MrsMoe

MrsMoe

Rezensionen
MrsMoe vor 1 Jahr 30 8
10
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Erde zu Erde, Staub zu Staub
Ich kann euch direkt beruhigen, es ist niemand gestorben und "Infusion d'Iris (Eau de Parfum) (2015) | Prada" riecht auch keineswegs nach Patchouli oder Tod!
Nichtsdestotrotz war die obige Redensart die erste Assoziation, die mir in den Kopf schoss, als ich diesen Irisduft (DIE Referenz für alle weiteren Irisdüfte) erstmalig getestet habe. Ich habe mich auf zwei Arten in die Kindheit zurückversetzt gefühlt:

1. Omas schwerer Vollholz-Kleiderschrank, gefüllt mit säuberlich gestärkten Laken. Oma ist eine sehr ordentliche und reinliche Frau, im besten Sinne "emsig", und doch riecht der Schrank nicht ganz so frisch gewaschen wie sein Inhalt. Der Staub eines Jahrhunderts hat sich bereits in die Ritzen gedrückt, er ist immerhin ein Erbstück und hat den Krieg überlebt. Ich liebe meine Oma und ich fühle mich wohl in ihrem knarzigen Bauernhaus. Pure Geborgenheit und Ruhe.

2. Auch bei Oma, allerdings in ihrem Gemüsegarten, ihrem absoluten Lebensprojekt. Es ist Hochsommer und Oma möchte die letzten Erdbeeren des Jahres für den Nachtisch pflücken. Sie hat einen großen Acker, wie immer sehr ordentlich bewirtschaftet, kein Unkraut weit und breit, alle Erde ist vorbildlich gehakt und gelockert, die Erdbeeren in Reih' und Glied. Die brüllend heiße Sonne hat die Ackererde schon zu kleinen Staubklumpen gebacken. Ich sitze am Ackerrand, nahe der Mohrrüben. Dabei zerbrösel ich die Stauberde zwischen meinen Kinderfingern zu Puder und schnupper dann an meiner Hand.

Ich schätze "Infusion d'Iris (Eau de Parfum) (2015) | Prada" sehr. Ja, er ist staubig, unsüß, herb, vielleicht etwas altbacken. Es ist aber auch ein tröstlicher Duft für schwere Tage, ein Duft, den ich trage, wenn ich weltschmerzlich auf dem Sofa liege und mir kaum vorstellen kann, jetzt noch etwas Gesundes zu kochen oder zum Sport zu gehen. Ein Duft, der mich an Tage erinnert, an denen ich stundenlang hinter der Nähmaschine verschwinde und nicht gestört werden möchte.
Er ist introvertiert, erwachsen, warm und wunderschön heimatlich. Kein Wunder also, dass ich erst einmal in ihn reinwachsen musste, um seine Qualitäten zu verstehen.
8 Antworten
MrsMoe vor 2 Jahren 16 6
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Zartbittertrüffel im Tropenhaus
Die Luft in einem Tropenhaus ist einzigartig. Die Sonne scheint grell durchs gläserne Gewächshausdach; die Luft ist so feucht, dass man sie kaum einatmen kann, so heiß, dass sich alle Poren panisch auf einmal öffnen und so erfüllt von Düften, dass man nicht weiß, wohin man zuerst riechen soll.
Es riecht grün, übernass bis modrig, tropisch, blumig, lebendig, pulsierend, schwül.
Gleichzeitig entspannt sich in einem Tropenhaus der Körper, vielleicht vor Erschöpfung, in jedem Fall aber auch durch die meditative Art, mit der man sich durch die Gänge schlängelt und die ungewöhnlichen Gewächse betrachtet.

Solano, eigentlich nach einem spanischen heißen Wind benannt, erinnert mich vielmehr an obiges Szenario als an heiße Winde.
Frisch aufgesprüht rieche ich zunächst Davanakraut in einer eher fruchtigen und - wie ich finde - ziemlich alkoholischen Ausprägung. In Kombination mit dem süßlichen und durchaus schwülstig ausgeprägten Ylang-Ylang bildet es das Tropenhausbild in meinem Kopf. Es entspannt mich schlagartig im Kopf (vielleicht ist dieses Gefühl das, was andere Kommentatoren bereits als "Spa"-Gefühl bezeichnet haben) und regt mich kurioserweise gleichzeitig an: ich muss den Duft regelrecht inhalieren, empfinde ihn ausgesprochen anziehend und sinnlich.

Ich kann nicht genau bestimmen, woher nach ca. 45 min plötzlich der kleine Zartbitter-Schokoladentrüffel im Tropenhaus auftaucht: vom sanften Patchouli, von der Tonkabohne? Aber er mischt ordentlich mit und gibt der blumigen Tropenluft einen neuen, fast gourmandigen Twist (jedoch bitte nicht verwechseln mit den Kokos-Ananas-Tiaré-Tropical-Düften, das ist dieser Duft keinesfalls!).
Die Luft wird wärmer, tiefer und noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise anziehend. Dieser warme Tonka-Patch-Duft bleibt wunderschön und hautnah für den ganzen Tag bei mir. Davana und Ylang-Ylang blenden langsam aber sicher im Hintergrund aus.
Ich habe vor meinen Tests und dem Kauf des Duftes die Rezensionen hier auf dieser Seite gelesen und muss sagen, dass ich die Kuchen-Assoziation für mich nicht unterschreiben kann. Auf meiner Haut wird er einfach zu erwachsen/herb für Kuchen. Die Süße ist hier mehr blumig/fruchtiger denn zuckriger Natur.

Ich sehe den Duft trotz seiner Süße, der anfänglichen Blumig-Schwulstigkeit und seiner gewissen Drydown-Dunkelheit im Sommer. Die Sommerhitze unterstützt das Spa-artige Tropenhausgefühl und trotz aller Facetten ist dieser Duft nie laut oder aufdringlich. Die Sillage ist schnell eher körpernah.

Ich bin, das habt ihr vielleicht gemerkt, ernsthaft verliebt in diesen schönen Duft. So sehr, dass ich ihm meine erste Rezension gewidmet habe.
6 Antworten