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vor 8 Jahren - 13.05.2016
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Interview mit Vincent Micotti

Vincent Micotti ist nicht nur eine unglaublich sympathische Person, mit welcher man gemütlich Flammkuchen essen kann, sondern vor allem auch ein grossartiger Parfümeur und Schöpfer einzigartiger Nischendüfte. Daher ist es mir eine große Freude, dass ich dieses Interview mit ihm für Parfumo führen durfte, um einen Einblick in seine Firma, seine Kollektion und sein Labor geben zu können.

Beginnen wir doch einfach mal bei Deinem Background.

Gerne. Ich habe eigentlich Cello studiert, in Lausanne, Basel und dann die letzten Jahre in Köln. Dort habe ich mein Konzertexamen gemacht, den höchstmöglichen Abschluss in diesem Bereich, und das bei Frans Helmerson, einem berühmten Cellisten. Und darauf bin ich auch stolz.

Damals schon hatte ich Interesse an Düften, aber ich habe trotzdem Orchester gespielt und bin auch deshalb nach Basel gekommen. Doch ich musste erkennen, dass die Liebe zu Düften das Leben dominiert hat, und mir war klar, dass ich meine Energie für Düfte ausgeben möchte. Deshalb habe ich vor 7 Jahren, also in 2009, meine eigene Firma gegründet, erst für Entwicklung und dann die Marke YS Uzac.

Welche Gemeinsamkeiten gibt es denn zwischen Musik und Duft?

Bei beidem braucht man zuerst ein Konzept. Eine Vorstellung, die ganz stark sein muss. Man muss den Duft erst in Gedanken riechen, bevor man ihn mischt. Genau wie ein Komponist nicht einfach Töne zusammenschreibt, sondern erst die Musik im Kopf hören muss, mische ich nicht einfach Duftnoten zusammen, das geht nicht. Erst brauche ich ein Konzept, eine Richtung, eine ganz starke Vorstellung vom Duft.

Bei Deinen Düften fällt auch ganz stark die kunstvolle Verpackung ins Auge.

Ich habe versucht, die Parfums auch mit Mode zu verbinden und die Flaschen anzuziehen. Denn eine Parfumflasche gleich ohne alles zu haben, das war mir nicht gut genug. Die Idee, dass man einfach das Paket aufmacht und die Flasche hinausnimmt, die gefällt mir nicht. Die sechskantige Hülle etwa ist da, um das Auspacken zu zelebrieren und die Freude, an den Duft zu kommen, zu erhöhen. Das war viel Arbeit und wir mussten auf viele Details achten. Meine Frau hat die Verpackung entwickelt. Sie hat in London Communications Design studiert und ist ziemlich künstlerisch. Communications Design ist wichtig, denn schließlich geht es darum, wie man sich als Marke präsentiert. So haben wir die ganze Verpackung entwickelt, aber auch die Taschen – die Schleife passt genau zu der Farbe der Schachteln.

Und Du produzierst ja auch alles in house.

Ja, das ist heute sehr selten. Es gibt nicht viele Marken, die von der Planung bis zur Verpackung alles unter einem Dach machen. Ich plane den Duft hier, mische ihn zusammen, er reift hier, wird hier abgefüllt. Mazeration, Filtration, Abfüllung. Einfach alles. Wenn es in größere Stückzahlen geht, ist das auch unmöglich, aber bis zu ein paar tausend Stück pro Monat ist es in house möglich. Ausserdem bezahle ich lieber hier Leute, habe keine Überproduktion und kann sicher sein, dass alles frisch ist und nicht lange gelagert. Ich will, dass die Kunden frische Produkte bekommen. Daher arbeite ich lieber ständig, als ab und zu Palette zu produzieren und dann wieder Monate nichts.

Viele Parfümeure verarbeiten Kindheitserinnerungen in ihren Parfums. Ist das bei einem Deiner Parfums auch der Fall?

Ja, bei Pohadka. Das ist eine Hommage an Abende am Genfer See. Wenn man mit dem Zug über Bern nach Lavaux kommt, sieht man plötzlich ein wunderschönes Panorama. Die Weinberge, den See, die Alpen. Es ist einfach eine traumhaft schöne Gegend. Alle Jahreszeiten dort sind schön, aber der Herbst ist besonders. Die Farben sind unglaublich toll und der See wirkt mal dunkelviolett, mal rosa. Es ist einfach wunderschön. Es gibt dann ein paar Weinstöcke, die noch grün sind, andere sind schon dunkelgelb. Die Weinbauern verbrennen die Zweige der Weinstöcke. Der Rauch erhebt sich, die Natur spiegelt sich im violett schimmernden See, man sieht die Berge umgeben. Einfach nur gewaltig.


Es kommt der Sommer und somit auch die Frage, welche Düfte sich perfekt dafür eignen. Welche würdest Du empfehlen?

Für den Tag Metaboles und für den Abend Monodie. Metaboles ist elegant, mutig und fragil zu gleich. Ich habe unter anderem Minze, Himbeerblätter mit leichten Honigakkorden und Geranie verwendet, um einen extravaganten und zugleich sinnlichen Duft zu kreieren, der aber auch tagsüber passend ist. Monodie erinnert an eine Cocktailparty, ist jung und spritzig. Und nicht allzu ernst. Er ist ganz leicht zu tragen und angenehm fruchtig, aber auch sehr prickelnd, wie Champagner.

Was ist momentan Dein Bestseller?

Lale. Das ist ein gute Laune-Duft und passt einfach immer. Daher verkauft er sich sehr gut. Aber auch Sacre du Printemps. Der ist eine Hommage an Stravinsky. Er hat dieses Ballett in Montreux komponiert, wo ich ja aufgewachsen bin. Damit hat es auch eine spezielle Bedeutung für mich. 1913 hatte es Premiere in Paris, wo es zu einem Skandal kam. Wenige Wochen darauf war die deutsche Premiere. Dort war es kein Skandal, sondern die Leute hatten es wirklich gerne. Das kann man als den Zeitpunkt sehen, seit dem es offiziell moderne Musik in der Klassik gibt.

Es ist einfach ein Stück, das immer toll ist. Und es gibt ganz tolle Inszenierungen des Balletts, etwa von Maurice Béjart.

Das mit dem Parfum, das begann in 2013. Es gab im November 2013 eine Party in London für Privatkunden. Da war die Idee, Sacre du Printemps als Dankeschön-Geschenk für diesen Abend zu machen. 2013 hat auch gut gepasst, eben da 100 Jahre nach der Uraufführung. Und es hat auch für die Gegend gepasst, aus der ich komme. So ist es also entstanden.

An diesem Abend waren einige so begeistert von dem Duft, dass sie meinten, er müsse unbedingt auf den Markt gebracht werden. Da habe ich mir gedacht, ich werde eine begrenzte Menge produzieren und sie auch in Parfumform lassen, also nicht mehr verdünnen. Da dieser Duft ein Edelduft ist, wollte ich auch eine passende Verpackung für ihn. Etwa das Etikett aus Email und Blattgold.

Doch vor allem geht es um den Inhalt. Es ist ein sehr spezieller Duft und auch die Rohstoffe sind speziell. Soweit es mir möglich war, habe ich versucht, sie direkt von den Bauern zu erwerben, um wirklich tolle Qualität zu bekommen. Zwar ist es kompliziert und kostet viel, aber es macht auch sehr viel aus und lohnt sich wirklich.

Der Duft ist, wie der Name sagt, ein Frühlingsduft, aber einer, der die Kräfte des Frühlings darstellen will. Er ist mehr als ein normaler romantischer Frühlingsduft. Er ist auch sehr erdig. Zudem ist er viel leidenschaftlicher als ein normaler Frühlingsduft. Es geht eben wirklich um die Kräfte, die der Frühling hat.


Wie Du eben in Deiner Antwort schon angedeutet hast, Du hast einige Privatkunden und machst auch maßgeschneiderte Düfte.

Ja, das stimmt. Es gibt einige Leute, die unbedingt einen eigenen Duft möchten. Und es gibt noch viel mehr Leute, die sich darüber wundern, dass es so etwas überhaupt gibt. Dabei ist es bei Kleidung ganz normal, bei Schuhen auch, aber bei Düften denkt man nicht daran, obwohl es eigentlich ziemlich logisch ist. Wenn es Anzüge und Schuhe nach Maß gibt, dann ist es ja klar, dass es nicht nur konventionelle Düfte gibt, sondern auch welche nach Mass. Das Interesse daran steigt und die Idee, ein Unikat zu haben, ist es, was den Leuten gefällt.

Wie ist dann das Vorgehen dabei?

Die Idee ist meistens da. Dann braucht es auch viel psychologische Arbeit, denn ich muss den Charakter der Person verstehen. Ihren Geschmack kennen, ihren Lifestyle. Arbeit, Sport, Hobbies, alles spielt eine Rolle. Und ich muss versuchen zu verstehen, welche Ingredienzien wer mag und welche gar nicht. Dann mische ich eine Hauptrichtung, die dann immer wieder verfeinert wird. Ich selbst mische auch viel mehr, als ich den Kunden schicke. Oft probiere ich etwas aus, gehe wieder zu Dingen zurück, die ich verworfen habe, und arbeite weiter. An den Kunden schicke ich nur möglichst fertige Düfte, von denen ich überzeugt bin und mit denen wir dann weiterarbeiten. Es braucht dann meistens ein paar Monate, bis der Kunde zufrieden ist.

Außerdem arbeite ich eng mit zwei Glasmachern zusammen. Nicht immer, aber häufig gibt es den Wunsch von Kunden nach einem individuellen Flakon für ihren individuellen Duft. Eine Flasche nach Mass, die den Duft ergänzt und zu ihm passt.

Danke. Und darf ich jetzt am Ende auch die große Überraschung verraten, die sicher alle Leserinnen und Leser interessieren wird?

Gerne.

Es gibt etwas zu gewinnen – eine glückliche Person erhält einen 100ml Flakon nach Wahl, entweder Lale, Pohadka, Monodie oder Metaboles. Außerdem gibt es für zwei weitere Gewinner ein Probenset mit Pröbchen eben jener Düfte. Vielen Dank, dass du das zur Verlosung zur Verfügung stellst!

Das Interview führte Barbara Korp, vielen Dank!

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