diesem Duft vorstellen und empfinde ihn nicht unbedingt als einen Duft exklusiv für Powerfrauen, wie er gern vermarktet wird.
Es ist interessant, dass die Lavendelnote in Libre immer wieder als so besonders für ein Damenparfum angepriesen wird. Ich stimme eindeutig zu, dass sie hier sehr gelungen ist, aber wirklich neu ist sie nicht. Trotzdem glaube ich, dass sie zu der Vielseitigkeit des Dufts und auch zu seiner Beliebtheit beiträgt. Libre ist süß genug, um in das typische Beuteschema der Masse zu passen, wirkt im großen Vergleich durch den frischen Lavendel aber auch etwas edgy. Man kann sich also ein wenig besonders fühlen, ohne die Comfort Zone komplett verlassen zu müssen. Und das meine ich nicht abwertend, sondern durchaus positiv.

Obwohl ich Libre wirklich gelungen finde und ihn für seine Vielseitigkeit sehr schätze, denke ich nicht, dass ich ihn am Ende meines 90ml Flakons noch einmal nachkaufen werde. Für mich nimmt er eine so praktische Funktion ein, dass er einfach keine großen Emotionen in mir weckt. Trotzdem kann ich ihn mir gut als einen Signature Scent für jemand anderen vorstellen.
0 Antworten
MrsGatsby vor 3 Jahren 8 1
7
Flakon
4
Sillage
5
Haltbarkeit
6
Duft
So riecht Lebenserfahrung
Als Teenager wollte ich unbedingt Modedesignerin werden. Ich konnte nicht nähen, aber ich habe mich viel mit Designtheorie beschäftigt und jeden Tag an meinem Portfolio gearbeitet. Meine Vorbilder waren Vivienne Westwood und Karl Lagerfeld. Vivienne, weil ich sie cool fand und Karl, weil er genau wie ich nicht selbst nähen konnte und seine Entwürfe nur gezeichnet hat. Natürlich hatte er auch eine unglaublich interessante Persönlichkeit. Modedesignerin wollte ich irgendwann nicht mehr werden. Traurig war ich trotzdem, als Karl dann gestorben ist.
Diese Vorgeschichte hat letztendlich dafür gesorgt, dass ich dieses Parfum als Geburtstagsgeschenk von meiner Mutter bekam. Sie habe mehrere Lagerfeld-Düfte getestet und dieser habe von allen am besten zu mir gepasst.

Wenn ich diesen Duft rieche, sehe ich jedoch eine ganz andere Frau als mich selbst. Ich habe eine Frau in ihren Vierzigern oder älter vor Augen. Eine Frau mit Lebenserfahrung, die keinen starken Duft braucht, um stark zu wirken, denn sie ruht so sehr in sich, dass es egal ist, wie sie wirken könnte. Und das nicht auf eine arrogante Weise, sondern auf eine sehr liebenswürdige.
Ich bin selbst Mitte zwanzig, aber wenn ich mich genau so fühlen oder auf andere wirken möchte, wie diese Frau, dann trage ich diesen Duft sehr gerne.

Im Auftakt riecht das Parfum fruchtig-würzig. Die würzige Note riecht für mich wie Pfeffer, aber es ist keiner gelistet. Das Fruchtige kommt vor allem von der Johannisbeere und ich habe gelesen, dass Johannisbeere wohl auch etwas nach Katze riechen kann, also vielleicht ist sie auch für die Würze verantwortlich?
Das Fruchtige verfliegt recht schnell und in die Würze mischt sich ein weicher, süßlich-beeriger Geruch, sicherlich die Brombeerblüte. Eine Zeit lang ist es noch ganz leicht herb, aber auf eine angenehme Weise. Schließlich bleibt nur noch ein lieblicher Duft zurück. Die Beerennote ist noch leicht wahrnehmbar, aber weder stark fruchtig, noch besonders süß. Sie mischt sich mit dem cremig-pudrigen Duft von zartem Veilchen und zurückhaltendem Sandelholz. Alles klingt weich und gemütlich aus.
Fleur de Murier ist ein sehr sanfter Duft. Ich denke, man kann ihn nicht zu stark dosieren. Auf meiner Haut kann ich ihn etwa fünf Stunden wahrnehmen.

Viele haben den Duft hier als Sommer- und Frühlingsduft eingeordnet, für mich riecht er tatsächlich eher nach Herbst und Winter. Er ist ein kuscheliger Familiennachmittag, Kaffee mit der Freundin oder Kollegin.
Man kann sehr wenig falsch machen mit ihm, denn er ist ein leichter Akzent, aber keine laute Aussage.
1 Antwort
1 - 5 von 6