Im Labor: Die Jean Carles Methode
Heute habe ich mal wieder mit der Jean Carles Methode gespielt. Diese bis heute bekannte Methode des früheren französischen Parfümeurs (1892-1966) zählt zu den wichtigen Techniken, um zwei (oder mehr) Essenzen in das richtige Verhältnis zu bringen bzw. vor allem ihr Zusammenspiel zu testen.
The apprentice perfumer at the beginning of his career is as a ship without a rudder", schreibt Jean Carles in einem wirklich spannenden Dokument. "If he is left to his own devices or badly led, his discoveries will lack organisation and will lead him inevitably to wasteful and ineffectual use of his creative energy."
Um genau diese Verschwendung bzw. ineffektive Nutzung kreativer Energien zu vermeiden, hat Jean Carles die nach ihm benannte Methode entwickelt.
Die Funktionsweise ist einfach: Man nimmt 5 Fläschchen, tropft darin 9, 8, 7, 6, 5 Tropfen der Essenz 1 und 1, 2, 3, 4, 5 Tropfen der Essenz 2. Auf diese Weise enthält jedes Fläschchen exakt 10 Tropfen. Wer die Ergebnisse im Anschluss auf einem Duftstreifen vergleicht, kann gut den Verlauf erkennen, das heißt, wie sich das Zusammenspiel dieser beiden Essenzen je Fläschchen verändert. Dies ist eine von vielen Hilfen, um herauszufinden, in welchem Verhältnis diese beiden künftig in Akkorden eingesetzt werden müssen, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen.

Chypre: Bergamotte + Eichenmoos
Heute hatte ich mir dazu 2 Hauptbestandteilen der Chypre-Duftfamilie ausgesucht: Eichenmoos in einer 10%igen Verdünnung als Kopfnote und Bergamotte in einer 20%igen Verdünnung als Basisnote. (By the way: Ich bin einfach ein riesiger Fan der Bergamotte, seitdem ich in Kalabrien diese Bäume mal riechen durfte.) In der Kombination beider war gut zu riechen, wie das Bergamotte am Anfang klar dominiert (in 4 von 5 Fällen) und danach immer stärker das Eichenmoos zum Duft hinzustößt.
Einfach gesagt: Während bei 9 Teilen Bergamotte und 1 Teil Eichenmoos das Eichenmoos eher ganz leicht unterstützend der Bergamotte diese erdig-modrige Note gibt, geht im anderen Extremfall – und natürlich nicht überraschend – die Bergamotte völlig unter.
Meine Basics-Learnings:
– Bergamotte: Ein hoher Anteil an Bergamotte ist nötig, um eine wahrnehmbare Kopfnote zu kreieren.
– Eichenmoos: Laut IFRA darf es so oder so nur einen winzigen Anteil (0,1%) innerhalb des Parfums ausmachen.
– Kombination: Gerade ab einem Tropfen-Verhältnis 2x Eichenmoos und 8x Bergamotte bringt das Bergamotte das Eichenmoos wirklich zum angenehmen Leuchten.
Ach ja: Wer mehr über diese Methode wissen und erfahren will, kann sich hier bei Perfumer's Apprentice ein 5-teiliges, sehr detailliertes Dokument herunterladen. Sehr lesenswert.

Ganz wörtlich kann man das mit den Tropfen natürlich nicht mehr nehmen, wofür gibt es Feinwaagen?
Bei der von dir beschriebenen Methodik kann Essenz 2 aber nur einen maximalen Anteil von 50% an der Mischung enthalten. Ist das so gewollt? Ich hätte erwartet, dass man die gesamte Mischungsbreite ausnutzt um das Zusammenspiel der Essenzen vollständig zu erfassen.
Bei 5 Fläschchen müsste man also 9, 7, 5, 3 und 1 Tropfen hinzugeben und entsprechend auf 10 Tropfen auffüllen. Alternativ 9 Fläschchen mit je 1 bis 9 Tropfen der Essenz 1.
Eine einfach zu erfassende und leicht umsetzbare Methodik, die aber dennoch kein Optimum bzgl. des Materialverbrauchs darstellt.
Was 50% betrifft: Das ist richtig. Es gibt übrigens auch andere Versionen dieser Technik, bei denen die ganze Bandbreite von 9 bis 1 bzw. von 1 bis 9 ausgenutzt wird. Dann brauch man natürlich 9 Fläschchen. Bei der Version, die ich beschreibe, muss man sich im Vorfeld klar werden, was wahrscheinlich die stärkere und was die schwächere Essenz ist. Nur so kann die Gewichtung klappen. Bei mir - mit einer klaren Kopf- und einer eindeutigen Basisnote - war das recht einfach. Hilft dir die Erklärung?