Ripieno

Ripieno

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31 - 35 von 35
Ripieno vor 14 Jahren 9
5
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8
Duft
Ausgefallener, eleganter Klassiker
Vetiver, das Indische Riechgras, mochte ich schon immer. Genauer, seit ich vor gut 35 Jahren diese Duftnote das erste Mal erschnuppert habe. Ich war von Anfang an begeistert. Ich bin mir sicher, daß es sich damals um eine billige Jahrmarktsversion von Vetiver-Duftöl handelte. Das tat meiner Begeisterung aber keinen Abbruch, und Holziges liebe ich ganz generell. Ein solches Duftöl hat immerhin den unschätzbaren Vorteil, daß man den eigentümlichen Charakter einer bestimmten Duftnote kennenlernt, weil es keine weiteren Duftrichtungen enthält.

Vetiver von Guerlain ist im Grunde ein Dreiklang aus Vetiver, Muskat und Zitrusdüften. Ein ganz und gar männlicher Duft. Auch die am Anfang dominierenden, etwas wuchtigen zitrischen Komponenten haben nichts Fruchtiges oder Süßes an sich. In der Herznote drängt sich die Indische Melisse hervor; die Basisnote läßt endlich auch das in diesem Falle sehr trockene Vetiver sowie einen leicht ätherischen Beiklang erkennen. Insgesamt hat die Komposition einen ausgeprägt frischen, grünen und sehr herben Charakter.

An einer Frau könnte ich ihn mir niemals vorstellen, selbst wenn sie eine über Jahre hinweg vom Whiskey aufgerauhte Basstimme hätte und Zigarren rauchte. Er hat nichts zwitterhaft-metrosexuelles, erst recht nichts Feminines. Es ist ein moderner Duft, kein postmoderner.

VG ist daher auch kein Holzfäller-Parfum, sondern etwas Edles, und trotzdem hat es, wie es sich für einen Herrenduft gehört, nicht alle Kanten verloren. Wahrzunehmen ist das besonders an dem zur Serie gehörigen Deodorant (im Vaporisateur), das jedem Vetiver-Begeisterten als Ergänzung empfohlen werden kann.

Wie andere Herrendüfte, die Anfang der sechziger Jahre entstanden sind, hält VG nicht allzulange vor. Aber es hat seinen Grund, daß sich dieser Duft seit fünf Jahrzehnten am Markt behaupten kann. Wer einer Vetiver-Note nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, ist mit diesem Klassiker von Guerlain gut bedient. Es ist ein markanter und dennoch eleganter Duft für alle Jahreszeiten und fast alle Gelegenheiten. Lediglich als verführerisch kann man ihn nicht bezeichnen, obwohl er auch bei Frauen auf Sympathie stößt und sehr gut ankommt. Ein Duft für Männer ab 40, die weder das Bedürfnis haben noch sich genötigt sehen, mit modischen oder unauffällig-langweiligen Allerweltsdüften daherzukommen.

04.02.2011

Kommentar und Bewertung beziehen sich auf die 1999 herausgekommene Version. Sie stimmt weder mit der von 1961 überein, noch muß sie mit der für 2011 angekündigten identisch sein.

Für die neueste Version wird eine veränderte Duftpyramide ausgewiesen, aus meiner Sicht ein sicheres Anzeichen für eine weitere Reformulierung. Was mir besonders auffällt, ist das Fehlen der Muskatnuß, einer für den getesteten Duft konstitutiven Note.
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Ripieno vor 14 Jahren 24 9
10
Haltbarkeit
8
Duft
Wer es kennt, vergißt es nie.
Samsara lernte ich kurz nach seiner Einführung kennen. Meine Liebste damals trug es täglich, wenn auch nur abends und nachts. Von mir aus hätte sie es den ganzen Tag tragen können, denn dieser Duft war so berauschend und sinnlich, wie auch seine Trägerin auf mich wirkte. Es passte perfekt zu ihren dunkelbraunen Haaren und ihren fast schwarzen Augen; nur die Augen von Inderinnen sind noch einen Tick dunkler.

Kopf- und Herznote gehen so fließend ineinander über - ich konnte sie nicht auseinanderhalten, sondern nur ihre Komplexität feststellen. Auch die ausgeglichene, das Sandelholz ein wenig in den Vordergrund stellende Basis machte sich von Anfang an bemerkbar. Sie war elegant, warm, und nur dezent süß. Offenbar wurde die Vanille nur eingesetzt, um der balsamischen Tonkabohne ein wenig mehr Standhaftigkeit zu verleihen. Das Sandelholz war phänomenal.

Den Höhepunkt der ganzen Komposition, und dabei darf man durchaus auch an eine andere, nämlich sexuelle Bedeutung dieses Wortes denken, bildet das Füllhorn von Blüten, die das gesamte Spektrum von leichten, mädchenhaften, eher grün-frischen Veilchen- und Irisnoten über eine feminine, glutrote, reichhaltige und vollendete Rose bis zum himmlischen Terzett aus wohlig-süßem Jasmin, animalisch stimulierendem Ylang-Ylang und euphorisierender Narzisse umfaßt.

Letztere, auf altgriechisch 'narkissos', leitet ihren Namen vom ebenfalls altgriechischen 'narkao' ab, was soviel wie erlahmen oder erschlaffen bedeutet. Im Gegensatz zur Narkose, vom gleichen Wortstamm abgeleitet, geht jedoch von der Narzisse eine Wirkung aus, die viel eher als hypnotisch bezeichnet werden kann. In Parfümbeschreibungen kommt sie zwar nicht gerade selten, aber doch lange nicht so häufig vor wie Jasmin oder Rose; das Verhältnis ist in beiden Fällen ungefähr 1 zu 16. Narzisse konnte ich in Samsara nicht als Einzelduft erkennen, aber ich bin sicher, daß die entsprechenden Ingredienzien wesentlich zu dem auf einmalige Weise gelungenen, überzeugenden und harmonischen floralen Gesamteindruck beitragen.

Ein zweites Mal lernte ich Samsara einige Jahre später kennen. In einer Fußgängerzone fuhr eine Radlerin an mir vorbei, eine Duftschleppe hinter sich herziehend. Kein Zweifel: Samsara! Wer es kennt, vergißt es nie. Und doch, wie seltsam und paradox, es war anders. Kein ostindisches Sandelholz, sondern eindeutig ein künstlicher Sandelholzduft. Ich verstand es nicht. Konnte sich meine Duftwahrnehmung in wenigen Jahren so stark verändert haben? Die Lösung des Rätsels erfuhr ich erst vor kurzem. Tania Sanchez, Kollegin und Ehefrau von Luca Turin, berichtet, daß Indien seine Exportpolitik geändert hat, was Guerlain zu einer Veränderung der Rezeptur veranlaßte.

Offenbar ist der Preis für das echte ostindische Sandelholzöl so hoch geworden, daß die Produktion von Samsara für Guerlain unökonomisch geworden wäre. Daß die spätere Version so stark abfällt, könnte daran liegen, daß das echte Sandelholz nicht ganz so leicht durch künstliche Riechstoffe ersetzbar ist wie viele andere ätherische Öle. Guerlain könnte sich aber auch gedacht haben, daß der Erfolg von Samsara schon deswegen anhalten werde, weil Viele den Unterschied gar nicht merken würden. Ob mit dem neueren Samsara der langsame Abstieg von Guerlain begonnen hat?

Frau Sanchez meint übrigens, daß man Samsara schon auf eine viertel Meile Entfernung erkennt. Ich hätte auf 200 Meter getippt, was nur ungefähr halb soviel ausmacht, würde darüber aber nicht mit ihr streiten wollen.

Für die Urversion gäbe ich 100 %, für die neuere wohlwollende 70. Ein Duft für Frauen ab 30, die auf das phantastisch komplexe, elegante und verführerische Blumenbouquet abfahren, den Wiedererkennungswert schätzen, und denen das künstlich duftende Sandelholz egal ist.

Nachtrag (Februar 2011)

Ist der Abstieg des Hauses Guerlain unaufhaltsam? Ich habe den Eindruck, dass in der gegenwärtigen Version auch das Blumenbouquet gelitten hat und im Jasmin untergegangen ist, werde mir den Duft aber nochmal vornehmen.
9 Antworten
Ripieno vor 14 Jahren 10 6
10
Haltbarkeit
5
Duft
Erschlagend
Ja, ein Klassiker. Untadelig, schon deshalb, weil es von Guerlain kommt Und allseits beliebt ist. Toll.

Mag sein, daß die Zusammensetzung sich im Laufe der Zeit verändert hat; es wäre ja nichts ungewöhnliches. Meine persönliche Erfahrung datiert ungefähr 1977 oder 78. Eine junge Mitbewohnerin, Studentin, Anfang 20, ließ sich eine riesige Nachfüllflasche aus einem Duty-Free-Shop mitbringen und hat es in Gegenwart der versammelten WG-Mitbewohner und -innen vorgeführt. Der Vanilleduft war nicht nur künstlich, wie jeder merkt, der echte Vanille kennt, er war vor allem erschlagend. Und ich empfand ihn, trotz des stolzen Preises, als billig. Ich mußte nach kurzer Zeit den Raum verlassen.

Nun, vielleicht hatte meine Mitbewohnerin einfach ein paar Spritzer zuviel erwischt. Und ich kann nur hoffen, daß Shalimar, dezent aufgetragen, auf jeder Haut und an jeder Dame etwas anders duftet und daher auch eine völlig andere Wirkung erzielt. Die werten Damen, die sich dieses Dufts erfreuen und ihn tragen, mögen mir bitte verzeihen, wenn ich meine damalige Dufterfahrung nur in einem einzigen Wort zusammenfassen kann: Ein Nutten-Diesel.
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Ripieno vor 14 Jahren 7 2
Koriander
Eigentlich nur eine Antwort auf Duftcrissis hochinteressanten Kommentar, aber eben die 250-Zeichen-Grenze weit überschreitend, daher also hier.

Duftcrissi, bitte nimm mir das folgende nicht übel. Deine Assoziationen sind so berechtigt wie die jedes anderen Menschen; ich bezweifele lediglich, daß Koriandersamen für den modrigen Eindruck, den Égoïste bei Dir hinterlassen hat, verantwortlich sein können.

Koriandersamen werden bei der Likörherstellung verwendet und sind vor allem ein althergebrachtes Lebkuchengewürz. Von Nürnberg ausgehend, seit dem späten Mittelalter der Lebkuchenhauptstadt Deutschlands, haben sie ihren Weg auch in die traditionell gehobene fränkische Brotkultur gefunden.

Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte unbedingt mal in Nürnberg, Bamberg oder der Fränkischen Schweiz ein dort erhältliches "Gewürzbrot" oder auch ein "Fränkisches Landbrot" ausprobieren. Nein, im Gegensatz zu Lebkuchen schmeckt das nicht süß. Sehr dezent würzig schon.

In olfaktorischer Hinsicht etwas völlig anderes ist dagegen das grüne Korianderkraut, auch Cilantro genannt und frisch in jedem Asia-Laden erhältlich. Ich finde es widerlich, und den Namen Wanzenkraut trägt es vielleicht, weil sogar diese Kreaturen vor ihm die Flucht ergreifen. ;-) In arabischen und asiatischen Kochrezepten ersetze ich es durch Petersilie. Korianderblätterextrakt har eine antibakterielle Wirkung.

Égoïste kenne ich nicht und ich werde es nur deswegen nicht testen, weil ich ausgesprochen vanillige Noten an meinem Körper nicht mag. (Auf weiblicher Haut ist das was anderes - solange es nicht so ein Nutten-Diesel ist wie Shalimar von Guerlain.) Ich kann daher nur wild spekulieren und vermuten, daß der modrige Eindruck von primär holzig duftenden Substanzen herkommt, für die Jacques Polge und/oder das zuständige Marketingteam auf äußerst kreative Weise die Phantasie-Bezeichnung "Mahagoni" erfunden haben.
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Ripieno vor 14 Jahren 12 3
7.5
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7
Duft
Tannennadeln!
Beim angeblichen "schwarzen Schierling" war wohl ein phantasiebegabter Übersetzer am Werk. Auf der Website von Ormonde Jayne lese ich "black hemlock," und "Hemlock" bezieht sich in der Welt der Parfümeriewaren nicht auf den seit der Antike bekannten und, wie überliefert wird, bei Sokrates' Exekution verwandten giftigen Schierling, sondern auf die Gattung der Hemlocktannen (Tsuga) aus der Familie der Kieferngewächse.

Die Nadeln und Zweige der Kanadischen Hemlocktanne, Tsuga canadensis, "eastern hemlock", liefern ein durch Wasserdampf-Destillation gewonnenes ätherisches Öl, im Englischen als "spruce oil canada" bezeichnet, das bei der Parfümherstellung als Herznote verwendet werden kann. Sein Duft wird beschrieben mit den Begriffen "Tannennadeln, holzig, thujonisch (d.h. an Thujapflanzen erinnernd), krautig, terpenisch (d.h. an Terpentinöl erinnernd)." Die amerikanische Food & Drug Administration hat es auch zur Aromatisierung von Lebensmitteln freigegeben.

Es ist allerdings keineswegs sicher, daß Linda Pilkington hier das natürliche Hemlocktannenöl zum Einsatz bringen ließ, denn es ist durch das ähnlich riechende, preisgünstige Bornyl-Azetat ersetzbar, das auch gerne in Chypre-, Fougère- und Lavendel-Kölnisch-Noten enthalten ist.

Die überaus großzügige Igraine hat mir je eine Abfüllung von Ormonde Man und Ormonde Woman geschenkt. Danke! Beides sind tolle Düfte. Für mich würde ich die etwas dezentere Damenversion vorziehen.

Umgekehrt ist Ormonde Man aber auch von Frauen tragbar. Der erste Eindruck von der Kopfnote ist von den Koniferen dominiert und für mein Empfinden etwas heftig, aber man könnte sich daran gewöhnen.
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